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Das kleine gelbe Haus von Leo Hoffmann von Claudia Burmeister - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Das kleine gelbe Haus 


von Leo Hoffmann von Claudia Burmeister


Das kleine gelbe Haus ärgert sich. Seine menschlichen Bewohner lassen plötzlich den Garten verwildern, weil die Arbeit so anstrengend ist, wollen lieber in der Stadt wohnen. Schimmel bildet sich auf der Rückseite, die Bauern schütten vor der Tür stinkende Gülle auf den Acker, und die Sonne geht immer an der gleichen Stelle unter. Das kleine Haus ist genervt. Und als niemand zu Hause ist, macht das Haus sich auf zu neuen Ufern. Es hat die Nase von diesem Ort voll. Irgendwohin, wo es schön denkt sich das Haus. Im Wald kommt es zur Ruhe – wie herrlich ist es hier. Und gleich beginnen die ersten Tiere einzuziehen. Nette Bewohner! Endlich erfährt das Haus Respekt! 



Natürlich kann das nicht gutgehen. Alle Tiere gehen ein und aus, das Haus beginnt zu stinken. Überall liegen Köttelchen, die Schwalben hinterlassen ihre Spuren auf dem Dach, die Mäuse knabbern an der Treppe; verfaultes Obst und Laub, Dreck und Gestank, wohin man schaut. Nicht mal die Tür können sie zumachen! Das kleine Haus friert. So geht das nicht weiter! Das Haus beschließt umzuziehen. Im Wasser ist es herrlich! Blitzblank sauber stellt es fest, dass die Meeresbewohner das Haus zu schätzen wissen ...



Natürlich kann das wieder nicht gutgehen. Das Haus wird noch ein paar Mal umziehen, bis es seinen Platz findet. Woanders ist es eben anders. Besser als da, wo man herkommt, scheint es nirgends zu sein. Irgendwann stellt man nämlich fest, es gibt auch hier wieder Nachteile. Das Häuschen ist neugierig und es findet viele Freunde, lernt verschiedene Lebensräume kennen und die dort lebenden Tiere und Wetterbedingungen. Mutig sucht es weiter, stets offen für Neues. Klar, man kann nicht alles haben, sagt sich das Haus und ist bereit, Kompromisse einzugehen – zieht aber auch Grenzen; was zu weit geht, geht zu weit. Die Konsequenz, es zieht um, wenn es ihm nicht mehr gefällt. 



Ein Buch, das man allen Auswanderern in die Hand geben sollte. Informiere dich erst mal ganz genau über das Leben an deinem auserwählten Ort, bevor du dort hinziehst! Ich finde es gut, über die Verschiedenartigkeit der Welt zu sprechen. Hier geht es ja auch um Wohngemeinschaften. Kann jeder mit jedem zusammenwohnen? Wo sind deine Grenzen im Zusammenleben? Was erwartest du von einem Ort, an dem du wohnst? Angepriesen wird das Buch, als Anregung zur Konfliktlösung, zu lernen, Grenzen zu ziehen. Dafür gibt es wirklich bessere Bücher. Das ist für mich zu abstrakt. Der Verlag Freies Geistesleben gibt eine Altersempfehlung ab 6 Jahren. Das passt für mich nicht. Ab 10 Jahren, so meine Empfehlung. Mir gefällt das Buch. Hier steckt eine Menge Sprengkraft drin. Denn was das Haus stört, sind innere Konflikte wie Unordnung, Gestank, Faulheit, etwas kaputt machen ... und äußere Einflüsse. Findest du das Dorf langweilig, was stört dich an der Stadt? Stört dich Unordnung von anderen? Welche Kompromisse gehst du ein im Zusammenleben mit anderen? Hier am Urlaubsort ist es herrlich! Sicher? Wenn du ihn genau kennenlernst, hier wohnen würdest, fallen dir garantiert schreckliche Dinge auf! Ist wegzulaufen eine Lösung? Ein philosophischer Kern, den man für mich frühstens ab 10 Jahren angehen kann. Denn das Buch birgt eine Menge Potential! 


Grafisch ist das Bilderbuch mit ausdrucksstarken Aquarellen von Claudia Burmeister unterstützt, die mir sehr gut gefallen haben. Sie benutzt Naturfarben, angepasst an die jeweilige Situation vom kleinen Haus. Was etwas abstrakt ist: Anfänglich wohnt eine Familie in dem Haus, zum Ende hin ist es nur noch so groß wie eine Hundehütte – zum Schluss wohnt wieder die Familie darin. Das fand ich grafisch etwas unglücklich gelöst, fragte mich, wie die ganzen Waldtiere, einschließlich mehrer Hirsche, in das Hüttchen, das irgendwann hinter der Mülltonne steht, hineingepasst haben sollen ...


Leo Hoffmann hatten die bunten Erstlesehefte ihrer Grundschule schnell gelangweilt, und so schrieb sie ihre erste eigene Geschichte. Seitdem hat die 1964 in Oberfranken geborene Autorin viele Kurzgeschichten, einige Theaterstücke (u.a. ›Oh, what a Lovely Afternoon!‹, Uraufführung am Akademietheater München, 2004), Guides für verschiedene Museen, Beiträge für den Bayerischen Rundfunk und ein Libretto (›Die Marquise von O.‹, Uraufführung an der Opéra de Monte-Carlo, 2011) verfasst.


Claudia Burmeister geboren 1976, studierte Grafik und Design in Anklam sowie Germanistik und Erziehungswissenschaften an der TU Berlin. Bis 2011 arbeitete sie in einer Wohnstätte für geistig behinderte Menschen und nebenberuflich als Grafikerin und Künstlerin.

Sie wohnt mit ihrer Familie in der Mecklenburgischen Schweiz und arbeitet inzwischen hauptberuflich als Grafik- Designerin, Kunstschullehrerin und Illustratorin. Für den Verlag Freies Geistesleben illustrierte sie bereits mehrere Bilder- und Kinderbücher von Brigitte Werner.


Leo Hoffmann, Claudia Burmeister
Das kleine gelbe Haus
Bilderbuch, Kinderbuch, Thema anpassen und Grenzen ziehen
Hardcover, 112 Seiten
Verlag Freies Geistesleben, 2022
Altersempfehlung: (ab 6 Jahren Verlag), ab 10 Jahren, meine Empfehlung








Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
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