Splitter – Leipziger Buchmesse 2019
von Sabine Ibing
Die Sonne strahlte, welch ein Glück, denn die Leipziger Buchmesse ist nicht nur in den Messehallen ein Erlebnis. Wochen vorher habe ich das Programm durchforstet und wir haben uns einen Plan gemacht, und ihn natürlich manchmal umgestoßen. – Wie immer. – Doch dieses Mal schuldete es an einigen Stellen eher dem Massenandrang. Jedes Jahr wird es in Leipzig voller, fast ungemütlich voll dieses Jahr.
Donnerstag angekommen, schon fast ein Ritual, ausruhen nach der langen Fahrt im Mephisto, der hin und wieder donnernd durch den Spiegel erscheint, was die Bilder an den Wänden wackeln lässt. Ein wenig durch die Stadt schlendern und das erste Ziel ins Auge fassen. Dieses Mal entschieden wir uns für eine Krimilesung in der IHK, Krimis von mitteldeutschen Autor*innen.
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Jan Flieger |
Bernd Kaufhold liest aus: Leichenpuzzle, Mitteldeutscher Verlag
Andreas Sturm liest aus: Todesangst, Verlag edition krimi
Gisela Witte liest aus: Herrenhaus, Verlag edition krimi
Axel Stark, liest aus: Nebel der Erinnerung, epubli
Jan Flieger liest aus: Der Serienmörder, den man nicht stellte, EDITION digital
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Gisela Witte |
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Axel Stark |
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Andreas Sturm |
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Bernd Kaufhold |
Danach ging es ab in die Altstadt, draußen sitzen bis in die Nacht hinein. In der Barfußgasse gibt es auch nach 22 Uhr immer etwas zu essen. Am Freitag war Messetag. Drei Hallen in Angriff genommen, viel gestöbert und nette Leute getroffen, bei Interviews und Lesungen verweilt. Es war fein, Anne von Vaszary zu treffen, denn sie erzählte mir, dass ihr Roman im nächsten Jahr bei Droemer Knaur erscheinen wird. Sie hatte mit diesem damals noch unfertigen Manuskript ein Arbeitsstipendium der Mörderischen Schwestern gewonnen. Super, dass auch ein Verlag gefunden wurde. Ich dufte das Cover anschauen und meinen Senf dazugeben ... ganz ehrlich – ich fand es ausgesprochen gelungen.
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Ini Lorenz |
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Anne von Vaszary |
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Denis Scheck |
Denis Scheck erklärt, wie ungern er oft Bestseller liest, leider sein Job bei der ARD. Es gibt so viele wundervolle Bücher – aber nur selten hier zu finden. In seiner leidenschaftlichen Art bringt er den Lesern nahe, wie man wirkliche Perlen findet, und er hat einen Stapel Neuerscheinungen dabei, die er dem Publikum ans Herz legt.
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Bernd Langer |
Warum stelle ich nun lieber freie Verlage vor? Weil sie in den Buchhandlungen nicht gleich zu finden sind und weil sie nicht dem Mainstream folgen, sondern aus Überzeugung gute Bücher auf den Markt bringen! Die großen Verlage kennt ihr alle, die bessern Bücher aber findet man eher hier.
Gudrun Lerchbaum liest aus: »Wo Rauch ist«, Ariadne Verlag, eine feine Lesung. Krimis von Ariadne kann ich nur empfehlen, und eigentlich alles, was bei Else Laudan erscheint - die Qualität ist gleichbleibend gut, von Beginn an. Crime aus aller Welt, und es gibt viele gute deutschsprachige Schriftstellerinnen hier zu finden. Starke Frauen ist das Motto: Christine Lehmann, Anne Goldmann, Dominique Manotti, Merle Kröger, Liza Cody, Monika Geier, Anne Kuhlmeyer, um ein paar große Namen zu nennen. Fast jedes Jahr holt sich der Verlag einen Krimi-Literaturpreis.

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Else Laudan |
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Gudrun Lerchbaum |
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Günther Butkus |
Und wo wir bei hervorragenden Freien Verlagen der Krimibranche angelangt sind, kann der Pendragon Verlag nicht unerwähnt bleiben. Auch bei Günther Butkus stimmt seit Anfang an die Qualität. Ich glaube, mein Bücherregal flüstert mir, ich bin Leserin der ersten Stunde. Noir-Krimis und gute Übersetzungen aus dem Amerikanischen, wie James Lee Burke und Wallace Stroby, feine deutschsprachige Autor*innen wie z.B. Kerstin Ehmer, D. B. Blettenberg, Wolfgang Schweiger, David Gray, Gudrun Lerchbaum. Auch hier wird es fast in jedem Jahr preisverdächtig. Qualität zahlt sich aus.
Natürlich besuche ich den Schöffling Verlag und finde Klaus Schöffling vor, der mit viel Empathie hochwertige Literatur veröffentlicht. Die Romane sind in jedem Jahr preisverdächtig. Autoren wie Maike Wetzel oder Herbert Heckmann gehören dazu. Und hier ein empfehlenswerter neuer Roman von Anselm Oelze: »Wallace« (Rezension folgt bald).
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Klaus Schöffling |

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Inge Lütt |
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Katja Bohnet |

Ein intensiver Besuch galt den freien Schweizer Verlagen, die an einem Stand gemeinschaftlich ausstellen. Der Unionsverlag, bei dem unter Claudia Piñeiro, Petra Ianov, Garry Disher, Raja Alem zu finden sind, ist hier der Größte.
Edition 8, u. a. mit Esther Spinner oder "Der Mond und die Feuer" von Cesare Pavese.
Edition taberna kritica u.a. mit Guliano Musio,
INK PRESS mit u. a. Albertine Sarrazin,
der Rotpunktverlag mit Romain Gary oder Yael Inokai, um nur einige zu nennen. Gute Romane, hohe Qualität, hier findet man Leseschätze!
Am Abend wollten wir ins Landgericht – wie immer – Kriminacht der großen Verlage. Eine halbe Stunde vor Einlass kamen wir an, schon von weitem war eine große Menschentraube davor zu erkennen. Was ist denn das? Und nun kommt auch noch ein Justizangestellter heraus: »Alle Plätze besetzt, tut mir Leid, voll bis ins letzte Eckchen.« – So ein Mist! Hier war es noch nie überfüllt! Zurück in die Altstadt, ins Krimicabaret. Wir schafften es gerade noch, zu Beginn der Lesung der Schweizer Autorin Christine Brand hineinzugelangen. Eine klasse Show! Eine perfekte Lesung mit Fragestunde. Wir waren entschädigt. Danke Frau Brand. Lesung aus: »Blind«, Blanvalet Verlag
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Christine Brand |
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Christine Brand |
Gleiche Pleite am nächsten Vormittag: Wir freuten uns auf den Frühschoppen in der ARTAe Galerie bei Weißwurst und bayrischem Bier mit Jürgen Roth und Thomas Kapielski – wie immer. Hier hatten wir uns Wochen vorher angemeldet, waren bestätigte Teilnehmer. Beginn laut Messekatalog: 11 Uhr. Wir kamen eine Viertelstunde vorher an, der Hausflur voller Menschen. Wir kämpften uns durch: Wir sind angemeldet! Der Türsteher schaut auf die Liste, wir erhalten Eintritt in einen überfüllten Flur, alle Bänke an den Tischen drinnen sind besetzt. Es drückte von hinten, Rufe im Rücken: »Mir doch Scheißegal, ich will rein«, immer mehr Leute drücken den Türsteher weg, besetzen den Flur. Vorn geht es los. Wie immer – das Mikro funktioniert nicht ordentlich. Rechts zischt laut verständlich die Bierzapfanlage. Es drückt von hinten, leises Gegrummel und Geschubse im Flur, von vorn nichts zu verstehen, nichts zu sehen. Die Veranstalterin ist völlig hilflos, bittet um Ruhe. Wir haben keine Lust, mehr als zwei Stunden wie die Sardinen in der Büchse im Flur zu stehen, und wie man an Bier und Würstchen kommen soll, wird die nächste Frage sein – insbesondere für die, die vorn an den Tischen sitzen. Bloß raus hier. Wie immer reinstes Chaos in der Künstlerwohnung – absolut liebe, nette Leute, aber mit der Planung von Veranstaltungen überfordert, insbesondere mit der unkoordinierten Völkerwanderung im Hausflur. Wann lernt die ARTAe Galerie es endlich, ihre Veranstaltung bei der Messe ordentlich anzugeben (bitte auch die korrekte Uhrzeit!): Eintritt gegen Anmeldung und natürlich, es kostet was! Künstler, Bier und Würstchen gibt es natürlich nicht gratis. Jürgen Roth und Thomas Kapielski für heute ade, aber eine Empfehlung für ihre Bücher!
Mein Mann begibt sich auf Stadtrundfahrt, sagenhaft gut, berichtet er mir hinterher. Er weiß nun, warum man die Kleingärten auch Schrebergärten nennt (Benannt nach dem Leipziger Arzt Daniel Gottlob Moritz Schreber, der am Rand der Stadt kleine Gärtchen für Familien mit Kinder angelegte.) und wo in Leipzig Angela Merkel in einer Dreier-WG wohnte. Ich fuhr auf das Messegelände und hatte mir für diesen Tag besonders die Kinder- und Jugendliteratur, grafische Bücher, Comics usw. vorgenommen. Hierzu folgt ein gesonderter Bericht.
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Franz Hohler |
Der Kampa Verlag, mit Louise Penny ist hier zu finden, oder Kein & Aber Verlag mit Bianca Bellová
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Veit Etzold |
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Leander Sukov |
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Ulrike Almut |
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Ernst Paul Dörfler |
Interessant war auch das Interview mit Ernst Paul Dörfler zu seinem Buch »Nestwärme«, bei der er Menschen humorvoll mit Vögel vergleicht. Das erinnerte mich sofort an Jürgen Roths Buch, dass ich immer noch besprechen muss ... »Kritik der Vögel«. Man liest es weniger am Stück – aber mit hohem Genuss, denn es werden wichtige Fragen geklärt: Ist die Elster ethisch zu rechtfertigen und was bilden sich Meisen ein? Oder wie fällt das Führungszeugnis des Kormorans aus? – hier eher meine Empfehlung.
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Werner Plumpe, Eva Schmidt
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Mohammed Hanif |
Einmal muss es auch das Blaue Sofa sein. Dafür hatte ich mir zwei Interviews herausgepickt und heroisch gehofft, einen Sitzplatz zu ergattern. Yepp. Ich war schneller. Der Kampf um die Sitzplätze an jeder Lesebühne ist neuerdings der Horror: Hopsen, drängeln, schubsen scheint der neue Volkssport zu sein. Es wird wirklich zu voll auf der Buchmesse in Leipzig. Warnung! Vollzeitstehen ist angesagt. Endlich sitzend lausche ich Saša Stanišić, der sein neues Buch »Herkunft«, Luchterhand, vorstellt – lesenswert. Danach freute ich mich auf Werner Plumpe, der sein Buch »Das kalte Herz -Kapitalismus: die Geschichte einer andauernden Revolution«, Rowohlt, vorstellte.
Meine Füße waren schwer und auf ging es zum Treffpunkt: Ausspannen. Eigentlich wollten wir noch mal los zu einer Lesung am Abend. Diese Massen an Menschen, Gedrängel, wohin man schaut, haben uns abgehalten: Lieber gemütlich ein feines Essen genießen und lesen. Und Leipzig sagt gute Nacht. "Geben Se dem Mann am Klavier nochn Bier, nochn Bier ..."

Eine Seite von dieser Buchmesse habe ich extra für Kinderbücher, Jugendbücher, für Grafisches für junge gebliebene Erwachsene erstellt ... na eben alles mit bebildeter Kunst zu tun hat. Kommt diese Woche. Hier geht es weiter mit 2019: Buchmesse Leipzig 2019: Kinderbücher, Jugendbücher, Grafisches
Falls jemand in die alten Blog-Fotos hineinschauen möchte:
Buchmesse Leipzig 2017
Buchmesse Leipzig 2016
Eine Seite von dieser Buchmesse habe ich extra für Kinderbücher, Jugendbücher, für Grafisches für junge gebliebene Erwachsene erstellt ... na eben alles mit bebildeter Kunst zu tun hat. Kommt diese Woche. Hier geht es weiter mit 2019: Buchmesse Leipzig 2019: Kinderbücher, Jugendbücher, Grafisches
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