Rezension
von Sabine Ibing
Brackwasser von Jana Stieler
Stille Wasser sind tief. Und manche sogar tödlich …
Vor über zwanzig Jahren hatte Svea sich geschworen, nie wieder in ihre norddeutsche Heimat zurückzukehren. Nach einem Sommerfest verschwand Sveas beste Freundin ohne jede Spur. Vor kurzem wurde ein Knochen von ihr gefunden, tief im Wald versteckt, im Wald des Onkels. Ihr Onkel hat sich danach erhängt; er wird verdächtigt, der Suizid als Schuldeingeständnis bewertet. Der Mann, der sein Haus, das Grundstück, den Wald und sein Vermögen Svea hinterließ. Weder ihre Mutter als Schwester, noch ihre zwei Geschwister erhielten auch nur einen Cent. Der Rest der Familie ist sauer auf Svea. Nun kommt sie auch noch zurück, um wieder hier zu wohnen.
Eine toxische Familie
Juristisch ein wenig heikel, die Erbschaftsgeschichte – auf einen Pflichtteil hätten die anderen ein Anrecht, wenn sie so scharf darauf sind, wie hier beschrieben. Aber gut. Svea glaubt immer noch, ihr jetziger Schwager, der damals allerdings mit ihrer Freundin zusammen war, sei der Möder – ein hochaggressiver Typ, der mit seiner Familie im Wald wohnt. Keiner kennt die Wälder an der Schlei so gut wie er. Svea gefällt nicht, dass ihre Schwester Fenja mit ihm und den Kinder außerhalb der Dorfgemeinschaft zusammenwohnt. Es wird erwähnt, er sei ein Prepper, aber leider wird nicht viel dazu erklärt. Eine Chance, die leider vertan wurde. Auch mit dem Bruder haben beide Schwestern nicht viel am Hut, mit den Eltern liegen Svea und Fenja ebenfalls im Zwist. Eine desolate Familie. Und darum geht es in diesem Roman. Drei Protagonisten berichten je aus ihrer Sicht die Geschichte, von Kapitel zu Kapitel im Wechsel. Die Haupterzählerin ist Svea.
Nachdem meine Mutter gegangen ist, fühle ich mich ausgehöhlt von ihrer vollkommenen Freudlosigkeit. Nur in einem Punkt hatte sie recht: Das Haus sieht wirklich aus wie ein Saustall. Bis zu diesem Moment ist es mir nicht einmal aufgefallen. Das viele Reisen zu entlegenen Orten hat mich resistent gegen kleinere Zumutungen gemacht. Zudem sind die Krümel und der Staub zum Teil immer noch seine Krümel und sein Staub, Spuren seines Lebens.
Und weil mich beim Lesen die Langeweile packte, fing ich an zu blättern
Nach einem Drittel wusste ich immer noch nicht, was die Autorin mir mitteilen will, wohin die Reise geht. Eine toxische Familie, bei der jeder den anderen für irgendetwas beschuldigt, man nicht leiden kann, wo sich alles im Kreis dreht, dazwischen ein paar andere Figuren. Psychologische Tiefe ist das nicht, sondern oberflächliche Plapperei. Hier fehlt die Spannung und die psychologische Tiefe einer Karen Slaughter oder Charlotte Link, die tief in die Gefühlswelt der Figuren hineingehen. Prepper, Reichsbürger, klasse Themen, die leider nur angedeutet werden. Die Hauptperson Svea ist nicht glaubwürdig, ihr Handeln oft nicht zu verstehen. Und weil mich beim Lesen die Langeweile packte, fing ich an zu blättern. Es wurde nicht besser. Leider. Spannung ist nicht eine halbe Seite lang zu spüren. Baue nie eine Figur auf, die zu nichts nütze ist, die Geschichte nicht weiterträgt – eins der Gebote für Autor:innen. Hier gibt es gleich mehrere Figuren, die, würde man sie herausschreiben, sie nicht fehlen würden. Ich habe nicht gezählt, aber gleich auf den ersten Seiten haben wir es mit geschätzt 30 Personen zu tun – die meisten völlig unwichtig für die Story. Es werden immer wieder Informationen hereingeworfen und liegen gelassen, etwas was mich nervte. Sprachlich ungelenk in Ausdruck und Stil ist der Roman auch in dieser Hinsicht nichts, was in guter Erinnerung bleibt. Fazit: Für mich blieben die Figuren an der Oberfläche, distanziert, die Autorin kam ihnen nicht nahe. Bis zum Ende war mir nicht klar, welche Message dem Roman unterliegt. Es ist ein Thriller, denn bis zum Ende unterliegt das Bedrohliche – Wer hat das Mädchen ermordet? Die ganze Geschichte wirkte auf mich ziemlich planlos, von Spannungsbogen keine Rede – überhaupt fehlt diese gänzlich. Ein Debüt, das mich nicht überzeugen konnte. Ich habe mich gelangweilt, wie schon lange nicht mehr.
Jana Stieler volontierte nach Abschluss ihres Studiums bei den »Kieler Nachrichten« und lernte dabei den Norden mitsamt seinen Abgründen kennen und lieben. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrer Familie in Hamburg. Freie Tage verbringt sie am liebsten mit Küstenwanderungen oder im Kajak auf der Schlei.
Jana Stieler Brackwasser
Stille Wasser sind tief. Und manche sogar tödlich …
Kriminalliteratur, Thriller, Schlei
Taschenbuch, 368 Seiten
Limes Verlag, 2025

Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

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