Direkt zum Hauptbereich

Derselbe Mond von Lara Schützsack - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Derselbe Mond 


von Lara Schützsack


Die Sommerferien sind vorbei, doch der Sommer macht einfach weiter. Magdalena hängt, wie alle aus ihrer Klasse, im Skaterpark ab. Sofia und Flip sind ihre beste Freunde. Was Magdalena allerdings nervt ist das Geturtele der anderen. Alle reden von Küssen und megasüßen Typen, Klamotten; die Mädchen starren Flip hinterher. Was ist hier bloß los? Da betritt ein Mädchen die Halfpipe wie eine Bühne: blaue Haare, seltsame Klamotten, und es scheint ihr total egal zu sein, was die anderen über sie denken. Magdalena findet die Blaue unmöglich und ist zugleich fasziniert. Sie will sie kennenlernen. Denn die Neue zeigt Selbstbewusstsein bis zum Platzen. Etwas das Magdalena fehlt. Die beiden kommen sich näher. 


Die Gedichte sind ihre Zuflucht


Ich will Frau Morgenstern sagen, dass ich gerne mitmachen würde bei diesem Wettbewerb. Ich will ihr noch viel mehr sagen, will ihr sagen, dass ich davon träume, etwas aus Worten zu bauen. Ein Baumhaus, eine Hütte, ein Iglu oder einen Tempel. Etwas, in dem man sich zu Hause fühlen kann. Etwas, das einen schützt. Stattdessen sage ich gar nichts.


Magdalena schreibt Gedichte. Und als Frau Morgenstern in der Klasse verkündet, sie würde sich freuen, wenn jemand aus der Klasse an einem poetischen Wettbewerb teilnimmt, meldet Magdalena sich nicht. Am Ende der Stunde will sie zur Lehrerin gehen, sich für die Ausschreibung bewerben. Sie bleibt im Klassenraum, geht nach vorn. Und als sie von der Lehrerin angesprochen wird, traut sie sich nicht zu sagen, was sie wirklich möchte. Auch zu Hause gelingt es ihr nicht, mit ihren Eltern über deren Trennung zu sprechen. Sie ist verunsichert auf allen Leben. Zwei Zuhause – bei Mama und bei Papa; pubertierende Freund:innen, deren Hormone explodieren. Die Gedichte sind ihre Zuflucht – hier kann sie aussprechen, was sie bewegt.


Sprachlosigkeit mit anderen


Manchmal tun die Dinge, die man nicht sieht,

am meisten weh.

Schnee, der vor langer Zeit gefallen ist. Tränen, an die sich niemand erinnert.

Dann legen wir unsere Haut ab, um

die zu werden, die wir sind.

Vielleicht sind Worte wie Bären,

vielleicht können sie uns beschützen.

Vielleicht tragen wir die Orte,

an denen wir leben wollen, in uns. …


November, so nennt sich das Mädchen mit den blauen Haaren, kann wunderbar zeichnen, drückt ihre Emotionen auf diese Weise aus und mit Notizen, die sie in ihrem Sketchingbuch macht. Durch die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen gewinnt Magdalena Kraft – sie traut sich plötzlich was. Ein leises, empathisches Kinderbuch, das enorme Kraft entwickelt. Lara Schützsack fühlt sich auf mehreren Ebenen in ihre Figuren ein, in die Zeit zwischen Kind und Erwachsensein und in den Schmerz, wenn Eltern sich trennen. Sprachlosigkeit im Zusammensein mit anderen, Kanäle zu finden, um sich auszudrücken. Magdalena und November können miteinander darüber reden, und das tut beiden gut. 


Schmerz gehört zum Leben


Der Mond da draußen sieht seltsam blass aus. Früher dachte ich, er wäre so etwas wie mein Freund. Ich habe mir vorgestellt, dass er durch das Fenster schaut und auf mich aufpasst, wenn ich abends alleine im Bett liege. Wenn ich den Mond heute sehe, muss ich daran denken, wie unglaublich groß dieses ganze verrückte Universum ist. Und wir so winzig klein. Alles kommt mir so unwichtig vor auf einmal, und trotzdem. Am nächsten Morgen ärgere ich mich wieder über das umgefallene Glas Milch oder die vergessenen Hausaufgaben. Das ist das Irre am Leben.


Poetisch, sinnlich, gefühlvoll – mir hat dieses Kinderbuch sehr gut gefallen, weil es Kinder dort auffängt, wo sie fallen und Mut gibt, sich dem zu stellen. Trau dich was! Rede! Drück dich aus, auf welche Art auch immer. Schmerz gehört zum Leben, wie die Freude; denn ohne Schmerz können wir das Glück gar nicht spüren. Der Sauerländer Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 11 Jahre. Das passt. Empfehlung!


Lara Schützsack, geboren 1981 in Hamburg, studierte Germanistik, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften sowie Amerikanische Literatur und Kultur an der Universität Potsdam. Es folgte ein Drehbuchstudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Lara Schützsack lebt und arbeitet als Autorin in Berlin. Literaturpreise für ›Und auch so bitterkalt‹, - Ulla-Hahn-Autorenpreis 2014;  Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2014, Literaturpreise für ›Sonne, Moon und Sterne‹, - Paul Maar-Preis für junge Talente – Korbinian 2019



Lara Schützsack
Derselbe Mond 
Kinderroman, Kinder- und Jugendliteratur, Pubertät, Scheidungskinder
Hardcover, 176 Seiten
Sauerländer Verlag, 2023
Altersempfehlung: ab 11 Jahre



Kinder- und Jugendbücher - 10 bis13 Jahre






Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis

  (Detektivbüro LasseMaja, Bd. 37)  Es gibt hochfliegende Pläne im Ort Valleby: Ein Astronaut macht mit seiner Raumkapsel in der Kleinstadt Station und will als Nächstes den Planeten Neptun ansteuern. Und laut tönt er, er suche Astronaut:innen, die ihn begleiten. Bewerber will er einem Astronauten-Test unterziehen, danach bestimmt er, wer mitfliegen darf! Natürlich benötigt er auch Spenden für sein Projekt. Die Detektiv:innen Lasse und Maja hören genau zu. Und bei dem, was der Mann so erzählt, kommt schnell der Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul ist und der Typ ein Betrüger ist. Das teilen sie dem Dorfpolizisten mit – doch der hat gerade keine Zeit für sie. Ein Dieb geht um … Spannender, witziger Kinderkrimi ab 8 Jahren, Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis 

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt 

Rezension - Osso – Geschichte einer Freundschaft von Michele Serra und Alessandro Sanna

  Ein alter Mann lebt in einem Haus am Waldrand, mit Blick auf die Stadt. Eines Tages kommt ein hungriger Hund zum Haus, der sich nicht herantraut. Der Mann stellt Futter hin und geht zurück ins Haus. Jeden Tag kommt der Hund am Morgen und am Abend, und weil er so knochendürr ist, nennt der Mann ihn Osso, schließt den Streuner ins Herz. Eine wunderschön erzählt und illustrierte Geschichte über die Beziehung Mensch und Hund. Allage, ab 10 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Osso – Geschichte einer Freundschaft von Michele Serra und Alessandro Sanna