Wie ich zum politischen Krimi kam
von Horst Eckert
© Horst Eckert |
Nachdem vor ziemlich genau einem
Vierteljahrhundert mein Debüt „Annas Erbe“ erschienen war, sagte ich zu einem
Journalisten: „Ich will nur unterhalten.“ Später wandelte ich das ab in: „Mir
sind drei Dinge wichtig: Spannung, Spannung, Spannung.“
Aber natürlich verhält es sich viel komplexer
Vom gelegentlichen
Krimileser zum Fan des Genres mutierte ich endgültig um 1990, als ich auf ein
Buch traf (oder das Buch traf mich), das mir klarmachte, dass ein Krimi alles
erzählen kann, was Literatur erzählen kann, nämlich weit mehr als nur die Frage
nach dem Mörder, allerdings besonders packend, unter die Haut gehend. Und weil
ich in der Folgezeit nicht immer fand, was ich wollte, wurde ich vom Fan zum
Autor.
Mich interessieren die Mechanismen unseres Zusammenlebens
Die Erzählung eines
Mordfalls wirft ein Licht in die Abgründe des Menschen und der Gesellschaft. Mich
interessieren die Mechanismen unseres Zusammenlebens. Mit dem Märchen vom guten
Kommissar, der den bösen Unhold schnappt und dadurch die Welt wieder in Ordnung
bringt, kann ich nicht viel anfangen. Die Welt war vor dem Delikt nicht in
Ordnung, und sie ist es auch hinterher nicht. Das Schreiben ist für mich immer auch
ein Nachdenken über unser Mit- und Gegeneinander.
Schon in meinem ersten
Roman ging es um Immobilienhaie und Hausbesetzungen, um geschäftstüchtige
Politiker und korrupte Polizisten. Von dort zum Politthriller war es nur noch ein
kleiner Schritt. Dass ich mich zu Beginn dagegen wehrte, zumindest im
Interview, lag an meinen Lektüreerfahrungen, genauer: an einigen deutschen
Soziokrimis. Da wollten mir Autoren eine Haltung aufdrängen, die mir entweder
fremd oder ohnehin schon eigen war. Die Unterhaltung blieb auf der Strecke.
So könnte es geschehen
Auch im Politthriller
geht es zuallererst um Spannung, Spannung, Spannung. Die Politik fügt nur eine
weitere Dimension hinzu. Wir spüren beim Lesen, dass unser Hier und Jetzt
gemeint ist, unsere eigene Existenz ist berührt, die Geschichte geht uns etwas an
– was die Spannung im besten Fall noch steigert.
Natürlich bleibt der
Roman ein Fantasieprodukt. Schriftstellerinnen und Schriftsteller lügen.
Wahrhaftig werden ihre Werke, indem wir beim Lesen spüren: So könnte es
geschehen. Dazu gehört ein gewisses Maß an Recherche. Die Details sollten
authentisch sein. Die Figuren erfunden, aber glaubwürdig. Ihre Handlungen
überraschend, aber plausibel.
Er hat etwas entzündet oder ein Fenster aufgestoßen
Falls das gelingt,
tritt ein Effekt auf, den wir von guten Filmen kennen. Wir verlassen das Kino,
bleiben aber aufgewühlt. Auch ein guter Politthriller regt zum Nachdenken an.
Er hat etwas entzündet oder ein Fenster aufgestoßen. Nicht der belehrende
Zeigefinger des Autors hat das bewirkt. Sondern die Romanfiguren, ihre Motive
und die Folgen ihres Tuns. Die Fäden in der Hand des Autors bleiben unsichtbar.
Den Grund, warum sich
Mordgeschichten lohnen, drückte Friedrich Schiller gegen Ende des 18.
Jahrhunderts sinngemäß so aus:
Wer etwas über die Psyche des Menschen und die Moral der Gesellschaft erfahren möchte, der schaue am besten in Kriminalakten, Gerichtshöfen und Gefängnissen nach.
Sowie in
Konzernzentralen und Staatskanzleien, wo Verbrechen als Geschäft oder Politik
bezeichnet und nur äußerst selten geahndet werden, so möchte ich für unsere
Zeit ergänzen.
Weitere Beiträge zum Thema der verschiedenen Subgenres zu Krimi- und Thriller auf dieser Seite:
Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre (es folgen weitere)
Hier das Interview mit Horst Eckert Interview mit Horst Eckert
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Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre (es folgen weitere)
Hier das Interview mit Horst Eckert Interview mit Horst Eckert
Neu: IM NAMEN DER LÜGE (Heyne)
"Ein hochbrisanter und
raffiniert konstruierter Thriller." (Spiegel-Online) "Wahnsinnig spannend
- einer unserer besten Politthriller-Autoren." (HAZ) "Kunstvoll und
hochspannend konstruiert." (Rheinische Post) "Eckert erzeugt
Gänsehaut." (Stefan Aust) "Ein ganz großer Wurf." (Der Neue Tag)
"Stringent und kenntnisreich konstruiert und mit ungeheurem Tempo
vorangetrieben." (Rhein-Zeitung) "Man möchte in Quarantäne bleiben.
Und es gleich noch einmal lesen."
(Welt am Sonntag)
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