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Osso – Geschichte einer Freundschaft von Michele Serra und Alessandro Sanna - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Osso – Geschichte einer Freundschaft 


von Michele Serra und Alessandro Sanna


Ein alter Mann lebt in einem Haus am Waldrand, mit Blick auf die Stadt. Eines Tages kommt ein hungriger Hund zum Haus, der sich nicht herantraut. Der Mann stellt Futter hin und geht zurück ins Haus. Jeden Tag kommt der Hund am Morgen und am Abend, und weil er so knochendürr ist, nennt der Mann ihn Osso, schließt den Streuner ins Herz.




Als seine Enkelin Lucilla mit ihrem Hund zu Besuch kommt, toben die beiden Hunde herum. Selbst das Mädchen schafft es nicht, sich dem Hund ganz zu nähern. Der Großvater erzählt ihr eine Geschichte aus Urzeiten, über die Beziehung zwischen Wölfen und Menschen, die mit der Natur verbunden sind, und wie der Wolf zum Hund wurde. Osso ist frei, er trifft seine Entscheidung, entscheidet, wann er mit dem Menschen Kontakt aufnehmen will, wann er aus dem Wald herauskommt, wann er zurückkehrt – und wie tief seine Beziehung zum Menschen sein werden. Wir lesen, wie die Geschichte sich weiter entwickelt …

Osso, der aus Abenteuerlust oder Vernachlässigung zum Streuner wurde, bleibt eine unscharfe Gestalt, eine Erscheinung. Er verlässt den Wald nur, wenn er es will. Menschen lässt er nicht an sich heran: Selbst Lucilla, die so klein und zart ist, durfte ihn nicht berühren.

 



Eine Geschichte die von Naturverbundenheit berichtet und von Geduld. Der alte Mann hat verstanden, dass dieser Hund sicherlich seine Gründe hat, nicht zu dicht an einen Menschen heranzukommen – wer weiß, was er erlebt hat. Er akzeptiert ihn so, wie er ist … und vielleicht wird diese Geduld belohnt. Der Alte sinniert, dass der Hund ihm geholfen hat, denn er holte den Mann aus dem Haus, der den Wald durchstreifte, um Osso zu suchen. Dabei entdeckte er die Schönheit des Waldes, die er nun täglich genießen kann und so neue Energie gewinnt. Eine Freundschaft, die auf gegenseitigem Respekt, Vertrauen die Freiheit des anderen besteht. Co-Autor von Michele Serra ist Alessandro Sanna, ein bedeutender italienischer Autor und Illustrator. Er illustrierte die zarte Geschichte mit ebenso grazilen Bilden. Mit Aquarellen, begleitet vom Zeichenstrich und Mehrfachtechnik, setzt er auf die Natur, spielt mit Licht. In die lichthellen Illustrationen vertieft man sich schnell, sie unterfüttern fast magisch anmutend die Erzählung über die Auferstehung, von der Krankheit zur Genesung, von der Schlaffheit zur Energie, das Altern und die Geburt, die Kraft der Träume. Ein poetisches Buch für die ganze Familie. 





Michele Serra, geboren 1954 in Rom, ist landesweit berühmt für seine Kolumnen in ›La Repubblica‹ und ›L’Espresso‹. Sein Buch ›Die Liegenden‹ über eine Vater-Sohn-Beziehung war international ein Riesenerfolg. Michele Serra lebt in Mailand und im Apennin in der Nähe von Bologna.

Alessandro Sanna wurde 1975 in Nogara in der italienischen Provinz Verona geboren. Bereits im Alter von elf Jahren entdeckte er das Zeichnen für sich. In Verona studierte er an der Designschule Grafikdesign und bemerkte in dieser Zeit, dass ihn nicht nur das grafische Arbeiten liegt, sondern auch das Illustrieren, vor allem das Illustrieren eigener Geschichten. Sein Debüt als Buchillustrator war »Il duello« (2001), die italienische Ausgabe des Romans »Dukrav« (1982; dt. »Ein spätes Duell«, 1990) von David Grossman. Bereits ein Jahr später erschien mit »L’orchestre du chat noir« (2002; Ü: Das Orchester der schwarzen Katze) sein Debüt als Autor und Illustrator. Auch Sannas Bildband »Moby Dick« (2013), basierend auf Herman Melvilles 1851 erschienenem Roman, bebildert die berühmte Geschichte von Kapitän Ahab und dem Pottwal eindrücklich in verschieden großen Panoramen. Die Illustrationen spielen geschickt mit den mythologischen und symbolischen Aspekten der Geschichte und zeigen Sanna erneut als Meister des Erzählens ohne Worte. Bis heute schrieb und illustrierte Sanna 34 Bücher. Darüber hinaus illustrierte er über 32 Bücher anderer Autoren, u. a. von Italo Calvino und Gianni Rodari. Seine Bücher wurden in vier Sprachen übersetzt. Außerdem lehrt er Illustration an der Akademie der Schönen Künste in Bologna. 2006, 2009 und 2014 gewann er für seine Bücher den renommierten Premio Andersen. Sannas Illustrationen wurden in Italien, Frankreich, Israel und Südkorea ausgestellt und im »New Yorker«, der »New York Times Book Review« und in »Vanity Fair« veröffentlicht. Er gilt als einer der bedeutendsten Gegenwartsillustratoren Italiens. Sanna lebt mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Hund in Mantua.




Michele Serra, Alessandro Sanna
Osso – Geschichte einer Freundschaft
Originaltitel: Osso, anche i carni songnato
Aus dem Italienischen übersetzt von Peter Klöss
Zeitgenössische Literatur, Jugendbuch, Hund und Mensch, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover, 136 Seiten
Diogenes Verlag, 2024
Altersempfehlung: Allage, ab 10 Jahren









Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
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