Rezension
von Sabine Ibing
Schreiben am Meer. Wo der Himmel größer ist
von Kristine von Soden
Das Meer inspirierte schon immer Menschen der schreibenden Zunft. Und meine Erwartung war, Texte von bekannten Schriftstellern zu finden, die über das Meer schreiben, Texte am Meer schreiben. Was habe ich zu lesen bekommen: Eine Ansammlung von Schriftstellern, die irgendwann einmal ans Meer fuhren und dort natürlich auch schreieben. Ich erfahre warum und wie lange sie sich an diesen Orten befanden, wen sie getroffen haben usw. Mir ist unklar, welchem Zweck das dient. Es ist, zumindest für mich, nicht erhellend gewesen. Selten war ich von dem Inhalt eines Buchs so enttäuscht, wie von diesem.
Ich hatte mich auf Meerestexte gefreut
Wir erfahren, ab 1915 reiste Else Lasker-Schüler immer wieder an die «Pommersche Riviera». Ja, und wirklich ganz selten streut auch mal ein Satz dazu ein: «Weit breite ich die Flügel aus und weiß nichts mehr als: Schweben – Vogelsein!» Heinrich Heine auf Norderney, Max Frisch, 1949 Sommergast in Peter Suhrkamps Autorenhaus auf Sylt, Brecht in Dänemark usw. Der Klappentext bringt die besten Zitate aus dem Buch. Es gibt nämlich nicht viele. Sechs Seiten über Brecht, welche Werke er in der auf der Flucht vor der SS in Dänemark schrieb, einige Zitate, die nicht mit dem Meer in Verbindung stehen. Er beschreibt seinen Garten, Zitate zum Thema Migration. «Wozu in einer fremden Grammatik blättern? / Die Nachricht, die dich heimruft / ist in bekannter Sprache geschrieben.» Was hat das alles mit «Schreiben am Meer» zu tun? Bei manchen Schriftstellern gibt es wirklich Zitate zum Meer – hier mal ein Satz eingeschoben, und dort einer. Z.B. bei Kathrine Mansfield, am Ende der zweiten Seite fällt das erste Meereszitat und es kommen noch ein paar schöne Sätze zum Thema Meer hinzu. Das ist aber die Ausnahme. Ich hatte mich auf Meerestexte gefreut. Vielleicht bin ich auch ein wenig stinkig, weil die Erwartung weder eintraf, noch mich der Text auf andere Weise unterhalten hat. Davon zu lesen, wer vor langer Zeit irgendwann mal, warum, ans Meer gefahren ist, war mir nicht genug.
Kristine von Soden, promovierte Geisteswissenschaftlerin (Soziologie, Psychologie), ist gebürtige Ham- burgerin und wohnt in ihrer Wahlheimat Schwerin. Als Featureautorin des NDR und DLF sowie als Dozentin an der Hamburger Universität beschäftigte sie sich viele Jahre mit den Biographien jüdischer Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler in der Weimarer Republik. Im Transit Buchverlag veröffentlichte sie »Ahrenshoop. Balancieren auf der Meerschaumlinie« (2015, 3. Aufl. 2021) und »Ahrenshoop – Höchstpersönlich«, 2020. Im Kunstmuseum Ahrenshoop war sie 2018/19 Kuratorin der Ausstellung »Schiffswege von Künstlern und Literaten ins Exil 1933-1941«. Von Frühling bis Herbst ist sie in Ahrenshoop mit literarischen Rundgängen unterwegs und betreibt dort sowie auf Rügen auch ihre Schreibwerkstatt).
Schreiben am Meer. Wo der Himmel größer ist
Hardcover, 160 Seiten
Sachbuch
Transit Verlag, 2024
Zeitgenössische Literatur
Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …Zeitgenössische Roman
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