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Good Home. Stories von T. C. Boyle - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Good Home. Stories 

von  T. C. Boyle



Sprecher: Florian LukasGekürztes Hörbuch - Spieldauer: 11 Std. und 25 Min.


Der Anfang: Es gab zwei Arten von Wahrheiten: gute und schmerzhafte. Das war es, was der Anwalt ihres Vaters sagte, und sie hörte ihm zu, sie tat ihr Bestes – auf ihrem Gesicht eine schmale, glänzende Sichel aus Sonnenlicht, reflektiert von der gelben Küchenwand –, aber es war schwer.

T. C. Boyle gehört zu meinen Lieblingsautoren und natürlich – auch seine Kurzgeschichten konnten mich begeistern! Er schafft es immer wieder, mich bildhaft in Situationen hineinzuziehen, schöpft wundervolle Metaphern. Diese Geschichten sind menschlich, Alltagssituationen die eskalieren, Ausnahmesituationen, Entscheidungen, die wir treffen. Wie würden wir reagieren? Ich will nicht zuviel erzählen, kurz etwas anreißen – nur so viel, oft kommt es anders, als man denkt. Stets beginnt die Geschichte ruhig, doch ein einschneidendes Erlebnis verändert alles … In vielen dieser Begebenheiten stehen Tiere im Mittelpunkt. Gewalt und Waffen (nicht nur die aus Metall) stehen zum Thema. Schon der menschliche Daumen und Zeigefinger aufeinandergedrückt impliziert Macht, Gewalt, eine Waffe.

Vielleicht weil Panik ansteckend und Gewalt das Einzige ist, was beruhigt.

Geschichten, die das Leben schreiben 

Der Vater, der Alkohol, das Kind – ein Unfall – Zeugenaussage, der Anwalt bespricht dies mit dem Kind –  Gerichtstermin.

Eine Ratte, als Futter für die Schlange, doch so niedlich das Tier, so kuschelig, ein Freund. – Der Freund braucht Freunde, damit er sich wohlfühlt …

Ein Fahrer, schnell unterwegs, das menschliche Herz zum Krankenhaus zu transportieren, ein Erdrutsch, kein Weiterkommen. – Die Siedlung, Menschen verschüttet, Entscheidungen treffen. – Aus welchem Grund treffen wir eine Entscheidung?

Eine einsame Frau, an der Tür klingelt ein attraktiver Mann, der sich Vogelfreund nennt und Unterschriften gegen Katzen sammelt, weil die das Ökosystem durcheinanderbringen. – Sie ist eine Katzenfreundin. – Ist es möglich, seine Einstellung hinzuschmeißen, nur um der Einsamkeit zu entrinnen? – Perfide, welchen Hintergedanken der sogenannte Vogelfreund eigentlich verfolgt.

Eine Geschichte sticht heraus, denn sie spielt nicht in den USA, sondern in Russland, im atomverseuchten Gebiet von Tschernobyl. Was bedeuten Strahlen schon, die man nicht sehen kann, wenn man sich zu Hause einfach am wohlsten fühlt?


Ein Zyniker und Menschenfreund


T. C. Boyle schreibt über einfache Menschen, Situationen am Abgrund, blickt auf die amerikanische Gesellschaft, zynisch und hinterfragend, scharf beobachtend, mit Herz. Er bleibt bei den Menschen, ihren Gefühlen, beschreibt Situationen ohne zu werten. Natürlich sind einige Geschichten besser als andere, eindringlicher. Es liegt sicher auch im Auge des Betrachters, welche dieser Storys am meisten beeindrucken. Eins steht fest: T. C. Boyle schreibt nicht nur hervorragende Romane.

(Der Hörverlag, gebundenes Buch bei Hanser)

Weitere Bücher von T.C. Boyle:

Hart auf hart von T.C. Boyle


Die Entdeckung des Nigers im Auftrag der »African Association«


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