Rezension
von Sabine Ibing
Blue Skies
von T.C. Boyle
Gesprochen von: Florian Lukas
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 23 Min.
Wo war die Welt, in der sie aufgewachsen war, in der es regnete, wenn es regnen sollte, und auf jeder weißen Kleeblüte in jedem Garten der Nachbarschaft eine Biene saß?
Cat will sich ein Haustier anschaffen, steht in der Tierhandlung fasziniert vor einer Tigerpython. Sie wohnt mit ihrem Freund in einem hippen Strandhaus an einer Meeresbucht in Florida. Willie, so tauft sie ihre Schlange, schleppt sie überall mit herum, denn als Influencerin glaubt sie, mit dem Tier mehr Aufmerksamkeit zu finden. Doch plötzlich ist Willie entwischt! Willie 2 muss her. Das Wetter hat sich verändert, es regnet und regnet … Überschwemmungen bedrohen Florida. Der Countdown zur Apokalypse läuft. Parallel dazu geht Kalifornien in Flammen auf. «Der Planet stirbt, siehst du das nicht?», wirft Cooper seiner Mutter vor, die ihre Küche gehorsam auf frittierte Heuschrecken und Mehlwürmer umstellt, mit Liebe in ihrem Garten noch einige Gemüse zieht; das was noch wächst in der Hitze. Und sie züchtet Bienen. Ein sehr spannende Dystopie zum Klimawandel.
Spannend geschrieben mit seinem typischen schwarzen Humor
Es war, als wären die Knochen der Erde freigelegt worden, und als würde die windverwehte Zukunft sie nie mehr bedecken. Alles befand sich in der Todesspirale, die Cooper schon als Teenager düster vorausgesagt hatte.
Klimawandel – von Menschen gemacht – der Sündenfall – die Schlange. Cat und Cooper sind Geschwister. Cat ist glücklich mit Todd, einem gutverdienenden Markenbotschafter für Bacardi. Er reist herum und gibt Bacardi-Partys. Auch sonst kippen er und Cat ordentlich Alk in sich hinein. «Zum Leben gehört doch mehr als Arbeit und geliefertes Essen und Netflix und auf der Veranda sitzen und zusehen, wie die Flut den Strand abträgt, als wäre man schon jetzt hundert Jahre alt.» Cooper, ein Entomologe, erforscht das Artensterben, ist mit einer Kollegin leiert, die Zecken studiert. Ihnen allen geht es gut am Anfang dieser Geschichte. Doch diese Familie wird von Schicksalsschlägen gebeutelt werden. Ein Zeckenbiss wird Coopers Leben verändern und eine Schlange das von Cat. T.C. Boyle lässt seine Figuren leiden. Ihnen bleibt nichts erspart. Spannend geschrieben mit seinem typischen schwarzen Humor.
Wie wird die Welt in ein paar Jahren aussehen, wenn wir so weitermachen?
Sie standen dicht gedrängt im Flur, in der Küche und in den drei Zimmern im Erdgeschoss, umklammerten Sektflöten und Cocktailgläser, fragten sich, wo das Essen war, und versuchten, sich einzureden, dass sie eine großartige Hochzeit erlebten. Die Leute saßen auf Sofa- und Sessellehnen und auf der Treppe in den ersten Stock, umarmten ihre Knie oder hatten die Beine sittsam untergeschlagen. Der Wind war allgegenwärtig und fegte zischend und brausend wie eine einfahrende U-Bahn über das Haus hinweg.
Cats Hochzeit wird bei ihren Eltern gefeiert, doch das Fest wird dank Sturm und Regen zur Katastrophe – die Häppchen fliegen durch die Partygesellschaft – das ist erst der Anfang des Grauens. Mit Blue Skies hat T.C. Boyle den ultimativen Roman über den Alltag in unseren Zeiten geschrieben. Unheimlich, witzig und prophetisch. Das Klima spielt verrückt. Die Menschen nehmen hin, was passiert, passen sich an, so weit es geht. Weiterhin duschen, in den Pool springen, wird es zu warm, schaltet man die Klimaanlage an. Kein Nachdenken, kein bewusstes Handeln setzt ein. Ein bisschen mag doch reichen, oder? Eine Dystopie in der nahen Zukunft. Heute bereits wissen wir, wir können die Katastrophe kaum noch aufhalten – nur mit drastischen Mitteln. Aber irgendwie scheint es kaum einen zu kümmern, denn Politiker, die es anpacken wollen, bekommen vom Volk was auf die Glocke. Niemand mag sich einschränken, schon gar nicht dafür zahlen, die Natur zu reparieren. Irgendwie geht es schon weiter. Irgendwie … Wenig Fleisch essen, recyceln, Gemüse anbauen, Bienen halten – die Eltern von Cat und Cooper bemühen sich doch … «Für ihren Bruder ist Cat mit ihrer Schlange einfach eine verantwortungslose Verrückte, die mithilft, den Planeten zu zerstören.» Ein weiteres Problem der Natur: Arten werden durch den Menschen dorthin versetzt, wo sie keine natürlichen Feinde haben, sich verbreiten und andere Arten zerstören. Florida hat seit Jahren ein großes Schlangenproblem und kürzlich wurde eine 5,5 Meter lange Tigerpython gefunden, die 122 Eier in sich trug. Die eingeschleppte burmesische Würgeschlange bedroht das labile Ökosystem im Everglades-Nationalpark. Denn die Schlagen vernichten den Säugetierbestand. Spannend und unterhaltsam auf der einen Seite – tiefsinnig auf der anderen. Wie wird die Welt in ein paar Jahren aussehen, wenn wir so weitermachen?
T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, ist der Autor von zahlreichen Romanen und Erzählungen, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles. Bei Hanser erschienen zuletzt Das wilde Kind (Erzählung, 2010), Wenn das Schlachten vorbei ist (Roman, 2012), San Miguel (Roman, 2013), die Neuübersetzung von Wassermusik (Roman, 2014), Hart auf hart (Roman, 2015), die Neuübersetzung von Grün ist die Hoffnung (Roman, 2016), Die Terranauten (Roman, 2017), Good Home (Stories, 2018), Das Licht (Roman, 2019), Sind wir nicht Menschen (Stories, 2020), Sprich mit mir (Roman, 2021) sowie Blue Skies (Roman, 2023).
T. C. Boyle
Blue Skies
Gesprochen von: Florian Lukas
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 23 Min.
Dystopie, Zeitgenössische Literatur, Klimawandel, amerikanische Literatur
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Dirk van Gunsteren
Der Hörverlag, 2023
Hanser Verlag, 400 Seiten, 2023
Sprich mit mir von T.C. Boyle
Tiere können fühlen, Schmerz fühlen. Aber können sie leiden, fragt sich der Philosoph. Leidensfähig ist nur ein Wesen, so sagt man, das ein bewusstes Selbst besitzt, sich selbst als Individuum erlebt. Können sich Tiere als Individuum wahrnehmen? Dieser Frage geht T. C. Boyle in seinem Roman nach, rückt das Bewusstsein eines Schimpansen in den Mittelpunkt. Die Geschichte beginnt im Jahr 1978. Sam, ein Schimpanse, wird innerhalb eines wissenschaftlichen Forschungsprojekts menschlich erzogen, er soll lernen, mit Menschen zu kommunizieren. T.C. Boyle hat wieder einen wahnsinnig guten Roman geschrieben. Er schafft es immer wieder, ernsthafte Themen unterhaltend zu präsentieren, böse, mit seinem unterschwelligen Humor, ergreifend, wenn der die wunden Punkte offen legt. Ein gewagtes Experiment, das geglückt ist.
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Das Licht von T. C. Boyle
Fitz Loney, seine Frau Joanie und ihr Sohn Corey sind die Hauptfiguren in T. C. Boyles neuem Roman, fiktive Personen, die sich glaubhaft in die wahren Begebenheiten um den legendären Drogenpapst Leary einpassen. Fitz ist Doktorand der Psychologie der Harvard University, lernt Professor Timothy Leary 1962 dort kennen. Er wird in die Gruppe der Anhängerschaft aufgenommen, die sich selbst als große Familie bezeichnen. Leary führt Experimente mit bewusstseinserweiternden Substanzen durch, LSD, Meskalin und Psilocybin (Magic Mushrooms), die er an seinen Studenten erproben lässt. Fitz hofft, eine Stufe der Karriereleiter bei der Erforschung der neuen Substanzen zu erklimmen.
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Good Home. Stories von T. C. Boyle
T. C. Boyle gehört zu meinen Lieblingsautoren und natürlich – auch seine Kurzgeschichten konnten mich begeistern! Er schafft es immer wieder, mich bildhaft in Situationen hineinzuziehen, schöpft wundervolle Metaphern. Diese Geschichten sind menschlich, Alltagssituationen die eskalieren, Ausnahmesituationen, Entscheidungen, die wir treffen. Wie würden wir reagieren?
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Zeitgenössische Literatur
Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …Zeitgenössische Romane
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