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Jürgen Ehlers über das Genre Spionagethriller

Jürgen Ehlers über das Genre Spionagethriller 


© Jürgen Ehlers

Mein Name ist Jürgen Ehlers, ich bin Geowissenschaftler und Autor von Kriminalromanen. Mein erster Kurzkrimi «Flucht» ist 1992 bei Heyne erschienen, und mein neuester Roman, ein Spionage-Thriller, erscheint im Herbst dieses Jahres ebenfalls bei Heyne. Er heißt «Sturm in die Freiheit» – im Internet kann man ihn bereits sehen. Das Buch spielt 1943/44, und der Held der Geschichte soll im Auftrag des britischen Geheimdienstes SOE Hitler beseitigen. Hat der britische Geheimdienst das damals tatsächlich geplant? Ja, hat er.

Was macht einen Thriller aus? 

Dan Brown, einer der erfolgreichsten Thriller-Autoren der Gegenwart, nennt unter anderem drei wichtige Punkte:

1. Es geht um einen hohen Einsatz.

2. Der Gegenspieler des Helden sollte in einem moralischen Graubereich agieren. – Bei Hitler geht das natürlich nicht, aber der wirkliche Gegenspieler meines Helden ist nicht Hitler, sondern der Mann im Reichssicherheitshauptamt in Berlin, der eigentlich derartige Anschläge verhindern soll, aber zunächst einmal nicht eingreift.

3. Die Zeit läuft, und wenn unser Held sich nicht sputet, läuft sie ihm davon.

Spionagethriller

Die Gattung des Spionagethrillers ist nicht ganz so alt wie der Kriminalroman. Sie beginnt eigentlich mit «The Riddle of the Sands: A Record of Secret Service» (1903) des Iren Robert Erskine Childers. Es geht in dem Roman um die Aufdeckung deutscher Pläne zu einer Invasion Englands, eine Möglichkeit, an die zur damaligen Zeit niemand in England geglaubt hatte. Interessant ist, dass der Autor selbst im deutschen Wattenmeer spioniert hat und einer Festnahme nur mit Glück entgangen ist.

Weltherrschaft 

Die beiden Helden im «Rätsel der Sandbank» sind ganz normale Sterbliche, und auch ihr Gegenspieler ist kein Übermensch. Später werden die geforderten Einsätze höher. Aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg stammt eine Reihe von Superverbrechern, zu denen der Luxemburger Autor Norbert Jacques eine der prominentesten Figuren beigesteuert hat. 1921 erschien sein Roman «Dr. Mabuse, der Spieler». Mabuse ist ein größenwahnsinniger Arzt und Psychoanalytiker, der die Weltherrschaft anstrebt. Er plant in Brasilien eine utopische Kolonie nach seinen Wünschen zu errichten. Sein Gegenspieler ist der Staatsanwalt von Wenk. Am Ende des Buches kommt es zu einem dramatischen Zweikampf zwischen von Wenk und Mabuse in einem Flugzeug, bei dem schließlich Mabuse in die Tiefe stürzt. Wenk bringt die Maschine unter Kontrolle und landet sicher an den Dünen der ostfriesischen Küste. Ende der Geschichte.

Die Umsetzung im Film

Wirklich? Fritz Lang, der den Stoff 1922 zu einem Stummfilm verarbeitet hat, war mit dieser Lösung nicht einverstanden. Im Film geht die Geschichte anders aus. Mabuse mit seiner Bande wird von der Polizei umzingelt. Militär wird eingesetzt. Staatsanwalt von Wenk findet schließlich Mabuse in seinem Bau, inmitten eines Haufens von Geld; er ist wahnsinnig geworden. Diese Version bietet die Möglichkeit einer Fortsetzung, und Fritz Lang wollte auf jeden Fall einen oder mehrere weitere Filme mit dem Superschurken drehen, was dann auch geschah.

Humor im Spionagethriller

Ein sehr erfolgreiches Buch, wenn auch kein Thriller im engeren Sinne, ist «Es muss nicht immer Kaviar sein» von Johannes Mario Simmel (1960). Im Untertitel heißt dieses Buch: «Tolldreiste Abenteuer und auserlesene Kochrezepte des Geheimagenten wider Willen Thomas Lieven». Damit wird von Anfang an klargestellt, dass es sich bei dem Roman, der zuerst 1960 als Fortsetzungsgeschichte in der Illustrierten „Quick“ erschien, um ein eher heiteres Buch handelt, und ganz gleich, in welch missliche Lage der Held wieder und wieder gerät, wir können völlig unbesorgt sein. Und die letzten Sätze des Buches lauten getreu dieser positiven Einstellung:

Und so hebe ich denn mein Glas auf die menschliche Vernunft. Möge sie uns hinausgeleiten aus dem Schattental der Furcht und hinein in ein Paradies voll Frieden und Fröhlichkeit.

Als der Londoner Privatbankier Thomas Lieven von seinem Partner um einen kleinen Gefallen gebeten wird, ahnt er nicht, was sich daraus für Folgen ergeben. Lieven trifft am 26. Mai 1939 in Köln ein, aber er wird sofort von der Gestapo verhaftet. Seine Freilassung ist an die Bedingung geknüpft, dass er künftig als Spion für die deutsche Abwehr arbeitet. Doch sowie er wieder in London eintrifft, wird er von der Gegenseite festgenommen und gezwungen, jetzt für die Engländer zu arbeiten. Es soll nicht das letzte Mal sein, dass Thomas Lieven im Laufe der nächsten Jahre die Seiten wechseln muss. Große Teile dieser Geschichte sind übrigens frei erfunden, aber nicht alle.

Wahre Handlungselemente einbauen

Bei einem Thriller bietet es sich an, wahre Handlungselemente mit einzubauen. Erinnern Sie sich an den 20. November 1963? Ich war damals mit einigen Klassenkameraden zu einem Konzert in der Johanneskirche in Hamburg-Harburg. Es war der Tag, als John F. Kennedy ermordet wurde. An diesem Tag ist der freie Journalist Peter Miller mit seinem Auto unterwegs in Hamburg. Als die Nachricht gesendet wird, fährt er genau wie andere schockierte Autofahrer an den Straßenrand und hält an. Ein Mann kommt zu ihm an den Wagen und fragt ihn:

Haben Sie das gehört?" – Ja, Miller hat das gehört.
Sie unterhalten sich einen Augenblick, und der Mann sagt schließlich: "Ja, ja, gewalttätige Menschen sind das, diese Amis. Denken Sie an meine Worte – gewalttätige Menschen. Die haben alle eine gewalttätige Ader, und das wird unsereinem hier immer unbegreiflich bleiben.

Dass die Deutschen auch eine gewalttätige Ader haben, daran denkt in diesem Augenblick weder jener Mann noch der Reporter. Aber genau das ist das Thema des Buches (Frederick Forsyth, «Die Akte Odessa», 1972).

Unterhaltung steht im Vordergrund

Es gibt viele verschiedene Spielarten des Thrillers. Dazu gehören selbstverständlich die Bücher und Filme um James Bond – Agententhriller. Dazu gehört auch der eingangs erwähnte Dan Brown (z.B. «Illuminati», 2003). Es geht in den Thrillern in der Regel nicht um eine genaue Abbildung der Wirklichkeit. Es geht um Unterhaltung. Und in diesem Zusammenhang ist es völlig unerheblich, ob Galileo Galilei ein Mitglied der Illuminati gewesen sei kann (kann er nicht) oder ob ein Kardinal im Brunnen auf der Piazza Navona in Rom versenkt werden kann (das Wasser ist viel zu flach). Es geht darum, dass die Handlung den Leser packt und nicht wieder loslässt.


Hier geht es zur Website von Jürgen Ehlers: Jürgen Ehlers


Sturm in die Freiheit, Jürgen Ehlers, historischer Spionagethriller, Erscheinungstermin: 10. August 2020 im Heyne Verlag









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