Rezension
von Sabine Ibing
Der Junge, der Katzen malte
von Lafcadio Hearn und Anita Kreituses
Ein Bilderbuch, in das man sich sofort beim ersten Durchblättern verliebt, ohne den Text gelesen zu haben. Und das liegt an den eindrucksvollen Illustrationen von Anita Kreituses. Es war einmal ein Junge, klug, klein und zierlich, der jüngste Sohn einer armen Bauernfamilie. Ständig malte er Katzen. Seine Eltern gaben ihn als Altardiener in den Tempel zur Ausbildung, weil sie meinten, der Junge sei für die schwere Hofarbeit nicht geeignet. Er war aufmerksam und fleißig, und er malte viel, aber immer nur Katzen und das überall. Dem Priester ging er damit auf die Nerven und er schickte ihn fort:
Mein Junge, du musst auf der Stelle diesen Tempel verlassen. Aus dir wird niemals ein guter Priester. Aber vielleicht wirst du einmal zu einem großen Künstler. … Meide große Räume in der Nacht, halte dich an kleine.
So gelangte der Junge in einen leeren Tempel, bemalte die staubigen Wandschirme mit Katzen. Müde suchte er sich einen kleinen Raum für die Nacht, legte er sich in einen Wandschrank. In der Nacht erwachte er von furchtbarem Lärm … Der Junge wird diesen Tempel retten … Ein Märchen, eine nette Geschichte aus Japan, gut erzählt und berührend illustriert. Lafcadio Hearn brachte erstmals vor hundert Jahren dieses Märchen aus Japan mit. Ein gehorsamer Junge, eigentlich ist nichts an ihm auszusetzen; und doch geht er kontinuierlich seinen eigenen Weg, womit er dann doch aneckt. Er lässt sich nicht abbringen – erreicht sein Ziel.
Das Kinderbuch ist reich bebildert und letztendlich ist der Text nur begleitend, denn diese atmosphärischen Illustrationen erzählen so viel mehr. Anita Kreituse schafft es, uns mit ihren Bildern in eine Märchenwelt zu ziehen, bezaubert in Mehrfachtechnik mit ihren leuchtenden Katzen. Faziniert blättert man von Seite zu Seite … ach was schert uns der Text. Ein Bilderbuch, das jeden Katzen- und jeden Märchenfan begeistern wird. Japanische Kultur, japanischer Mythos – ein gelungenes Bilderbuch für die Abteilung Lieblingsbuch. Der Verlag Edition Bracklo gibt eine Altersempfehlung ab 5 Jahren. Das passt für mich. Natürlich auch Allage.
Lafcadio Hearn prägte als Schriftsteller das westliche Bild von Japan Anfang des 20. Jahrhunderts. 1850 in Griechenland geboren, brachten ihn seine britisch-griechischen Eltern mit zwei Jahren zu seiner Großtante Justine nach Irland. Hearn erblindete bereits als Jugendlicher durch einen Unfall fast völlig. Sein Nonkonformismus und Individualismus zeigten sich früh. 1869 zahlte ihm seine Großtante die Überfahrt nach Amerika, wo er Übersetzer und gefragter Journalist u.a. in New Orleans und New York war. 1890 wanderte er als Sprachlehrer nach Japan aus. Bei der Heirat mit seiner große Liebe Koizumi Setsu nahm Hearn deren japanischen Familiennamen als Koizumi Yakumo an. 1896 wurde er Professor für englische Literatur an der Kaiserlichen Universität Tokio. Er starb 1904 und hinterließ als Vermittler zwischen den Kulturen ein eindrucksvolles, in viele Sprachen übersetztes literarisches Lebenswerk aus der Frühzeit der Globalisierung. Noch heute wird er von vielen Japanern als einer der ihren geehrt.
Anita Kreituse wurde 1954 in Riga, Lettland geboren und studierte an der Lettischen Akademie der Bildenden Künste. Sie ist Künstlerin, Malerin und Illustratorin, arbeitete aber auch als Art Director, Bühnen- und Kostümbildnerin. Als Verpackungsdesignerin malte sie über fünfzig Illustrationen für Yogi-Tea. Seit 1992 ist sie Mitglied der Künstlervereinigung Artist Union of Latvia. Ihre Werke wurden bereits in zahlreichen Ausstellungen präsentiert. Für die lettische Originalausgabe des vorliegenden Buches Der Junge, der Katzen malte erhielt sie die Auszeichnung The White Ravens.
Der Junge, der Katzen malte
Aus dem Japanischen übersetzt von Gabriela Bracklo
Märchen, Japan, japanische Mythen, Bilderbuch, Kinderbuch, Katzen, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover, 52 Seiten, 305mm x 305mm
Edition Bracklo Verlag, 2021
Altersempfehlung: ab 5 Jahren – Allage
Fremde Kulturen und Mythen in der Kinder- und Jugendliteratur
Wann hat der Mensch mit dem Schreiben begonnen? Fremde Kulturen, verschiedene Schriften … Warum feiern die Chinesen das Mondfest – das genauso wichtig wie das Neujahrsfest ist – bei dem die ganze Familie zusammenkommt? Wer kennt sich aus mit den nordischen Göttern, beim Odin, oder mit den nordischen Fabelwesen? Trolle kennt jeder. Aber wie sieht es mit Vitte und Vätte, Nöck, Michhase und Grollborsten aus? Die griechischen Götter waren nicht immer göttlich, sie konnten ordentliche Miststücke sein, zornig, eifersüchtig, missgünstig … Wer sich für solche Bilderbücher, Kinderbücher, Jugendbücher interessiert, wir hier fündig werden.Interessiert? Hier geht es zu: Fremde Kulturen und Mythen in der Kinder- und Jugendliteratur
Kinder- und Jugendliteratur
Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
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