Rezension
von Sabine Ibing
Die weiße Stunde
von Alex Beer
Dem Volk geht es schlecht. Die Menschen wollen Veränderung. Egal, wie und durch wen.
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Wien 1923. Die Stadt gleicht einem Pulverfass, die politischen Lager haben sich radikalisiert, die Hakenkreuzler sind auf dem Vormarsch. Mitten in dieser angespannten Situation geschieht ein aufsehenerregender Mord: Marita Hochmeister, eine stadtbekannte Gesellschaftsdame, wird brutal erschlagen in ihrem Schlafzimmer aufgefunden. Sie soll reiche Liebhaber der besseren Gesellschaft gehabt haben, die sie später erpresste. Eine delikate Angelegenheit in diesem Umfeld zu ermitteln …
Ist der Serienmörder von damals wieder auf dem Plan?
Am nächsten Tag später erscheint in der Abteilung der Leib und Leben bei Kriminalinspektor August Emmerich der pensionierter Kollege Wertheim, den der Mord in seiner Ausführung an eine seiner ungelösten Mordserien erinnert. Zehn Jahren zuvor wurden drei Frauen auf ähnlich grausame Weise getötet wie das Opfer. Für Wertheim stand damals fest, dass der Mörder Arnold Kundgraber sei, der seither verschwunden ist. Man konnte ihm damals nichts nachweisen. Auch die damaligen Opfer kamen aus besseren Kreisen. Und kurz danach ereignet sich ein weiterer Mord, der ins Bild passt.
Ein solider Whodunnit
Zyankali, Leuchtgas, Brennspiritus, Rattengift, Fenstersturz. Noch immer versuchen viele Leute, sich auf eine Art und Weise umzubringen, die nicht nach Suizid aussieht. Sie wissen schon … die Schande … die Unmöglichkeit einer kirchlichen Bestattung.
Emmerich und sein Kollege Winter stehen unter dem Druck der Öffentlichkeit. Atmosphärisch beschreibt Alex Beer die Zwischenkriegsjahre, die unter den Nachkriegswehen stehen. Die Inflation frist die Ersparnisse auf, Arbeitslosigkeit macht sich breit, Kriegsinvaliden tummeln sich bettelnd auf den Straßen, die Kaffeehäuser sind überfüllt. Die Selbstmordquote ist so hoch wie nie und der Friedhof der Namenlosen nimmt täglich neue Gäste auf. Emmerich selbst Kriegsversehrter, hat eine Gehbehinderung; er ist geradezu, manchmal ein wenig ruppig und er flucht wie ein Bierkutscher – Winter dagegen ist der empatische, sympathische Typ, was bei Vernehmungen zum Vorteil sein kann. Auch privat wird das Leben der beiden immer wieder beleuchtet. Stück für Stück decken die Ermittler auf, landen in einer Sackgasse, bis sie einen neuen Faden aufnehmen. Wendungsreich und atmosphärisch ist dies wieder ein solider Whodunnit, ein Polizeikrimi aus dieser Serie. Ein spannender historischer Krimi, eine Kriminalroman, den ich gern empfehle.
Alex Beer, geboren in Bregenz, hat Archäologie studiert und lebt in Wien. Ihre spannende Krimi-Reihe um den Ermittler August Emmerich erhielt zahlreiche Shortlist-Nominierungen (u.a. für den Friedrich Glauser Preis, Viktor Crime Award, Crime Cologne Award) und wurde mit dem Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2017 und 2019 sowie dem Krimi-Publikumspreis des Deutschen Buchhandels MIMI 2020 prämiert. Auch der Österreichische Krimipreis wurde der Autorin 2019 verliehen. Neben dem Wiener Kriminalinspektor hat Alex Beer mit Felix Blom eine weitere faszinierende Figur erschaffen, die im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhundert ermittelt und für den sie mit dem silbernen Homer 2023 und dem Berliner Krimifuchs 2024 ausgezeichnet wurde.
Die weiße Stunde
Krimi, Kriminalroman, Kriminalliteratur, Whodunnit, Polizeikrimi, Historischer Krimi, Wien, Österreichische Literatur
Hardcover, 368 Seiten
Limes Verlag, 2024

Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller


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