Virtuoso
von Jelena Moskovich
Jelena Moskovich hat einen schrägen Roman geschrieben, der mich immer wieder zum Abbruch bewegte, andererseits faszinierte, so dass ich weiterlas. Abwechselnd hin und hergerissen. Eine teils surreale Story, mit feinem lyrischen Stil. Ich habe nicht durchgehalten, in der Mitte dann doch abgebrochen. Eine tote Frau in einem Hotelzimmer, die Schauspielerin Céline. Die mit ihr verheiratete Arzthelferin Aimée kommt ins Zimmer, nähert sich dem leblosen Körper, versucht, Céline wiederzubeleben, betrachtet ihn von allen Seiten.
Paranoia war unsere Spezialität. Ich erinnere mich, wie mein Onkel kurz für diesem letzten Herbst 1989 zu meinem Vater sagte, er solle sich auf kein Klo setzen, ohne vorher in die Schüssel zu schauen.
Es geht zurück zum Beginn der Beziehung der beiden Frauen, aber auch ins Prag von 1980, zu zwei Kindern, Jana und Zorka. Die Angst im kommunistischen Regime rückt in den Vordergrund und Kindesmissbrauch. Als das kommunistische Regime zerbricht, wird Jana Übersetzerin, zieht nach Paris und Zorka geht in die USA. Nebenbei gibt es einen Lesben-Chatroom irgendwo im Netz, in dem sich eine amerikanische Jugendliche mit einer osteuropäischen Hausfrau trifft. Immer wieder das Thema Gewalt in der Familie, sexueller Missbrauch an Kindern, und es gibt eine Menge ekliger Szenen, bei der diverse Körperflüssigkeiten im Mittelpunkt stehen, angefangen mit Popeln und im Becher gesammeltem Nasenschleim usw. Es gibt groteske Szenen, nicht alles muss man verstehen, kann man verstehen. Es wird zwischen den Handlungen gesprungen, zusätzlich in Zeitebenen, Perspektiven, Sprachstilen, gewürzt das alles mit surrealen Einschüben. Es gibt wunderschöne Absätze, Sätze, die mich zunächst weiterlesen ließen. «Ihre Augen waren nirgendwo. Sie waren wie Diamanten, die aus Dreck geschliffen wurden.» Trotz all der guten Parts waren es mir zu viel «mit Momenten melodiöser Quetschungen.» Dieser Roman und ich passten nicht zusammen, mir fehlte die Geduld für diesen Text. In der Mitte habe ich aufgegeben.
Céline, ihre grünen, giftigen Augen glühten im Scheinwerferlicht, Rauch kroch aus ihrem roten Mund.
Verlangen wir nicht alle nach dem Tod, noch bevor wir wissen, wie man erbittet, was man wirklich will? Normalerweise ist es Nacht – aus ihrem Stil erblüht eine Rose mit duftendem Schrei.
In meiner Kindheit gab es zwei Vorschriften. Lass dich nicht klauen und lass dich nicht sexuell missbrauchen.
Klappenbroschur, 272 Seiten
Wagenbach Verlag, 2022
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