Rezension
von Sabine Ibing
Männer, die die Welt verbrennen
von Christian Stöcker
Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit
Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit ist in vollem Gang, und die Fronten sind klarer denn je. Wer diesen Kampf verstehen will, der muss nicht nur dessen Geschichte kennen, sondern auch die Methoden, Tricks und Netzwerke derer, denen ihre Milliardengewinne weiterhin wichtiger sind als die Zukunft der Menschheit. Wer dieses Verständnis sucht, wird es auf den Seiten dieses Buches finden - aber auch viele Fakten, die durchaus Hoffnung machen.
Profiteure der fossilen Brennstoffe versus erneuerbare Energien im Zeichen der Klimakatastrophe – wer ist dabei, unsere Welt zu verbrennen und warum? Die Welt steckt in der Endphase eines Kulturkampfs: Gier gegen Gerechtigkeit, Zerstörung gegen Nachhaltigkeit, Zynismus gegen Empathie. Nichts zeigt dies deutlicher als die Reaktionen auf die Klimakatastrophe: Hier jene, die versuchen, das Schlimmste zu verhindern, dort jene, die alles tun, um aus dem Verbrennen fossiler Stoffe Profit zu ziehen, die behaupten, es gäbe keinen Klimawandel, bzw. das sei alles nicht schlimm. Jahrzehntelang haben Ultrareiche mit ihren Unternehmen mit CO₂-Produktion gut verdienen, mit skrupelloser Desinformation Zweifel daran gesät, dass wir Menschen mit unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen die Erde aufheizen. Nicht zufällig sind die Hauptprofiteure der Klimazerstörung Leute, die mit demokratischen Werten und Menschenrechten wenig am Hut haben ‒ oft geht die Begeisterung für fossile Brennstoffe und die Ablehnung von Klimaschutz einher mit reaktionären Positionen. Ich las gerade das Buch als Hardcover, als es hieß, das Taschenbuch ist noch weiter mit neunen Informationen verbessert worden, habe ich mir auch das besorgt.
Die meisten, die an diesem Netzwerk beteiligt sind, sind Männer. Daher der Titel dieses Buches, der dem einen oder der anderen polemisch vorkommen mag. Dabei ist auch der Titel keine Polemik, sondern eine nüchterne Tatsachenbeschreibung: Es gibt auf der Welt Männer, sogar ziemlich viele, die bereit sind, ihrem aktuellen Profit, ihrer persönlichen Macht die Zukunft der gesamten Menschheit unterzuordnen. Und sie sind bis heute sehr erfolgreich bei ihrem fatalen Tun.
Viel Geld wird in Desinformation gesteckt. Die, die das Geld mit dem Öl machen, geben viel dafür aus, damit sie weiter unser Klima aufheizen können, das alles aus eigener Profitsucht. Es gibt ein Kartell der Verbrenner: Mohammed bin Salman, Wladimir Putin, Rupert Murdoch, Donald Trump und Mathias Döpfner usw. Die werden von rechten politischen Gruppen und sonstigen Konservativen unterstützt wie z.B. von Sahra Wagenknecht, AfD und CDU. Katharina Reichelt möchte das Rad wieder zurückdrehen zu Kohle und Öl – ist doch alles gar nicht so schlimm, wir haben lediglich überheizte Meere, schwindende Gletscher, das Auftauen der Arktis usw. – freut euch über die Wärme und die wunderschönen Gewitter. Oder wie sollen wir das verstehen, dass die Regierung die Erneuerbaren runterschrauben will, anstatt sie zu fördern und die Fossilien wieder zurückholt? Warum kein Tempolimit, warum noch mehr Kilometergeld? Sie werden bezahlt. Doch die ganz normale Industrie ist bereits viel weiter, die Erneuerbaren lassen sich nicht mehr aufhalten. Die Ölscheichs, Putin usw. wissen das, aber sie tun alles dafür, um das zu verhindern. Denn sie haben Angst, dass ihre Kohle vor den Gletschern schmelzt.
Die Öl- und Gasbranche hat seit 1970 etwa drei Milliarden Dollar pro Tag Gewinn - nicht Umsatz! - gemacht. Jeden Tag, sieben Tage die Woche, seit über 50 Jahren. Insgesamt hätten die Staaten und Firmen, die Öl und Gas fördern, von 1970 bis 2020 über 51 Billionen Dollar Profit gemacht, so Verbruggen. Gut 86 Prozent dieser 51 Billionen Dollar ‹Profit ohne Anstrengung›, wie Verbruggen das formuliert, entfielen auf Gewinne aus dem Verkauf von Öl, die restlichen knapp 14 Prozent auf Gas. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands im Jahr 2022 betrug umgerechnet gut vier Billionen Dollar. Er sei selbst überrascht gewesen, als er die Zahlen ermittelt hatte, sagte Verbruggen dem britischen Guardian: ‹Das ist eine riesige Menge Geld. Man kann mit diesem Geld jeden Politiker, jedes System kaufen, und ich glaube, das ist auch passiert. Es schützt die Produzenten von politischer Einflussnahme, die ihre Aktivitäten beschränken könnte.› Auch das klingt wieder ein bisschen nach Verschwörung. Viele belegbare Tatsachen zeigen jedoch, dass Verbruggen recht hat. Anders wäre auch kaum zu erklären, dass die Welt gerade in eine globale Katastrophe hineinmarschiert, obwohl längst bekannt ist, was zu tun wäre, um diese Katastrophe abzuwenden.
Regierungen unterstützen weiter die Öl-und Gasbranche. Warum das so ist, kann man hier gut nachlesen. Der sogenannte Kulturkampf ist ein gutes Ablenkungsmanöver, alles Woke, das Gendern, LGBTQIA+ ist linksgrün versifft, wie alle die vor dem Klimakollaps warnen. Man erklärt den Wählern, dass sie die Freiheit haben müssen, selbst zu entscheiden. Jeder «Zwang» (das Heizungsgesetz, dass ja immer noch freistellte, die Heizung selbst zu wählen, nur die Fossilen in der Zukunft nicht mehr erlaubte) wurde von den Konservativen als Bedrohung der Freiheit deklariert, der Schaden der Fossilen konsequent ausgeblendet, ignoriert, verharmlost – und daneben alles Neue verdammt, nur das Konservative zähle. Kapitalinteressen vor Rettung der Welt – nach mir die Sintflut. Es wurde viel Geld dafür bezahlt, die Wahrheit zu verheimlichen, zu verharmlosen und Kritiker mundtot zu machen. Wir sehen, «dass in den USA der Supreme Court gerade dabei ist, elementarste Umweltregeln außer Kraft zu setzen.» Lobbyorganisationen, Industrien und Interessenverbände Politik und Medien ziehen an einem Strang – dazu Propaganda in Social Media. Warum ist es wohl den Reichen so wichtig, Medienunternehmen zu kaufen? Das Cato Institut, Fred Singer, Frederick Seitz und Co und das US Koch Industries haben von Anfang an die Öl-Gas-Lobby befeuert; Koch persönlich hat Milliarden in die Lügen und Desinformation gesteckt. Viele der Akteure kennt man bereits aus der Tabak- und FCKW-Lüge. Ob nun Ruppert Murdoch oder Springer-Chef Mathias Döpfner – hier wird gelogen, dass die Balken biegen. Wenn die Ehefrau des Premierministers von Großbritannien jeden Tag Millionen am Öl und Gas verdient, soll man sich nicht wundern, wenn der Klimawandel verharmlost wird und plötzlich wieder die Fossilen gefördert werden. Das Sachbuch ist voller interessanter Informationen. Ich kann nur jedem raten, dieses Buch zu lesen, wenn er die Klimaerwärmung verstehen will. Denn Öl, Gas und Kohle sind die Hauptverantwortlichen! Detailreich recherchiert zu Klimawandel, Energiepolitik und Umweltverschmutzung, interessant geschrieben – absolute Empfehlung! Eigentlich Pflichtlektüre für jeden Bürger dieser Welt!
Wir alle haben lange von der Energie profitiert, die fossile Brennstoffe geliefert haben. Sie haben die Menschheit reicher, mächtiger und sogar gesünder gemacht. Längst wissen wir aber, dass diese Form der Energiegewinnung sehr schädlich für uns Menschen ist. Und wir wissen auch, dass wir ohne sie auskommen können. Längst profitieren nur noch die Hersteller fossiler Brennstoffe. Wir alle bezahlen dafür, mit unseren Steuern und unserer Zukunft. Es wird höchste Zeit, die Männer, die die Welt verbrennen, in ihre Schranken zu weisen.
Christian Stöcker, geboren 1973 in Würzburg, wurde 2003 in Würzburg im Fach Kognitive Psychologie promoviert. 2016 wurde er als Professor für Digitale Kommunikation an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg berufen, wo er u.a. die Fragen der Wechselwirkung von digitaler Medientechnologie, Journalismus und Öffentlichkeit untersucht. Ab 2005 war er bei Spiegel Online in den Ressorts „Wissenschaft und Netzwelt“ tätig, von 2011 bis 2016 leitete er dort das Ressort Netzwelt, heute hat er bei Spiegel Online weiterhin eine wöchentliche Kolumne.

Männer, die die Welt verbrennen
Der entscheidende Kampf um die Zukunft der Menschheit
Sachbuch, Klimawandel, Energiepolitik, Umweltverschmutzung
Hardcover, 332 Seite, 2024, Taschenbuch 2025, 352 Seiten
Ullstein Verlag
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