Rezension
von Sabine Ibing
Labyrinth der Freiheit
von Andreas Izquierdo
Der erste Satz:
Noch Sekunden vor dem Anruf ist es, als hätte die Welt aufgehört zu sein.
Berlin 1922: Die Weimarer Republik steuert auf die Inflation zu, die Nachwehen der Revolution haben sich noch nicht ganz gelegt – und die Feinde der Demokratie stehen längst in den Startlöchern. Artur, Isi und Carl entgehen nur knapp einem Mordanschlag. Ihre ewigen Feinde wollen sie tot sehen. Ein Anschlag auf die schwangere Isi misslingt; aber sie verliert ihr Kind. Arthur sucht nach den Feinden, die sich versteckt haben, um die Halunken zuerst niederzustrecken. Carl arbeitet als Kameramann unter dem despotischen Regisseur Fritz Lang, der Dr. Mabuse abdreht, und er trifft drei deutsche Ingenieure, die der UFA eine bahnbrechende Idee präsentieren: den Tonfilm. Der Stummfilm hat sich etabliert und der Tonfilm stellt alle Beteiligten vor völlig neue Herausforderungen. Seine Sorge gilt Isi, die seit dem Anschlag mit jedem Streit sucht, der sich ihrem Dickkopf in den Weg stellt. Die Ereignisse überschlagen sich: Isi wird verhaftet und wegen Mordes angeklagt.
Teil eins hatte mich überzeugt, Teil zwei war bereits schwächer und Teil drei konnte mich nicht überzeugen. An manchen Stellen zieht sich die Geschichte wie Kaugummi und immer mehr Figuren treten auf, die die Geschichte aufblähen. Leider fällt die Zeitgeschichte dabei immer mehr in den Hintergrund, und das ist schade. Die Figuren entwickeln sich nicht weiter. Arthur bleibt der halbseidene Gangster, der unerbittlich zuschlägt, Isi die freche Göre, die mit dem Kopf durch die Wand geht und Carl der ausgleichende Fotograf und Kameramann, ein netter Kerl, dem die Freunde wichtig sind, die ihm aber oft zu weit gehen.
War es zuvor vollkommen egal gewesen, ob während einer Aufnahme gesprochen wurde, ob Straßenlärm eindrang oder Regen auf die Glashausdächer trommelte, so ruinierte jetzt das geringste Geräusch, der kleinste Versprecher die Aufnahme. Vorher war nur das Licht entscheidend.
Es gibt ein wenig Berliner Flair und nur ansatzweise Infos zum Zeitgeschehen. Hier hatte ich mehr erwartet zu den Zwischenkriegsjahren – gerade in Berlin hätte es genügend Stoff gegeben. Die Figuren lassen sich in ihrem ewigen Trott und Kleinkrieg mit den adligen Familien und ihren Feinden leiten, was mich im dritten Band eher langweilte, weil es immer wie eine Wiederholungsschleife wirkt. Interessant ist lediglich Carl, der die Anfänge und Weiterentwicklung der Filmindustrie erlebt. Dieser Teil ist gut gelungen! Passen die Schauspieler noch? Denn die müssen plötzlich Texte lernen, ordentlich sprechen können. Am Set muss es plötzlich geräuschlos vor sich gehen – wie soll das funktionieren? Isi und Arthur entwickeln sich zu nervigen uninteressanten Figuren, die mir nichts mehr zu sagen hatten. Letztendlich fragte ich mich am Schluss, was das Ziel des Autors für diesen Band war. Schade. Bisher habe ich Andreas Izquierdo gern gelesen, aber diese Trilogie rutschte für mich im letzten Band in die Bedeutungslosigkeit. Es gibt ein paar spannende Szenen, die es herausreißen, aber insgesamt konnte mich der Band nicht überzeugen.
Andreas Izquierdo ist Schriftsteller und Drehbuchautor. Er veröffentlichte zahlreiche Romane, unter anderem ›Das Glücksbüro‹ (2013), den SPIEGEL-Bestseller ›Der Club der Traumtänzer‹ (2014) und ›Fräulein Hedy träumt vom Fliegen‹ (2018). Zuletzt erschienen ›Schatten der Welt‹ (2020), ausgezeichnet mit dem bronzenen Homer, und ›Revolution der Träume‹ (2021). ›Labyrinth der Freiheit‹ setzt die darin begonnene Geschichte der drei Freunde Carl, Artur und Isi fort. Im September erscheint im HC-Programm sein neuer Roman ›Kein guter Mann‹. Andreas Izquierdo lebt in Köln.
Labyrinth der Freiheit
Andreas Izquierdo
Band 3: Wege der Zeit-Reihe
Zeitgenössischer Roman, historischer Roman, UFA, Stummfilm
DuMont Verlag
Taschenbuch, 500 Seiten
Thorn in Westpreußen, 1910, alles beginnt wie eine Lausbubengeschichte: Drei Jugendliche, die hoffen, dass der Ernst des Lebens noch auf sich warten lässt. Eine kleine Gaunerei lässt sie mit den Ängsten der Menschen spielen und mit dem Kometen «Halley» eine stattliche Summe verdienen. Carl, intelligent, klein und zart, zaudernd, immer die Ordnung betrachtend und sein Freund Artur, ein großer, muskulöser Klotz, draufgängerisch, der nicht über die Konsequenzen nachdenkt, wenn er etwas anpackt, treffen auf die unverschämte Isi, die mit allen Wassern gewaschen ist. Eine intensive Freundschaft entsteht. Und mit dem Geld aus dem Geschäft ihres Lebens bauen sie sich eine Zukunft auf, die durch den Ersten Weltkrieg zerstört wird.
Weiter zur Rezension: Schatten der Welt von Andreas Izquierdo
Revolution der Träume von Andreas Izquierdo
Dieser historische Roman ist die Fortsetzung der Trilogie «Schatten der Welt». In diesem zweiten Band treffen Carl, Artur und Isi in Berlin zusammen, im November 1918, zur Absetzung des deutschen Kaisers und der Ausrufung der Republik. Isi ist engagiert bei den Revolutionären der Linken und Carl ist wie immer politisch weniger interessiert, denn sein Interesse gilt der Fotografie und dem neuen Medium des Filmens. Und Artur ist wie immer in der Unterwelt zu Hause, als Schieber und Dieb, baut sich eine Zukunft im Vergnügungsbereich aus. Ich fand, es war eine gute Mischung aus Erzählung und Historie zur Entstehung der Weimarer Republik.
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Historische Romane und Sachbücher
Im Prinzip bin ich an aller historischer Literatur interessiert. Manche Leute behaupten ja, historisch seien Bücher erst ab Mittelalter. Historisch - das Wort besagt es ja: alles ab gestern - aber nur was von historischem Wert ist. Was findet ihr bei mir nicht? Schmonzetten in mittelalterlichen Gewändern. Das mag ganz nett sein, hat für mich jedoch keine historische Relevanz. Hier gibt es Romane und Sachbücher mit echtem historischen Hintergrund.
Historische Romane
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