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Killer Potential von Hannah Deitch - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Killer Potential 


von Hannah Deitch


Der Anfang: 
Ich war eine berühmte Mörderin. Ich habe eine wohlhabende Familie ermordet und bin abgehauen, genau wie Charles Manson. Anders als er wollte ich aber keinen Rassenkrieg anzetteln, um ins Paradies zu gelangen, und auch nicht insgeheim ein Beatle sein. Glaubt man den Nachrichten, war ich nur eine ruhmsüchtige Killerin und scharf darauf, mein Konterfei Teufel komm raus am Mount Rushmore, der großen amerikanischen Psychopathen verewigt zu sehen.


Evie Gordon hat bereits ihr Stipendium für ein renommiertes College in der Tasche, ist als SAT-Tutor für Serena, der Tochter einer reichen Familie in Beverly Hills tätig. Als sie an einem Tag klingeln will, steht die Tür offen. Sie ruft, niemand antwortet. Dann findet sie Mr Victor tot im Pool schwimmend, Mrs Victor liegt mit zermatschtem Schädel tot im Wohnzimmer. Das alles muss gerade passiert sein, Evie hat Angst, will die Polizei informieren, das Haus verlassen, als sie leise Hilferufe hört. In einer Kammer unter der Treppe findet sie eine verwahrloste Frau – gefesselt, verletzt und dehydriert. Sie befreit sie. In dem Moment kommt Serena nach Hause, schreit entsetzt der Szenerie, geht auf Evie los, die in ihrer Not dem Mädchen eine Lampe über den Kopf zieht. 


«Schnallen Sie sich an!», so die Werbung

Panisch stürzen die beiden Frauen aus dem Haus und fliehen, werden nun als Mörderinnen gesucht, werden in den Medien als brutale Killerin bezeichnet. Dieses andere Mädchen redet nicht, aber stumm scheint sie nicht zu sein. Was ist in dem Haus passiert, warum war die andere in der Kammer gefesselt,  was hat man ihr angetan? Die beiden Frauen nähern sich an, werden Freundinnen. Zunächst fliehen sie in den Süden, dann wieder hoch bis nach Kanada. «Schnallen Sie sich an!», so die Werbung. Und wieder eins dieser Bücher, das mit etwas beworben wird, was es nicht einhalten kann. Das gibt dann enttäuschte Leser, weil man mit der falschen Erwartungshaltung startet. 


Er war niemand. Ein Mitarbeiter in einem Days Inn in Pascagoula, Mississippi. Und vielleicht bedeutete es auch nichts - vielleicht hatte er selbst Leichen im Keller, Köpfe in der Tiefkühltruhe. Vielleicht hatte er eine Familie. Ein neugeborenes Kind zu Hause. Eine Freundin, die er noch von der Highschool kannte, eine Krankenschwester, die so wie er Nachtschichten schob, damit sie gemeinsame Freizeit hatten. Eine kranke Mutter, einen hungrigen Teenager. Menschen, die abhängig von ihm waren. Er tat nur, was er für richtig hielt. Warum sollte er an meine Unschuld glauben? Niemand - vielleicht nicht mal meine eigenen Eltern, glaubten an meine Unschuld.


Wenn der Roman trotzdem gut ist, dann macht mir das nichts aus. Doch dieses Buch ist lediglich ein relativ langweiliges Roadmovie, in Teilen unglaubwürdig, eine Geschichte, die mir so gar nichts sagt. Ein Roman, der rasant beginnt und dann völlig abflacht. Evie ist hauptsächlich als Icherzählerin installiert, aber auch Jae kommt hin und wieder kurz zu Wort. Evie glaubt zunächst, sie hätte Serena getötet, erfährt durch die Medien, dass sie noch lebt. Die beiden Frauen fliehen zunächst ziellos gen Süden, brechen in unbewohnte Ferienhäuser ein oder schlafen in einfachen Motels – werden zwischendurch immer wieder erkannt. Nun wollen sie nach Kanada, über die Grenze. Warum wird nicht klar. In Rückblicken erfahren wir etwas über Evies Vergangenheit, später auch die Geschichte von Jae. Warum flieht die intelligente Evie, wundert sich nicht, dass Jae mit ihr flieht? Das alles gibt keinen Sinn. Männer, denen sie unterwegs begegnen, sind ausschließlich brutale Typen, die das Duett mir nichts, dir nichts körperlich außer Gefecht setzt; tötet. Und zu allem Übel lässt die Autorin auch noch eine Liebesgeschichte zwischen den Frauen aufflammen. Die Geschichte klingt sehr konstruiert und nicht immer ist sie durchdacht, vom Großen bis ins Detail. Eine der beiden Frauen wird durch die Windschutzscheibe geschleudert – nicht viel passiert … Evie wird als hochintelligenter Charakter aufgebaut, handelt aber ständig ziemlich dämlich und zeigt sich naiv, fällt auf die manipulative Jae herein. Und auch diese Figur ist nicht stimmig. Ein Thriller, der mich nicht überzeugen konnte.


Hannah Deitch arbeitete lange selbst als Nachhilfelehrerin, um finanziell über die Runden zu kommen. Inzwischen ist sie Journalistin und Lektorin und lebt in Los Angeles. Killer Potential ist ihr Romandebüt.




Hannah Deitch
Killer Potential
Original: Killer Potential, 2025
Aus dem amerikanischen Englischen von Conny Lösch
Thriller, Kriminalliteratur, Kriminalroman, Amerikanische Literatur
Taschenbuch, 398 Seiten
List Verlag, 2025








Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
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