Direkt zum Hauptbereich

The Boy Who Steals Houses: The Girl Who Steals His Heart von C. G. Drews - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



The Boy Who Steals Houses: The Girl Who Steals His Heart 


von C. G. Drews


Der Anfang: 

Wenn es nicht so dunkel gewesen wäre und wenn seine Finger von getrocknetem Blut nicht so steif gewesen wären, dann hätte er das Schloss in achtunddreißig Sekunden knacken können. 

Sammy Lou ist stolz auf diesen Rekord. Es gibt nicht viel, worauf er überhaupt stolz sein kann, wenn man bedenkt, wie sein Leben aussieht: Schlösser knacken, zusammengeklautes Kleingeld in den Taschen, zerrissene Schnürsenkel und im Bauch ein Schmerz, der Hunger oder Einsamkeit sein könnte.


Sammy Lou ist erst fünfzehn, aber er muss selbst sehen, woher er etwas zu essen bekommt, wo er die Nacht verbringen und wie er seinen älteren autistischen Bruder Avery beschützen kann. Die beiden leben auf der Straße in einer Stadt am Meer. Dort gibt es viele leerstehende Häuser. Er steigt ein, um zu übernachten. Manchmal findet er Kleingeld oder etwas, was man zu Geld machen kann. Avery hat sogar einen Job in einer Autowerkstatt gefunden – allerdings wird er dort eher ausgenommen, meint Sam.


Diese Familie lässt ihn nicht los


Schneller. Schneller. Verschwinde von hier und dreh dich bloß nicht um.


Eines Tages bricht Sam in ein Haus ein, liest auf der Pinnwand: Wir sind am Wochenende zurück. Prima, denkt er, hier kann er gemütlich ausschlafen für die nächsten Tage. Fest eingeschlafen hört es unten rumpeln. Zu spät! Ein Vater, sieben Kindern, begleitet von einigen Besuchern sind bereits im Haus und er schafft es nicht mehr ungesehen hinaus. Zu Sams Überraschung wird aber nicht die Polizei gerufen, sondern die De Laineys laden ihn zum Essen ein. Jeder hält ihn für einen Freund eines anderen Geschwisters. Und da ist die gleichaltrige Moxie, die Sam fasziniert. Immer wieder kehrt er zurück zu dieser Familie, übernachtet heimlich im Arbeitszimmer – bis Moxie ihn erwischt … 


Sams größter Traum ist ein eigenes Haus


Sam geht es nicht darum, Sachen aus Häusern zu stehlen. Es geht ihm darum, die Häuser zu stehlen. Und die Schlüssel hortet er, weil jeder einzelne ihn daran erinnert, wonach er sich am meisten sehnt, und er braucht diese Sehnsucht wie die Luft zum Atmen.


Mr. De Lainey hat es nicht einfach, sich als Witwer mit Grady, Jeremy, Jack, Moxie, Dash, Toby und dem Baby durchzuschlagen. Jeder in der chaotischen Familie hat seine Aufgabe, die man mehr oder weniger erledigen muss. Aber jeder wird mit Liebe überschüttet und Freunde sind stets willkommen. Von so einer Familie kann Sam nur träumen, der mit Avery auf der Flucht ist. Die Mutter war irgendwann abgehauen, der Vater, ein Taugenichts, hatte sie bei der Tante abgeladen, die sie nicht haben wollte. Avery ist Autist und braucht seine Regeln, die andere Menschen nicht verstehen. In der Schule wird er gemobbt und der jüngere Sam verteidigt ihn. Diese Kombination kann nicht gut gehen; und so entscheidet Sam – wir hauen ab. Sams größter Traum ist ein eigenes Haus. Aber das können sie sich nicht leisten – so träumt er seinen Traum in fremden Häusern. 


F

A

L

L

I

N

G


Ein Jugendbuch, das sofort hineinzieht, nicht mehr loslässt und nachhallt

Ein tief emotionaler und spannender Roman über zwei Brüder, die sich nach einem Zuhause sehnen, getrieben von Sehnsucht, irgendwo dazuzugehören. Sam hat seine Schlüssel, Avery sein kleines Auto. Da ist noch die Wut im Bauch, die Sam unter Kontrolle halten muss. Bei den De Laineys fühlt er sich wohl, er verliebt sich in Moxie – aber er gehört eben nicht dazu und er muss sein Geheimnis verbergen. Moxie ist kritisch, traut ihm nicht so recht über den Weg. Und dann ist da noch Avery, der sich neue Freunde sucht, die ihn ausnutzen und auch Sam dabeihaben wollen. Doch der kapiert, worum es geht. Er muss sich entscheiden. Obdachlosigkeit, Gewalt, Behindertenfeindlichkeit, Kindesmissbrauch, Kriminalität, eine toxische Beziehung zwischen zwei Brüdern, eine kleine Liebesgeschichte ohne Kitsch und warmherzige Freundschaft; hier finden wir eine Menge Themen, die gewaltig ans Herz gehen. Gleichzeitig ist das Buch eine Gesellschaftskritik am australischen System. Ein Jugendbuch, das sofort hineinzieht, nicht mehr loslässt und nachhallt. Ein tieftrauriges Buch, das aber Sonnenscheinmomente hat und ein wenig Hoffnung mit sich bringt; ein echtes Highlight! Der Sauerländer Verlag gibt eine Altersempfehlung: ab 13 Jahren. Passt. 


C.G. Drews, 27, lebt mit ihrem Hund, einem Klavier und dem Ziel, jedes existierende Buch zu lesen, in Australien. Da ihr Kopf vor Wörtern überquillt, verbringt sie ihre Tage damit, Roman um Roman zu schreiben. Außerdem bloggt sie auf paperfury.com, schläft nie und schwört auf Kuchen zum Frühstück.



C.G. Drews
The Boy Who Steals Houses: The Girl Who Steals His Heart
Originaltitel:‎ The Boy Who Steals Houses
Übersetzt aus dem australischen Englisch von Britta Keil
Jugendbuch, Jugendroman, Obdachlosigkeit, Behindertenfeindlichkeit, Kindesmissbrauch, Kriminalität, Australische Literatur
Hardcover, 368 Seiten
Sauerländer Verlag, 2022
Altersempfehlung: ab 13 Jahren



Kinder- und Jugendbücher - 10 bis13 Jahre













Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor. ...

Rezension - Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Theos bester Freund ist der Drache Kokolo, aber das darf keiner wissen. Denn Drachen gibt es ja gar nicht. Mitten in der Nacht klopft Kokolo an Theos Fensterscheibe: Sie müssen schnell etwas unternehmen denn der fiese Adler Malo hat eins der Babys von Tante Xenna Drachen entführt!  Werden sie noch rechtzeitig kommen? Lesenlernen mit einem Comic, kurze Texte, für Leseanfänger konzipiert. Eine spannende Graphic Novel ab 6 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Entführung im Drachenwald von Barbara van den Speulhof und Kurzi Shortriver

Rezension - Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Kinder lieben Pupsbücher! Wie ist das eigentlich mit den Tieren? Wie pupsen die? Auf einer urkomischen Reise durch das Reich der Flatulenz beobachten Elefant und Maus die unterschiedlichsten Fürze. Und so lernt die Maus, dass Pupsen die normalste Sache der Welt ist! Witzig gestaltet, den Text in Reimform gebracht, macht dieses Bilderbuch Spaß! Lustiges Bilderbuch ab 3 Jahren, Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Nur noch kurz ein kleiner Furz! von Jonny Leighton und Mike Byrne

Abbruch - Alles Gute von Eva Rossmann

  Alles Gute von Eva Rossmann Abbruch! Wir beide kamen nicht zusammen. Der Anfang konnte mich nicht begeistern, ich fühlte mich eher wie in einem Kochbuch, nicht wie in einem Krimi. Peter Gruber hat Eine App gegen die Spaltung der Gesellschaft geschrieben, «LISA wünscht ALLES GUTE», die Millionen User hat und damit ist er reich geworden, aber er hat den größten Teil in eine Stiftung gesteckt und etwas für seine Nichte bereitgelegt. Weil er sich bedroht fühlt, verabredet er sich mit der Journalistin Mira Valensky. Gruber erscheint nicht, ist plötzlich spurlos verschwunden. Freiwillig untergetaucht – wenn ja warum? Oder was immer auch passiert ist … Ich habe versucht, zu verstehen, was das für eine App ist. Man kann damit Menschen per Strichmännchen «Alles Gute» wünschen? Und damit soll Gruber Millionen verdienen, weil die User dafür bezahlen? Peter Gruber, ein ehemaliger Lehrer, der vor heutigen politischen Tendenzen warnt, die an die 1930er Jahre erinnern, plädiert für mehr Freundl...

Rezension - #Erstkontakt von Bruno Duhamel

  Doug, ein ehemaliger Fotograf lebt von der Öffentlichkeit zurückgezogen in den schottischen Highlands. Niemand liked seine Fotos, er ist frustriert, darum hat er seit 17 Monaten nichts veröffentlicht. Doch dann fotografiert er durch Zufall am See vor seiner Haustür ein seltsames Wesen – und teilt den Schnappschuss im sozialen Netzwerk «Twister». Danach geht er duschen, kommt zurück, kann es nicht fassen: «150.237 Personen haben auf ihren Post reagiert; 348.069 mal geteilt». Sofort bereut er seinen Post. Er ahnt, was nun geschehen wird, er hat Büchse die Pandora geöffnet … Ein herrlicher Comic, Graphic Novel, fast ein Cartoon, nimmt mit schwarzem Humor Social Media und Aktivist:innen diverser Gruppen auf die Schippe. Weiter zur Rezension:    #Erstkontakt von Bruno Duhamel

Rezension - Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

  Haya Molcho begibt sich mit ihren Söhnen auf eine italienische Reise von Triest bis nach Sizilien, wobei sie lokale Produzent:innen und Köch:innen besuchen, die über die unterschiedlichsten Facetten der italienischen Kochkunst erzählen und uns ihre liebsten Rezepte verraten. Im zweiten Teil der kulinarischen Reise gibt es italenische Rezepte der Familie, typisch Neni. Levantinische Küche trifft auf italienische Originalrezepte; dabei auch traditionelle italienische Gerichte im Original. Reiseliteratur, Kulinarisches mit vielen Rezepten, Italienische Küche, Levante-Küche – Empfehlung. Weiter zur Rezension:   Italien: Food. People. Stories von Haya Molcho & Söhne

Rezension - Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

  Wer hat die Superschaf-Unterhose geklaut? Finn ist sauer! Jemand hat seine stinkbesonderen Unterhosen von der Leine gestohlen. Sein Freund Mäc Mief muss den Dieb aufspüren, denkt sich Finn. Das schottische Schaf Mäc Mief liebt nichts mehr, als auf seiner Weide zu stehen und in Ruhe saftiges Gras zu fressen. Aber für seinen Lieblingsmenschen Finn geht die Spürnase auf die Suche. Gemeinsam mit seiner Freundin, Hütehund Bonnie, versuchen sie a la Sherlock Holms und Watson der Unterhosenbande auf die Spur zu kommen.  Weiter zur Rezension:    Mäc Mief und die stinkbesonderen Unterhosen von Carola Becker, Ina Krabbe

Rezension - Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter

  Eine türkische Familiengeschichte, die mit der Urgroßmutter und der Großmutter einleitend beginnt. Die nächste Generation wandert nach Deutschland aus – das gelobte Land, wo Milch und Honig fließt. Der Traum, den viele «Gastarbeiter» träumten: Arbeiten, viel Geld verdienen, nach Hause zurückkehren und ein Haus bauen. Und dann wurden aus den Gästen Einwohner. In Deutschland die Türken – in der Türkei die Deutschen – entwurzelt, nirgendwo wirklich zu Hause. Eine Familie, die sich bemüht hat, sich zu integrieren. Ein Zwiegespräch zwischen Sohn und Mutter – zwei völlig verschiedene Generationen, aber auch eine Abrechnung mit der deutschen Gesellschaft und eine mit dem Heimatland und dem Machismo, mit der Erniedrigung der Frauen. Ein hervorragender Gesellschaftsroman, ein Bildungsroman über Migration, Rassismus und Misogynie – meine Empfehlung! Weiter zur Rezension:     Unser Deutschlandmärchen von Dincer Gücyeter

Rezension - Demon Copperhead von Barbara Kingsolver

  Gesprochen von Fabian Busch Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 20 Std. und 39 Min. Ein Trailer in den Wäldern Virginias. Das Land der Tabakfarmer und Schwarzbrenner, der «Hillbilly-Cadillac»-Stoßstangenaufkleber an rostigen Pickups, aufgegeben von sämtlichen Superhelden und dem Rest der Nation. Hier kommt Demon Copperhead zur Welt. Seine Teenie-Mutter ist frisch auf Entzug, der Vater tot. Ein starker Charakter mit großer Klappe und einem zähen Überlebenswillen schlägt sich durch: Er lebt in Armut mit einer Junkie-Mutter, ein gewalttätiger Stiefvater kommt dazu, es folgen Pflegefamilien mit Gewalt, Missbrauch, Kinderarbeit. Aufwärts geht es mit Comiczeichnen, Football; weiter geht es mit Drogensucht durch Oxi und Meth, erste Liebe und unermesslicher Verlust. Ein Bildungsroman, der berührt, kraftvoll erzählt. Empfehlung. Weiter zur Rezension:  Demon Copperhead von Barbara Kingsolver