Rezension
von Sabine Ibing
Zürcher Filz
von Gabriela Kasperski
Rubis Vintage›, prangte auf dem verzierten Schild des Schmuckgeschäfts. Beanie Barras, jüngste Ermittlerin der Kriminalpolizei Zürich, stoppte abrupt, sprang vom Bike und lehnte es an die Wand.
Ein Ereignis folgt dem nächsten
Die 14jährige Jessie, muss sich um ihre alkoholkranke Mutter kümmern, hat diverse Probleme an der Backe, eins davon: man hat ihnen die Wohnung gekündigt; ein weiterer Strang. Im Strang von Philomena erfährt der Leser, dass sie eingesperrt ist und versucht aus ihrem Gefängnis auszubrechen und noch ein Strang zeigt das Mädchen Sunny, das die große Villa inspiziert. Nicht zu vergessen, das Gespenst der weißen Frau, das durch den Park geistert. Dazu die Nebenstränge aller Verdächtigen aus dem Stiftungsrat, die alle ihre eigenen Motivationen verfolgen. Eine Menge Personal wird aufgefahren, ständiger Perspektivwechsel, viele Einzelfäden sind ausgelegt, was sie Handlung spannend macht – gleichzeitig aber auch anstrengend, weil ein Ereignis dem nächsten folgt, immer parallel, die Autorin switcht von Person zu Person. Hier gibt es kein Durchatmen für den Leser. Richtig klasse sind die Szenen in Park und Haus gelungen, hier zeigt sich die Ausdruckskraft von Gabriela Kasperski: Oh schaurig ist es, durch den dunklen Park zu gehen, oh schaurig sind die geheimen Räume. Kopfkino vom Feinsten. In diesen Szenen sitzt der Leser in der Örtlichkeit mit allen Sinnen. Züri-Flair ist gut eingebunden, ohne zu überlasten.
Zu viel Personal und Perspektivwechsel
Meier anzurufen hatte keinen Zweck, bei der Arbeit schaltete er den Flugmodus ein. Ging einfach davon aus, dass sie für Notfälle erreichbar sei. Zita hatte gedacht, sie seien weitergekommen, aber es war tief drin im System: Männer hatten ein angeborenes Recht auf Arbeitszeit, für Frauen war es eine Gnade.
«Zürcher Filz» ist der sechste Band aus der Reihe um das Ermittlerpaar Zita Schneyder und Werner Meier. Es war mein Erster. Vielleicht habe ich mich deshalb ein wenig schwergetan. Es gibt eine Menge Verknüpfungen zu Figuren, die mir fremd sind, zu denen mir Hintergrundwissen fehlt, wie der Vorgesetzte Nussbaum oder Eli Apfelbaum. In den Bänden davor wird wahrscheinlich die Beziehungsstruktur aufgefächert. Zu den Hauptermittlern gesellen sich andere Polizisten, wie der klumpfüßige Serge, Maria usw. In diesem Krimi gibt es keine Hauptprotagonisten und keinen Hauptantagonisten. Im Prinzip ist das kein Problem, wenn das Ganze gut strukturiert ist. Hier war es mir schlicht zu viel Personal und Gehopse – irgendwann habe ich die Namen aufgeschrieben, mit Pfeilen zugeordnet, weil ich sonst den Überblick verloren hätte, denn die Personen werden mal mit Vornamen, mal mit Nachnamen benannt. Hier wird gehüpft und gesprungen und am Ende laufen leider einige Fäden auch ins Nichts. Und es wird gegendert. Die schwarze, kahlköpfige Beamie, vor der sich alle erschrecken, wenn sie ihre Kapuze abnimmt, Frauen, die die Ehe ablehnen, ein Hausmann, ein jüdischer Freund, diverse Behinderungen, ein Protokoll wird im Nebensatz nicht schlicht von einer Polizistin aufgenommen, sondern von einer asiatischen Polizistin; ein Lesbenpaar, eine Jugendliche, die ihre Alkimutter durchschleppen muss, die einen Asylanten zum Freund hat, der in Abschiebehaft sitzt. Hier wird nichts ausgelassen, rein gar nichts. Für mich war das alles too much. Was mir dann fehlte, waren die Verflechtungen der Stiftungen. Wer hat genau was gemauschelt, und wie hat er das gedreht – genau das wird leider nur angedeutet. Diese Anzahl an Personal wirkt sich natürlich auch auf die Charaktere aus. Durch die Fülle und das Gespringe, kombiniert mit hohem Tempo flogen alle an mir vorbei, nicht fassbar. Die Charaktere bleiben oberflächlich, keiner prägt sich ein, zu keinem gewinnt man Zugang. Für mich könnte man einige Charaktere rausstreichen, die Story würde ohne sie funktionieren, und es gäbe mehr Platz für Tiefe. Manchmal ist weniger mehr. Sicher wäre es besser gewesen, die fünf Bände davor zu kennen, um ein Gefühl für Figuren zu haben, aber die Kunst der Schreibenden ist es ja, als Leser ohne Vorwissen einsteigen zu können. Fazit: ein spannender Krimi allemal, der für mich allerdings an allen Ecken überfrachtet ist.
Gabriela Kasperski war als Moderatorin im Radio- und TV-Bereich und als Theaterschauspielerin tätig. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie in Zürich und ist Dozentin für Synchronisation, Figurenentwicklung und Kreatives Schreiben.
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Zürcher Filz
Kriminalroman, Regiokrimi, Schweizer Literatur, Zürich
Broschur, 320 Seiten
Emons Verlag 2020
Gabriela Kasperski um Regiokrimi
In diesem Beitrag zum Thema, Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre, geht es um ein typisch deutsches Subgenre: Der Regiokrimi. Gabriela Kasperski schreibt selbst in diesem Bereich und hat sich Gedanken dazu gemacht, war etwas erstaunt, was Wikipedia dazu zu erklären hat. Gibt es überhaupt einen Regiokrimi? In irgendeinem Ort muss eine Geschichte schließlich spielen – und sei es auf dem Mond.Meine Definition sieht so aus: Wie für jeden anderen Krimi braucht es für einen Regiokrimi vielschichtige Figuren, einen Plot mit überraschenden Wendungen und eine Auflösung, die alles nochmal in Frage stellt. Es braucht eine passende Atmosphäre und ein überzeugendes Setting.
Neugierig? Hier geht es zum Artikel: Was sind Regiokrimis? - von Gabriela Kasperski
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Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
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