Direkt zum Hauptbereich

Der Leuchtturm der magischen Träume von Charis Cotter - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Der Leuchtturm der magischen Träume 


von Charis Cotter 


Annie ist begeistert, von einem alten Gemälde mit Meerlandschaft und einem Leuchtturm und von einem alten Quilt, die sie auf dem Dachboden findet. Sie hängt das Bild in ihrem Zimmer auf. Eines Tages liegt ihre Mutter im Krankenhaus, sie war bei einem Autounfall schwer verletzt worden. Irgendetwas ist seltsam mit dem Bild in Annies Zimmer. Als sie es genauer betrachtet, fühlt sie sich wie magisch davon angezogen – und steht plötzlich dort, am Meer. Doch wer ist das Mädchen Claire, das im Wärterhäuschen des Leuchtturms wohnt und sie zu kennen scheint? 


Die beiden Mädchen haben eine familiäre Verbindung

Am Crooked Head spukt es. Das weiß ich genau. Wir sind im September eingezogen, pünktlich zu den Herbststürmen. … Der Wind heulte und tobte um das Haus, das wackelte und klapperte, als würde es gleich wie Dorothys Häuschen von Oz aufsteigen und über den Atlantik wegfliegen.

Claire nennt sie Annie, glaubt, die wäre ihre Schwester. Doch Annie hat keine Schwester, und die von Claire ist lange tot. Annie reist immer wieder zum Leuchtturm und in der Realität meint man, sie würde schlafen. Claire ist in Not, sie hat ein dickes Problem mit ihrer Mutter. Aber wie kann Annie da helfen und was haben all diese Geschehnisse mit ihrem eigenen Leben zu tun, zu dem eine geheimnisvolle Verbindung zu bestehen scheint? Eine Fantasie-Geschichte, die zwischen zwei Welten, besser gesagt, zwischen zwei Zeiten spielt. Die beiden Mädchen haben eine familiäre Verbindung, die sich dem Lesenden Stück für Stück erschließt. Zum Thema hat sich Charis Cotter Schuldgefühle um den Unfalltod gesetzt. Hätte ich dies oder jenes gemacht, dann wäre das nicht passiert. Eine Schuld, die keine ist, die man aber trotzdem in sich trägt. 


Annie, die Vermittlerin

Eine Malerin, die die tote Tochter erhebt, vergöttert, in ihren Bildern weiter leben lässt, die lebendige Tochter dagegen ignoriert. Mutter und Tochter, die jede auf ihre Weise mit dem Tod von Annie versucht fertig zu werden. Mittendrin die Annie aus der anderen Welt, die sich ihre eigenen Gedanken macht, anfängt, zu ihrer Familie zu recherchieren. Jedes Kapitel wird mit einem Zitat aus Alice im Wunderland und Alice hinter den Spiegeln angekündigt – was ich ein wenig zu einfach fand und irritierend für die, die das Buch nicht gelesen haben. Aber gut, ansonsten fand ich das Jugendbuch spannend und atmosphärisch gestaltet. Die Fantasy ist letztendlich, dass Annie zwischen den Zeiten springen kann, ansonsten eine sehr realistische Geschichte. Schuld und Sühne, der Streit zwischen Mutter und Tochter, der zum Bruch führt. Annie, die Vermittlerin. Mir hat es gefallen, wie diese Familiengeschichte langsam wie eine Zwiebel abgepellt wird, bis wir am Kern der Sache angelangt sind, auch wie die Auflösung ein gutes Ende bringt. Der Urachhaus Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 11 Jahren. Ich tendiere zu 13 Jahren, da der Stoff eine gewisse Reife voraussetzt; denn in diesem Mutter-Tochter-Verhältnis geht es um so viel mehr, was jüngere Kinder überfordern kann. Meine Empfehlung für dieses emotionale Jugendbuch.


Charis Cotter studierte Englische Literatur und Schauspiel in London und Toronto. Nach einigen Jahren als Schauspielerin arbeitet sie nun als freie Lektorin und Autorin und hat mehrere Sachbücher veröffentlicht. Ihre ersten Kinderbücher ›Das unsichtbare Mädchen‹ und ›Der Leuchtturm der magischen Träume‹ gewannen in Kanada mehrere Preise und wurden von der Kritik enthusiastisch gelobt. Charis Cotter lebt an einer abgelegenen Küste Neufundlands, immer auf der Suche nach neuen Geistergeschichten, die sie besonders liebt.



Charis Cotter 
Der Leuchtturm der magischen Träume
Originaltitel: The Painting
Aus dem kanadischen Englisch übersetzt von Dieter Fuchs
Jugendbuch, Fantasy, Weltenwanderer, Trauer, Schuld
Taschenbuch, 288 Seiten
Urachhaus Verlag, 2024
Altersempfehlung: Verlag, ab 11 Jahre, von mir eher ab 13 Jahren











Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur






Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz Karnauchow und Petra Thees

  Alter könnte so schön sein. Doch ältere Menschen werden in unserer Gesellschaft diskriminiert. Schlimmer noch, sie denken sich alt und grenzen sich selbst aus, sagen die Autor:innen. Das hat Folgen: Krankheit und Gebrechlichkeit im Alter gelten als normal. Altenpflege folgt daher dem Prinzip «satt, sauber, trocken». Und genau dieses Prinzip kritisieren Dr. Petra Thees und Lutz Karnauchow und gehen mit ihrem Ansatz neue Wege. Dieses Buch stellt einen neuen Blick auf das Alter vor - und ein radikal anderes Instrument in der Altenpflege. «Coaching statt Pflege» lautet die Formel für mehr Lebensglück im Alter. Ältere Menschen werden nicht nur versorgt, sondern systematisch gefördert. Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Bewegung, Physiotherapie und Sport statt herumsitzen! Ein interessantes Sachbuch, logisch in der Erklärung, ein mittlerweile erfolgreiches, erprobtes Konzept. Weiter zur Rezension:    Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz...

Interview - Viola Eigenbrodt von Sabine Ibing

                                                                                                                                          © Viola Eigenbrodt Viola Eigenbrodt, freie Journalistin aus dem Kulturbereich, ihr Genre ist der Cosy-Krimi, Geschichten, die im Alpenraum angesiedelt sind, phantastische Geschichten und Entwicklungsromane. Und neuerdings ist Viola Eigenbrodt in die Kinder- und Jugendliteratur eingestiegen. Hier das Interview mit ihr:     Interview...

Rezension - Le Sud: Geschichten und Rezepte aus Südfrankreich - Provence - Alpes - Cote d’Azur von Rebekah Peppler und Joann Pai

  Das Savoir-vivre Südfrankreichs in 80 köstlichen Rezepten und stimmungsvoller Fotografie: Von erfrischenden Cocktails und kleinen Snacks über Vorspeisen, Hauptgerichte und Beilagen, bis hin zu Käse und Desserts, alles, was Südfrankreichs Küche zu bieten hat. Die Provence-Alpes-Côte d’Azur und ihre vielfältigen Koch- und Esstraditionen mit saisonalen Zutaten ausgerichtet. Frankreichs Sommerküche aus dem Süden gekonnt präsentiert. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Le Sud-Geschichten und Rezepte aus Südfrankreich von Rebekah Peppler und Joann Pai 

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - Glutspur von Katrine Engberg

  Liv Jensen, ehemalige Polizistin, hat sich als Privatdetektivin in Kopenhagen selbstständig gemacht. Sie bekommt seitens der Polizei den Auftrag, Gemeinsamkeiten zwischen drei Todesfällen zu finden. Der Suizid eines Häftlings auf Freigang, der Tod einer Museumsangestellten und ein dreieinhalb Jahre zurückliegender Mord an einem Journalisten – diese Fälle können doch keine Gemeinsamkeit haben. Oder doch? Unterstützung erhält Liv dabei von Hannah Leon, einer Krisenpsychologin, die gerade selbst einen Schicksalsschlag erlitten hat, und Nima Ansari, einem iranischen Automechaniker, der selbst unter Mordverdacht gerät. Gemeinsam stoßen sie auf eine dunkle Vergangenheit, die jemand unbedingt geheim halten will. Mit allen Mitteln … Solider Krimi für ausdauernde Leser. Weiter zur Rezension:    Glutspur von Katrine Engberg 

Rezension - Skin City von Johannes Groschupf

  Gesprochen von Florian Schmidtke Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 6 Std. und 37 Min. Der Dienst im Außenbezirk sollte Ruhe in das Leben der Kriminalpolizistin Romina Winter bringen. Doch georgische Einbrecher sind täglich in den Stadtvillen in Dahlem und Lichterfelde unterwegs, und die Bewohner sind in der Folge verängstigt. Die Polizei muss wachsamer sein! Und dann verschwindet auch noch Rominas kleine Schwester. Jacques Lippold nimmt den Berliner Geldadel ganz legal aus, denn er arbeitet als Kunstberater. Berliner Szenen aus verschiedenen Sichtweisen, die sich irgendwann kreuzen werden. Gut aufgebaute Charaktere und atmosphärisches Berlin-Milieu-Feeling heben den Krimi ab, der gut geschrieben eine Empfehlung ist! Weiter zur Rezension:    Skin City von Johannes Groschupf