Direkt zum Hauptbereich

Hexenkram – Grüna von Magali Le Huche und Marie Desplechin - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Hexenkram – Grüna 


von Magali Le Huche und Marie Desplechin


Mit ihren elf Jahren zeigt die kleine Grüna immer noch kein Talent für Hexerei. Ihre Mama möchte aus ihr aber eine großartige Hexe machen, fragt die Oma um Rat: Dieses Kind ist verliebt, interessiert sich nur für Jungen, nicht für Hexerei, schlimmer noch, sie will ein ganz normaler Mensch sein. Na gut, sagt Oma Anastaschu, ich werde sie ab sofort einmal in der Woche unterrichten, um ihr die Grundlagen der Hexerei beizubringen. 



Grüna und Mama sind nur am Streiten – wie so üblich zwischen Mutter und Tochter. Jeder will was anderes. Und die Mutter ärgert sich, dass Grüna den Zaubertrank, den sie zu Hause braut, um den viel zu laut bellenden Nachbarshund zu vergiften, «Suppe». Herrje! Das ist keine Suppe, das ist Gebräu! Schon nach der ersten Sitzung bei Anastaschu sind die Ergebnisse hervorragend! Ja, sie übertreffen geradezu die Erwartungen von Grünas Mutter. Vielleicht sogar ein bisschen zu sehr ... Denn Oma versichert Grüna: «Eine Hexe kannst du sehr wohl ganz auf deine Weise werden. Das versichere ich dir.» Jeder auf seine eigene Art! Letztendlich geht es in dieser Graphic Novel nicht ums Hexen – es dreht sich um Identität. Denn Grüna ist stinksauer, weil Mama ihr nicht verraten will, wer ihr Vater ist. Das steht ihr zu, sagt Grüna, und es wäre klasse, ihn kennenzulernen, vielleich mal mit ihm essengehen oder ein Kinobesuch … Nein, sagt die Mutter, das will sie nicht, basta!



Nichts ist anstrengender als eine Mutter!


Oma ist eine ziemlich coole Frau, sehr verständnisvoll. Und sie lädt Grünas ihren Freund Soufi ein, mitzukommen. Auf die Frage nach dem Vater von Grüna weiß Anastaschu zunächst keine Antwort, denn so genau weiß sie es nicht, ahnt es zwar, und andererseits hat sie auch nicht das Recht, das auszuplaudern. Doch Anastaschu hat eine Idee – vielleicht kann die Zauberei hier weiterhelfen, um das Geheimnis zu lüften … Auch in der Hexenfamilie gibt es ganz alltägliche Probleme in diesem Comic. Die Mutter meint zu wissen, was der Tochter guttut, steuert das Leben der Tochter nach ihrem Gusto. Grüna selbst hat aber ganz andere Vorstellungen und Pläne – der typische Generationenkonflikt. Nein, sie will keine Hexe werden! Und dann ist da die Sache mit dem Vater! Die Mutter hat kein Recht, ihr den vorzuenthalten! Wird die Mama ein Einsehen haben und den Umgang mit dem Vater erlauben? 



Anastaschu spielt hier die ruhige gelassene Vermittlerrolle zwischen Kampfhähnen. Ein typischer Familienkonflikt. Der schwarze Soufi antwortet auf die Frage, wo er herkommt, weil seine Oma weit weg wohnt: «Aus der Bretagne!», da wohnt ja auch die Oma. Woher denn sonst? Marie Desplechin, Magali Le Huche und ihre eigenwilligen Heldinnen liefern einen zauberhaften Mix aus alltäglichem Familienirrsinn, Humor und Abenteuer! Der Comic ist humorvoll in Szene gesetzt, mit sympathischen Figuren gezeichnet. In kleinen rahmenlosen Panels, die oft ohne ablenkenden Hintergrund auskommen, wird sich hier in Pastelltönen ganz auf die Figur konzentriert. Figuren wie du und ich, ganz ohne Hexenkrams, ohne Kater, Raben usw. Es gibt wenige ein- und Doppelseitige Illustrationen, die wundervoll detailreich gezeichnet sind, wie Omas Hexenkeller oder das ihr Dachboden. Die Graphic Novel ist die Comic-Adaption des Jugendromans Verte von Marie Desplechin, der bereits 1996 erschienen ist und diverse Preise erhielt. Ein humorvolles Kinderbuch, das Spaß macht, Hexerei mit tiefgründigen menschlichen Familienproblemen. Ein Comic, der sicherlich einige Diskussionen auslösen wird. Der Reprodukt Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 6 Jahren, das passt für mich



Magali Le Huche, geboren 1979 in Paris, hat gleich nach dem Studium an der Kunsthochschule in Straßburg ihre ersten zwei Bilderbücher illustriert. Seitdem sind Zahlreiche dazugekommen. Heute arbeitet sie für verschiedene Kinderbuchverlage und Zeitschriften und lebt in Paris.


Marie Desplechin , geboren 1959 in Frankreich, studierte Literatur und Journalismus. Ihr Werk als Autorin umfasst zahlreiche Romane für Kinder sowie Erwachsene. Ihr mehrfach preisgekrönter Jugendroman «Verte» erschien ursprünglich 1996 und bildet die Grundlage für die Comic-Adaption «Grüna». Neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin arbeitet Marie Desplechin auch als Journalistin und Drehbuchautorin.



Magali Le Huche, Marie Desplechin
Hexenkram 1: Grüna
Aus dem Französischen übersetzt von Silv Bannenberg
Handlettering von Kathrin Klingner
Kindercomic, Comic-Adaption, Comic, Graphic Novel, Französische Literatur
Hardcover, 88 Seiten, farbig, 21 × 27,5 cm
Reprodukt Verlag, 2023
Altersempfehlung: ab 6 Jahren







Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension -MENSCH!: Eine Zeitreise durch unsere Evolution von Susan Schädlich, Michael Stang und Bea Davies

  Die Entstehungsgeschichte der Menschheit als spannende Comic-Sachgeschichte präsentiert – lehrreich und humorvoll verpackt! Woher kommen wir? Wer waren unsere Vorfahren? Und ab wann lernten sie, mit Werkzeugen umzugehen? Diese Graphic Novel nimmt uns mit auf eine Zeitreise durch die Evolution der Menschen, indem wir ihnen sozusagen hautnah begegnen. Wissenschaft meets Comic, Historische Fiction – Sachkinderbuch ab 10 Jahren, über die Evolution der Menschen – klasse gemacht! Empfehlung auch als Unterrichtsmaterial! Weiter zur Rezension:    MENSCH!: Eine Zeitreise durch unsere Evolution von Susan Schädlich, Michael Stang und Bea Davies

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

  Ein herrlich spaßiger, spannender Kinderkrimi! Mit Papa und seiner neuen Flamme in die Berge zum Wandern oder zu Oma Lore. Keine Frage! Bei der fetzigen Lore ist es immer lustig. Jetzt sitzt Pia aber seit über einer Stunde auf dem Bahnhof, ohne dass Oma sie abgeholt hat. Sehr seltsam. Omas Haus ist nicht weit entfernt; und so macht sich Pia mit ihrem Rollkoffer auf den Weg. Niemand öffnet die Tür! Durch ein offenes Fenster gelangt sie hinein. Doch Oma bleibt verschwunden. Die Detektivarbeit beginnt … Ein Pageturner, ein Kinderroman, eine waschechte Heldenreise, ein rasanter Abenteuerroman und nervenkitzelnder Kinderkrimi ab 8-10 Jahren. Unbedingt lesen!  Weiter zur Rezension:   Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

Rezension - Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz

Die Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft, die einige Krisen überwinden muss. Ein illustriertes spannendes Kinderbuch zum Vorlesen, ebenso für Erstleser geeignet. Ein Erdhörnchenkind und ein Wolf freunden sich an, haben manches Abenteuer zu bestehen und ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt. Weiter zur Rezension:    Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz