Rezension
von Sabine Ibing
Ins ewige Eis!
von Agata Loth-Ignaciuk und Bartlomiej Ignaciuk
Nordpol und Südpol in einem Jahr
Über eine schier unglaubliche Leistung berichtet dieses fesselnd geschriebene und ausdrucksstark illustrierte erzählende Sachbuch: Der polnische Abenteurer Marek Kaminski erreichte in einem Jahr sowohl den Nordpol als auch den Südpol. Auf der ersten Tour begleitete ihn sein Freund Wojtek Moskal.
Die polnische Expedition zum Nordpol 1995 kostete so viel wie damals eine große Eigentumswohnung oder ein Haus in Warschau. Weder Marek noch Wojtek hatten Ersparnisse in dieser Höhe. Und sie brauchten zusätzlich Geld für Spezialausrüstung, Kleidung und Lebensmittel.
Man kann sich nicht einfach ins Flugzeug setzen und an einen Pol fliegen, schon gar nicht eine Reise ins Eis buchen. Marek Kaminski plante mit seinem Freund eine Expedition durch das Eis zu den Polen. Planen! Das ist das Zauberwort. Es gibt eine Menge Dinge, die man vorher bedenken muss und natürlich benötigt man die richtige Ausrüstung. Eine Menge Utensilien! – doch die müssen wiederum leicht sein, weil man sie selbst tragen, bzw. ziehen muss; manchmal Berge überqueren. Das alles kostet viel Geld und deswegen benötigt man Sponsoren. Training! Marek bereitet sich zu Hause vor, schleift Autoreifen hinter sich her, wenn er laufen geht (die Nachbarn schauen verdutzt). Denn später muss er sein Gepäck durch das Eis ziehen. Er probiert in seinem Garten aus, ob er in Polarkleidung sein Zelt aufbauen kann. Und einiges mehr ...
(Pemmikan) eine Mischung aus Fett, getrocknetem Fleisch, Gemüse und Gewürzen. Lässt sich zu Mahlzeiten hinzufügen oder separat verzehren.
Auf geht es! Ein fast 1000 Kilometer langer Marsch ins ewige Eis. Bei bis zu minus 50 Grad. Alles Gepäck – vom Zelt bis zur Zahnbürste – auf einem 120 Kilo schweren Schlitten. Dieses Buch ist insofern faszinierend, da es nicht nur die Tour selbst beschreibt, sondern auch Werkzeuge und Techniken, Landkarten und detailgetreue Abbildungen einzelner Ausrüstungsgegenstände, das ARGOS-Funksysteme mit seiner Funksprache, die Polarküche. Wie überquert man breite Eisspalten? Wie sieht der Tagesplan einer Expedition aus? Wir lernen, warum das Eis auf dem Ozean nicht flach ist. Wie repariert man Dinge und wie behandelt man Wunden? Tiere, die einem begegnen – oder lieber auch nicht. Wojtek muss sich einen kaputten Zahn selbst zu ziehen, bevor er sich eine Sepsis einhandelt. Auch dazu dient das Multifunktionswerkzeug. Zu essen gibt es Pemmikan, eine nahrhafte und haltbare Mischung aus zerstoßenem Dörrfleisch und Fett, die die Indianer Nordamerikas als Reiseproviant mit sich führten. Trotz aller Strapazen geht es immer weiter bis zum Ziel: dem Pol.
Also sperrte Wojtek den Mund weit auf und zog den Zahn mithilfe einer Multitool-Zange, einem Mehrzweckwerkzeug, einfach heraus. Der Weg zum Pol war wichtiger als ein schönes Lächeln.
Marek Kaminski erreichte im selben Jahr den Nordpol zusammen mit seinem Freund, später alleine auch den Südpol, vollkommen auf sich selbst gestellt. Das ist bis heute einzigartig! Die ausdrucksstarken Illustrationen von Bartomiej Ignaciuk, die das abenteuerliche Unternehmen illustrieren, sind in eisigem Weiß, Hellblau und Dunkelblau gehalten, lassen uns beim Lesen frösteln. Die Illustrationen wirken wie Kratztechniken, ähnlich dem Linol- oder Holzdruck und geben der eisigen Umgebung ihre eigene Spröde. Spannend lässt sich die Expedition verfolgen, unterfüttert mit jeder Menge Sachinformation über Arktis und Antarktis. Unterhaltsam und lehrreich, ein wirklich gutes erzählendes Sachbuch als Graphic Novel gestaltet, das zeigt, zu welchen Anstrengungen der Mensch in der Lage ist – und wie gefährlich eine Polarexpedition ist. Der Gerstenberg Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 10 Jahren – passt, letztendlich ist das Kinderbuch aber Allage mit der Informationsfülle. Neue Welten entdecken – welche, die wir wohl selbst nie bereisen werden.
Agata Loth-Ignaciuk, geb. 1973, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Warschau. Ihr Themenschwerpunkt ist die Ökologie, die sie Kindern in ihren Büchern auf unterhaltsame Weise näherbringen möchte.
Bartomiej Ignaciuk, geb. 1972, studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Danzig Malerei und Grafikdesign. Neben seiner Tätigkeit als Illustrator führte er bei über hundert Werbespots, Fernsehserien und einem Spielfilm Regie.
Agata Loth-Ignaciuk, Bartlomiej Ignaciuk
Ins ewige Eis!
Nordpol und Südpol in einem Jahr
Aus dem Polnischen übersetzt von Dorothea Traupe
Graphic Novel, Kinderbuch, Abenteuergeschichte, erzählendes Sachbuch, Sachkinderbuch, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover, 96 Seiten, 275 mm x 215 mm
Gerstenberg Verlag, 2022
Altersempfehlung: ab 10 Jahren
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Balto & Togo von Lena Zeise
Ein Kindersachbuch, eine Abenteuergeschichte, die mich in der Illustration begeistert hat. Eine wahre Geschichte: Alaska, 1925, im tiefsten Winter bei starken Schneestürmen bricht in dem kleinen Ort Nome die schwer ansteckende Krankheit Diphtherie aus, eine Epidemie könnte ausbrechen. Nur Hundeschlitten war es noch möglich, bei diesem Unwetter das Serum zu besorgen, aber auch das schien ein riskantes Unterfangen zu werden. Über 650 Meilen kämpften sich die Schlittenführer und ihre Hunde in einer Schlittenhundestaffel durch dichten Schnee und eiskalte Stürme. Ein Wettlauf gegen die Zeit begann … Spannend mit eindrucksvollen Illustrationen, ab 8 Jahren.
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Kinder- und JugendliteraturKinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
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