Direkt zum Hauptbereich

Agentin Yeshi von Gabriela Kasperski - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


Agentin Yeshi 


von Gabriela Kasperski


Ich heiße übrigens Yeshi und bin zehn Jahre alt. Manchmal bin ich auch vierunddreißig und manchmal zwei, ich haben einen Tanzfuß, ein Flatterherz, Schmetterlinge im Bauch und mein Kopf kann steinfelsbetonhart sein. Mit Zahlen hab ich es nicht so. Bis auf die Uhr. Die hab ich jetzt gelernt.


Die zehnjährige Yeshi ist dunkelhäutig und adoptiert, lebt in Zürich bei ihrer Mutter. Papa lebt in London. Der neue Lehrer, Herr Bernasconi, möchte mit den Schülern ein Weihnachtsmusical aufführen. Die Schüler und Schülerinnen werden aufgefordert, Vorschläge zu machen, zu argumentieren, andere zu überzeugen. Demokratie üben. Yeshi möchte nun die «Belle» spielen, da die «Die Schöne und das Biest» nach der Abstimmung aufgeführt werden soll. Liv, die Neue, ist schnell das beliebteste Mädchen der Klasse, pocht auch auf die Rolle, erklärt, Yeshi ist schwarz und kann keine Prinzessin spielen. Es gibt keine schwarzen Prinzessinnen. – Belle ist doch gar keine Prinzessin! – Mit ihrem steinfelsbetonharten Kopf, ihrem Tanzfuß und dem Flatterherz will Yeshi das Gegenteil beweisen. Sie schreibt einfach ein eigenes Musical. Wird sie fertig werden? Wird sie eine Crew zusammenstellen, Kostüme, Bühnenbild?


Eine Reihe von Ereignissen reihen sich aneinander


Mein Tanzfuß zuckte, ich drehte mich. Einmal im Kreis und zurück. Viele Menschen eilten über die Straße. ber nirgendwo jemand mit dunkler Haut und krausem Haar so wie ich. Da hast du es, Yeshi, Kackbohne. Logisch wollen die eine blonde Prinzesssin. Sie könnte auch bind sein. Oder alt. Oder ein Mann. Nur dunkle Haut darf sie nicht haben.


Mopshündin Lola kann man nicht immer mitnehmen, Tätowierer Stefano ist ein guter Ratgeber, Schulkollege Lian ist der beste Freund von Yeshi. Doch der hat derzeit keine Zeit, da er für eine Tanzprüfung trainiert, um an einer Schule in London aufgenommen zu werden. Klassenkameradin Doro Glibberschlabberqualle, beste Freundin,  trainiert auch wie besessen, da sie in eine Auswahlmannschaft im Fußball aufgenommen werden möchte. Liv? Wer ist das überhaupt? Und die Guccifrau, die immer im Busch versteckt fotografiert, der Mann mit der Kapuze und Influencerin Lilapurple aus dem Netz, die Yeshi überredet, ihre braune Haut zu bleichen, eine Menge skurriler Typen tauchen auf.


Die Handlung ist rasant, es wird niemals langweilig

Yeshi schreibt aus der Ich-Perspektive, in ihrem eigenen Sprachstil, «superglitzerluftigcool» – und der ist kunterbunt, da Yeshi eine Worterfinderin ist. Und genau das macht das Buch zum Leseerlebnis! Was macht Spaß und das ist kreativ! Yeshis inneres «Argumentmädel», versucht ihr die ein oder andere Idee auszureden, doch das funktioniert selten. Denn sie hat mehr Power als die Apollo 17, entscheidet spontan aus dem Bauch heraus. Ob ihre Idee Früchte tragen könnte, darüber denkt sie nicht nach: Ran an die Arbeit, nachher prüfen, ob das alles funktioniert. Pläne sitzen im Kopf, lediglich grob die Richtung auf dem Kompass weisend. Die Handlung ist rasant, es wird niemals langweilig. Ich hätte mir ein wenig mehr Entspannungsphasen in der Geschichte gewünscht. Garbriela Kasperski verdeutlicht sehr fein die Nöte der farbigen Yeshi, die auf Grund ihrer Hautfarbe ausgegrenzt wird, die sich eine weiße Haut wünscht. In diesem Zusammenhang, zeigt sie, wie gefährlich es ist, auf den Rat einer Bloggerin zu hören, die ein angebliches Rezept bereit hält, wie man sich die Haut aufhellen kann. Yeshi Flatterherz hat einen Traum und sie verfolgt ihn, konsequent, zwar chaotisch, Misserfolge steckt sie weg. Man könnte darüber diskutieren, ob ein zehnjähriges Mädchen ein Musical schreiben kann das auch noch in vier Wochen, Kostüme und Bühnenbau in der Zeit zu bauen sind – und ob für eine Schülergruppe das Ganze in der Zeit überhaupt leistbar ist, bzw. ganz ohne Proben. In einem Kinderbuch geht das. Das ist nebensächlich. Wichtig ist der konsequente Weg, die Begeisterung. Das erste Drittel des Buchs behandelt den Weg zur Abstimmung: Welches Stück soll aufgeführt werden? Es gibt eine Menge Vorschläge. Sucht Argumente und präsentiert eure Ideen, sagt der Lehrer. Je besser die Argumente und die Präsentation, umso mehr Leute wird man überzeugen. Dann folgt die Abstimmung. Das nennt man Demokratie. Die Gruppen, die nicht gewonnen haben sind traurig oder wütend, so läuft Demokratie, Mehrheitsbeschluss. Immer wieder gibt es Abstimmungen, und immer wieder wird der Begriff Demokratie eingeworfen. Mir wird hier ein wenig zu viel auf dem Begriff herumgeritten. Einmal hätte die Begriffserklärung gereicht. 


Ein gelungenes Kinderbuch

Insgesamt finde ich das Buch mit kleinen Abstrichen sehr lesenswert. Sprachlich gelungen, turbulent, spannend, humorvoll, eine starke Heldin, die garantiert nicht perfekt ist und eine Menge Sorgen mit sich herumschleppt. Die Altersempfehlung des Aris Verlags wird mit ab 8 Jahren empfohlen, für mich völlig in Ordnung.


Gabriela Kasperski war als Moderatorin im Radio- und TV‑Bereich und als Theaterschauspielerin tätig. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie in Zürich und ist Dozentin für Synchronisation, Figurenentwicklung und Kreatives Schreiben. Sie schreibt Krimis und Kinderbücher.


Gabriela Kasperski 
Agentin Yeshi
Kinderbuch
Gebunden, 229 Seiten
Aris Verlag, 2020
Altersempfehlung: ab 8 Jahren



Weiteres zu Gabriela Kasperski:



Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur




Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Chronisch gesund statt chronisch krank von Dr. med. Bernhard Dickreiter

Von der Schulmedizin bis heute ignoriert: Die wahren Ursachen der chronischen Zivilisationskrankheiten – und was man dagegen tun kann Noch nie hat es so viele chronisch Kranke gegeben wie heute: Arthrose, Diabetes, Alzheimer, Rückenleiden, Krebs, Burnout usw. Der Internist, Reha-Experte und Ganzheitsmediziner Dr. med. Bernhard Dickreiter ist überzeugt, dass diese Patienten selbst aktiv etwas dagegen unternehmen können. Sein Standpunkt: Wir müssen alles dafür tun, damit es den Zellen in unserem Organismus gut geht. Jede Zelle ist von einer organtypischen Umgebung eingeschlossen, in die sogenannte extrazelluläre Matrix (EZM). Dort zieht die Zelle ihre Nährstoffe, den Sauerstoff, und hier entsorgt sie ihre Abfallstoffe. Ist die Zellumgebung nicht gesund, werden wir krank. Die Schulmedizin bekämpft meist nur Symptome: Schmerzen – Schmerztablette. Die Ursachen werden oft nicht hinterfragt, bzw. operabel versucht zu beheben: neues Knie, neue Hüfte usw. Dickreiter geht ganzheitlich vor.

Rezension - Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

  Rezepte, die du lieben wirst Der Israeli Yotam Ottolenghi hat zusammen mit seinem dreiköpfigen Küchenteam das nächste Kochbuch entwickelt. Das Team widmet sich dem Comfort Food und liefert inspirierende Gerichte, die nach Zuhause und Geborgenheit schmecken. Aber auch nach Kindheitserinnerungen und Reiseeindrücken. Comfort Food bedeutet für jeden etwas anderes, auf jeden Fall etwas wie Geborgenheit und Wohlfühlgefühl: ein Gefühl von Nostalgie, aber auch Vertrautheit. So sind über 100 Rezepte entstanden, von der Bolognese (mit asiatischen Gewürzen) bis zu Eier-Gerichten, von der One-Pot-Pasta bis zum Apfelkuchen. Rezepte, die zugleich originell aber auch vertraut und bewährt sind. Und immer mit dem gewissen Ottolenghi-Twist. Weiter zur Rezension:    Comfort von Ottolenghi und Helen Goh

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Die weiße Wölfin von Vanessa Walder und Simona M. Ceccarelli

  Das geheime Leben der Tiere (Wald, 1) Ein heftiger Sturm tost durch das Flusstal, als fünf Wolfswelpen geboren werden. Die Jüngste ist eine winzige Wölfin. Ausgerechnet sie hat enormen Mut und nimmt sich vor, die allergrößte Jägerin zu werden. Eine Leitwölfin obendrein! Sie erhält vom Rudel den Naman «Fünf». Ein Rabenschwarm begleitet stetig das Rudel, denn sie weisen den Weg zur Beute, eine Teamarbeit. Der Rabe Raak ist der beste Freund von Fünf. Eine spannende, realitätsbezogene Tiergeschichte zum Leben der Wölfe! Empfehlung für Leseanfänger ab 8 Jahren! Weiter zur Rezension:    Die weiße Wölfin von Vanessa Walder und Simona M. Ceccarelli

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Eisbären von Marie Luise Kaschnitz illustriert von Karen Minden

Marie Luise Kaschnitz war in meiner Jugendzeit meine Lieblingsautorin und so war für mich dies von Karen Minden illustriere Buch ein Genuss, Bleistiftzeichnungen, die sich wunderschön mit der Kurzgeschichte verbinden. »Eisbären«, die Novelle ist Kaschnitz-Fans geläufig: Eine Frau hatte schon geschlafen, wacht auf vom Geräusch des Türschlosses. Endlich kommt ihr Mann nach Hause. Doch er macht kein Licht. Ein Einbrecher? Seine Stimme bittet sie, das Licht nicht auszulassen. Sie soll die Wahrheit erzählen – damals im Zoo – auf wen habe sie gewartet? Weiter zur Rezension:    Eisbären – Novelle von Marie Luise Kaschnitz, illustriert von Karen Minden

Rezension - Simply Jamie von Jamie Oliver

  Jeden Tag was Gutes In fünf Kapiteln werden tägliche schnelle Gerichte, ebenso Wochenend-Wunder, bewährte Ofenrezepte bis hin zu leckeren Nachspeisen von Jamie Oliver vorgestellt. Simply Jamie ist dazu da, die Lust am Kochen zu wecken. Das Buch steckt voller köstlicher, unkomplizierter Ideen, die schnell angerichtet sind. Und der Clou: Es gibt Grundzutaten wie Soßen oder ein pochiertes Huhn usw., aus denen sich wiederum eine Menge verschiedene Varianten herstellen lassen. Weiter zur Rezension:     Simply Jamie von Jamie Oliver

Rezension - Caspar Plautz - Rezepte mit Kartoffeln von Kay Uwe Hoppe, Dominik Kli – und Theo Lindinger

  Der Marktstand Caspar Plautz auf dem Viktualienmarkt in München ist wegen seiner Kartoffelvielfalt beliebt. Dazu gehört ein kleiner, aber feiner Imbiss, der mittags im Mittelpunkt seiner Gerichte die Kartoffel würdigt. Die Kartoffel erobert im Caspar Plautz die Welt. Der Erdapfel ist wendig, anpassungsfähig, geschmacklich variabel. Das ist ein wirklich exzellentes Kochbuch, das zeigt, wie die moderne Küche sich Ideen aus aller Herren Länder greift, sie neu kombiniert – wunderbar harmoniert. Von traditionell zu Weltküche – vegetarisch zu Fisch und Fleisch – hier findet jeder seine Lieblingskartoffelgerichte. Weiter zur Rezension:    Caspar Plautz - Rezepte mit Kartoffeln von Kay Uwe Hoppe, Dominik Kli – und Theo Lindinger Theo Lindinger

Rezension - Indians! von Tibure Oger

  Der dunkle Schatten des weißen Mannes  1922, irgendwo in Amerika. White Wolf, ein ehemaliger Häuptling der Chippewa, sitzt als Zirkusattraktion vor Publikum und erzählt aus seinen Erinnerungen. Es sind Geschichten aus einem langen Leben, das bald sein Ende finden wird. Geschichten aus 400 Jahren Kolonialismus, von einseitigen Kriegen und zweischneidigen Verträgen, von Heldenmut und von Habgier. Geschichten vom wackeren Kampf der First Nations gegen den Mord an ihrem Volk und von ihrer scheinbar unausweichlichen Niederlage. Tiburce Oger hat für «Indians!» sechzehn herausragende Künstlerinnen und Künstler der Neunten Kunst versammelt, um eine Chronik der Eroberung des Westens zwischen 1540 und 1889 zu erschaffen: Die bittere Kehrseite des amerikanischen Traums, die Auslöschung von Kulturen der indigenen Völker. Sehr guter Comic, der in kleinen Graphic Novels aus der Sicht der Ureinwohner die Geschichte ins rechte Licht rückt. Weiter zur Rezension:    Indians! von Tibure Oger

Rezension - Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler

  Mischa und Nits sind beste Freunde. Mischa liebt die Poems von Nits. Und der bewundert Mischa, weil er schlau ist und ein wandelndes Lexikon über Tiere zu sein scheint. Lügen geht gar nicht, so Nits Überzeugung. Darum fragt er sich, warum Mischa dem Lehrer weismachen will, er hätte eine Chlorallergie, als der Schwimmunterricht beginnt – Nits erzählt er, die Badehose sei von Mäusen angefressen worden. Überhaupt scheint Mischa in Schwierigkeiten zu stecken – doch wohl eher sein Vater ... Nits betritt in dieser Familie plötzlich eine völlig andere Welt – die der Armut. Aber das ist ein Unterthema – Mischas Vater ist untergetaucht; Mischa und Nits werden ihn nicht im Stich lassen – aber das könnte gefährlich werden ... Spannung, Humor und ein wenig Tragik machen das Buch zu einem Leseerlebnis. Meine Empfehlung ab 11 Jahren für diesen exzellenten Kinderroman.  Weiter zur Rezension:    Feuerwanzen lügen nicht von Stefanie Höfler