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Der war's von Juli Zeh - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Der war's 


von Juli Zeh, Elisa Hoven und Lena Hesse



‹Wer hat schon wieder mein Supersandwich geklaut?› Marie bebt vor Wut. Zum zweiten Mal in dieser Woche ist ihr Schulbrot weg.

In der 6a ist ein Verbrechen geschehen: Marie, dem beliebtesten Mädchen der Klasse, wurden täglich die Pausenbrote gestohlen. Nur Sophies Mutter gibt sich so viel Mühe mit hippem Aufstrich und Belag! Torben, sein Vater ist Polizist, meint, es wisse, wie man ermittelt und hat sofort Konradunter Verdacht.  Der dicke Konrad ist neu in der Klasse und hat noch mit niemandem Freundschaft geschlossen. Statt auf dem Schulhof zu gehen, verbringt er die Pausen im Klassenraum. Wer soll es denn sonst gewesen sein? Torben legt sich auf die Lauer. Und siehe da, als er in der Pause ins Klassenzimmer schleicht, sieht er Konrad an Maries Tasche – zack, gleich ein Foto geschossen! Schnell scheint allen klar zu sein, dass nur einer als Täter in Betracht kommt!





In Windeseile hat Torben ein Team zusammengestellt. Die Soko Supersandwich. Soko steht für eine Sonderkommission, die von der Polizei gegründet wird, um bedeutende Verbrechen aufzuklären.

Konrad jedoch ist sich keiner Schuld bewusst; allerdings erklärt er auch nicht, warum er an der Tasche war. Das Foto geht viral und auf Social Media wird Konrad runtergeputzt; in der Klasse wird er ausgegrenzt. Alle sind gegen ihn, lediglich Mika verteidigt ihn – das Foto ist eine Momentaufnahme, beweist rein gar nichts. Warum ist der überhaupt umgezogen?, fragen sich die Kinder. Klar doch, so geht das Gerücht um, er muss an seiner alten Schule irgendwas angestellt haben und ist rausgeflogen. Konrad wehrt sich nicht, sitzt das alles ziemlich cool aus, verteidigt sich nicht. Wirklich? Hält man das so locker aus ganz ohne Beistand? Das mag ich bezweifeln. Neben der stereotypen Darstellung dieses perfekt passenden Opfers ist auch Torben extrem stereotyp – eigentlich sind es alle Protagonisten in diesem Buch. Die perfekte Schülerin Sophie, schlau, hübsch mit blonden Löckchen, die in der Klasse vorgibt, was gerade in ist; und natürlich hat sie eine perfekte Mutter, die nicht nur Supersandwiches macht. «Langsam wird die Zeit knapp. Peter und Yuna müssen demnächst zum Mandarin-Unterricht, Svenja muss Klarinette üben …» Hier wird kein Klischee ausgelassen. Der etwas trottelige, faule Lehrer Schindelbart-Bunsemann interessiert sich rein gar nicht für das Geschehen, zeigt der Klasse einen Film, damit er nebenbei Deutschaufsätze korrigieren kann. Ich war etwas irritiert über diese klischeehafte Story, die auch schriftstellerisch ohne Bravour daherkommt.




Eine Gerichtsverhandlung. Wie im Fernsehen. Am Ende weiß man immer, wer der Täter war.

In diesem Film, den der Lehrer zeigt, lernen die Kinder etwas über unser Rechtssystem und kommen nun auf die Idee, ein Gerichtsverfahren über Schuld oder Unschuld zu verhandeln. Lasst uns nicht vorschnell urteilen! «Der war’s» ist ein spielerischer Ansatz, Kindern die Bedeutung der Unschuldsvermutung und Verfahrensfairness zu vermitteln, zu erklären, wie eine Gerichtsverhandlung abläuft und was die Aufgaben eines Richters, Strafverteidigers, Staatsanwalts ist. Das ist löblich, auch gut erklärt. Glaubhaft ist die Geschichte keinesfalls. Das geklaute Pausenbrot war mir persönlich zu lau, die Geschichte schleicht recht langweilig dahin. Torben, der ja am Tatort ermittelt, hätte ganz andere Spuren vorfinden müssen – ich will nicht verraten, wer der Täter wirklich war, aber das passt rein gar nicht zusammen. Es überzeugt auch nicht der Grund, weshalb Konrad an der Tasche von Sophie war. Zusammengefasst: Selbst Nesthäkchen ist spannender und intelligenter geschrieben. Mich konnte der Kinderkrimi rein gar nicht überzeugen. Schade – im Thema an sich steckte Potential. Der Carlsen Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 8 Jahren. Das passt. Lena Hesse hat das Kinderbuch illustriert und sehr gelungene Zeichnungen zugegeben. Hier bekommen wir Bezug zum leidenden Konrad, was leider der Text nicht vermag.


Lena Hesse ist gelernte Printmediengestalterin und studierte Design in Münster und Valencia. Sie illustriert seit über 10 Jahren Bücher für Kinder und lebt in Berlin. Dieses Buch hat sie aber in ihrem Schrebergarten in Brandenburg gezeichnet, mit Blick auf Petersilie, Möhren und Rote Beete.

Elisa Hoven ist Professorin für Strafrecht und Richterin am Sächsischen Verfassungsgerichtshof. Sie hat zwei 4-jährige Kinder. 

Juli Zeh wurde 1974 in Bonn geboren. Sie ist promovierte Juristin sowie Absolventin des Deutschen Literaturinstituts in Leipzig. Seit 2001 hat sie zahlreiche Romane, Kurzgeschichten, Theaterstücke, Essays sowie zwei Kinderbücher und ein Bilderbuch veröffentlicht. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet. 2018 hat sie das Bundesverdienstkreuz erhalten. Juli Zeh lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Berlin.



Juli Zeh, Elisa Hoven, Lena Hesse
Der war's
Kinderbuch, Kinderroman, Kinderkrimi, Gerichtskrimi
Hardcover, 160 Seiten
Carlsen Verlag, 2023 
Altersempfehlung: ab 8 Jahren





Bilderbücher, Kinderbücher Vor- und Grundschule 5 - 10 Jahre





Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur

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