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Federball von John le Carré - Rezension


Rezension

von Sabine Ibing



Federball 


von John le Carré


Lassen Sie mich an dieser Stelle festhalten, … dass der Brexit allerdings schon lange ein rotes Tuch für mich ist. Ich bin durch und durch Europäer.

Ein leiser Spionagethriller, der von Politikern erzählt, die ihre Bevölkerung belügen, was das Zeug hält, nur um des eigenen Vorteils und Ruhms willen. Warum heißt der Roman eigentlich Federball? Es geht ja um Badminton! Der Originaltitel lautet «Agent Running in the Field». Der Plot zieht sich langsam und ausufernd, nichts für Actionliebhaber, das sei gleich gesagt, es braucht an die 200 Seiten, bis der Leser versteht, wohin die Marschrichtung laufen mag. Aber die Geschichte ist gut. Es geht letztendlich um die Zerrissenheit von Großbritannien, das sich dem großen Bruder in Übersee anbiedert, durch eine Regierung von Narzissten.

… einem zehntklassigen Minderheitskabinett der Tories … einem verfluchten Narzissten von elitärem Eton-Absolventen … der nicht eine einzige feste Überzeugung zu bieten hätte, mal abgesehen von seinem eigenen Fortkommen.

Mülldeponie für umgesiedelte Überläufer

Nat, wie le Carrés Protagonist heißt, ist zwar erst 47 Jahre alt, rechnet aber mit seiner Entlassung aus dem Geheimdienst ins Rentnerdasein. Zurück London will der Russlandspion, der getarnt als Diplomat agierte, nun an der Seite seiner Frau Prue, einer Menschenrechtsanwältin, sein Leben genießen und ausgiebig Badminton spielen. Statt desssen bietet man ihm in der Hauptstadt an, eine (Gurken)Gruppe zu leiten: «Mülldeponie für umgesiedelte Überläufer ohne Wert und für fünftklassige Informanten auf dem absteigenden Ast». Die Nebenstelle liegt versteckt in einem schmuddligen Stadtteil und nennt sich «Oase». Sie sollen den Maulwurf enttarnen, der brisantes Geheimdienstmaterial an die Russen weitergibt. Nat wird eine junge, schnittige Agentin an die Seite gestellt, die eine interessante Idee verfolgt, der Nat zunächst skeptisch gegenübersteht, die dann zugegeben ihre eigene Dynamik bekommt. Beim Badminton lernt Nat Ed kennen, der den Vereinsmeister Nat, zum Duell herausfordert. Eine Sportfreundschaft entwickelt sich mit dem sympathischen Ed, ein hitzköpfiger junger Mann, ein zutiefst überzeugter Europäer, der auf den Brexit und auf Donald Trump schimpft, den er für einen Faschisten hält. Und genau diese Sportfreundschaft, die aus Spielen und dem Drink danach besteht, kristallisiert sich zum Problem.

Entweder ist Europa am Arsch oder jemand mit Eiern in der Hose findet ein Mittel gegen Trump.

Ein politischer Roman, ein intelligentes Thema

Nats Truppe ist einer Formation auf der Spur, einer angloamerikanischen Kooperation ist, die das Ziel hat, sozialdemokratische Institutionen und internationale Handelsabkommen der Europäischen Union zu sabotieren. Sie ist verantwortlich für eine weitreichende Flut an «Fake News» zur EU und dem Brexit. Großbritannien geht Trump zur Hand, verlässt sich im Gegenzug dafür auf optimale Freihandelszusagen nach dem Brexit. John le Carré beschreibt aber auch den großen Generationskonflikt in Großbritannien, der auf verschiedenen Ebenen abläuft. Net lässt sich von der jungen Kollegin überzeugen, hört Ed zu und Tochter Steff gibt Papa ziemlich viel Saures, ist politisch engagiert, lässt ihn ein Buch über die Erderwärmung lesen. Ein Agentenroman mit Actionszenen ist dies nicht. Im Gegenteil, der Plot schleppt sich im Schneckentempo dahin. Ein politischer Roman, ein intelligentes Thema mit aktuellen Bezügen. Ein wenig mehr Drive und Kürzung hätten dem Buch gutgetan. Auf jeden Fall ist dies ein Spionagethriller für geduldige Leser.


John le Carré
Federball
Originaltitel: Agent Running in the Field
Aus dem Englischen übersetzt von Peter Torberg.
Sprecher: Achim Buch
Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 9 Std. und 47 Min.
Thriller, Spionagethriller
HörbucHHamburg HHV, 2019
Hardcover, 352 Seiten
Ullstein Verlag, 2019

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