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Bretonisch mit Meerblick von Gabriela Kasperski - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Bretonisch mit Meerblick 

von Gabriela Kasperski


Der Anfang: Merde alors.› Vor Schreck machte ich eine Vollbremsung. Eben noch war ich durch einen Platzregen gefahren, an einer düsteren Kirche, einem zugeparkten Dorfkern und einem Supermarkt vorbei.

Die Mieten in Zürich sind teuer. Tereza Berger, vierzig, geschieden, die Kinder sind ausgezogen, erbt von ihrer Tante eine Villa in der Bretagne, auf der malerischen Halbinsel Crozon. Die Gelegenheit, sich in eine Wabe in Zürich einzukaufen (Genossenschaftsanteil in einer nachbarschaftlichen Wohn-, Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft). Nach Frankreich reisen, verkaufen – sich in Zürich mit dem Erlös einkaufen – so der Plan. Die sogenannte Villa entpuppt sich als neobretonische Bruchbude an der Dorfstraße von Camaret-sur-Mer. Von wegen Meerblick! Den kann man nur aus dem Dachfenster genießen. Kein Wasser, Stromleitung gekappt, die Treppe ist morsch, und als Tereza zu ihrem Auto zurückkommt, das sie im Halteverbot geparkt hatte, muss sie feststellen, dass die Polizei bereits eine Kralle angelegt hat. Vielleicht würde der Verkaufspreis noch für eine Wabe in Winterthur ausreichen …

Das Haus verkaufen und weg!

Was Severin auf den Tisch legte, war ein Vertrag. Ein Kaufvertrag für das Haus. Und dazu ein Scheck mit einer Anzahlung. Hoch. Sprachlos sah ich ihn an. Mit allem hatte ich gerechnet, nur nicht damit.

Da Teresa die französische Sprache gut beherrscht und ihre Tante im Dorf sehr beliebt war, bekommt sie schnell Kontakt zu den Einheimischen. Als ihr der Kölner Maler, namens Severin, der das Künstlerdorf zu einer Touristenattraktion machen will, ihr ein phänomenales Kaufangebot macht, ihr einen Scheck für die Anzahlung über den Tisch reicht, rückt die Wabe in Zürich wieder näher. Der attraktive Severin füllt Teresa ab. Am nächsten Morgen wacht sie mit einem Brummschädel am Boden ihrer Küche auf – wie ist sie nach Hause gekommen? Auf dem Tisch eine Flasche Wein, zwei Gläser? Hatte sie Severin abgeschleppt? Sie kann sich an nichts erinnern. Der Künstler wird ihr die Antwort schuldig bleiben, denn er wird tot am Strand aufgefunden. Im Laufe der Ermittlung gerät Tereza immer bodenloser unter Mordverdacht. Merkwürdige Indizien werden gefunden. Es gibt nur einen Ausweg für sie: Sie muss herausfinden, was hier vor sich geht. Und warum werden jede Nacht ihre Fensterscheiben beschmiert. Man will sie vertreiben, sie ist für einige Leute unerwünscht im Ort. Gleichzeitig will man ihr auch noch den Mord in die Schuhe schieben.

Spannende Urlaubslektüre

Leider wird schon im Klappentext verraten, wohin die Reise am Ende gehen wird. Schade, hier wird eine feine Entwicklung vorweggenommen, die sich Stück für Stück entblättert, wohldosiert und temperiert in die Geschichte als eigener Strang eingearbeitet. Eine sympathische Protagonistin, ein wenig chaotisch, interessante Nebenfiguren, eine skurrile Frauentruppe und ein Krimi, der häppchenweise Licht ins Dunkel bringt, ein sehr spannendes letztes Drittel – alles stimmig und nachvollziehbar. Gabriela Kasperski schafft es, Stimmung in ihren Krimi zu bringen, bretonische Atmosphäre der Naturgewalten, Kulinarisches und den modernen Zwist der Generationen: Alt gegen neu. Autofreie Zone im Ort, eine Künstlerecke, Touristenattraktionen: Surfschule, Veranstaltungen, Piraten und alte Mythen … Das möchte die eine Hälfte – die andere Seite will alles belassen, so, wie es ist. Die Autorin führt uns in den Ort mit allen Schönheiten, Widersprüchen und Abgründen, bretonische Mythen inklusive. Ein spannender Regiokrimi, der mir gut gefallen hat.

Sprach-Chichi

Eins hat mir persönlich missfallen. Nicht nur, weil ich ein gestörtes Verhältnis zur französischen Sprache habe – ein Chi-Chi von deutschen Autoren, die Regiokrimis im Ausland spielen lassen: Das ständige Einbauen der Landessprache wo es keinen Sinn ergibt. Nehmen wir einen französischen / italienischen / japanischen Roman, der übersetzt wird: Alles wird ins Deutsche übertragen, nur Eigennamen bleiben. In Regiokrimis wird gern die Fremdsprache eingearbeitet – so, wie es keinen Sinn ergibt. In diesem Krimi kam mir schlicht zu viel Französisch vor – eben unlogisch angewandt. Eine Schweizerin in Frankreich, der Sprache mächtig – der Text in Deutsch geschrieben. Warum bitteschön fließen auf jeder Seite französische Sätze ein. Die Verdopplung ist unlogisch!

Es geht um Liebe. Mon dieu, l’amour, quelle force. Welche Kraft sitzt in der Liebe.

Klar, man sollte den Lesern, die der Fremdsprache nicht mächtig sind, eine Übersetzung bieten. Aber der Dialog ist falsch! Die Person, die hier spricht, redet nicht zweisprachig, wiederholt den Satz nicht in einer anderen Sprache. Die zweite Version ist die Wiederholung. Jemand spricht in der Landessprache und der Dialogpartner wiederholt den Satz auf Deutsch – bevor er darauf eingeht. Oder aber, der Erzähler wiederholt für den Leser: «Hier sagen wir, was wir denken. Wir machen keine visage inpénétrable.› Ein Pokerface. Was für ein passender Ausdruck.» – Für mich sind das nicht nur unlogische, gestelzte Dialoge, bzw. Einschübe, sie hemmen auch meinen Lesefluss. Erstens stolpere ich über den Sprachwechsel mitten im Satz, bzw. den ganzen Satz, und sobald ich ihn nicht verstehe, denke ich erstmal nach – auch wenn ich weiß, die Erklärung folgt. Eine typisch deutsche Eigenart des typisch deutschen Regiokrimis, der im Ausland spielt. Hier hat es mich eben geärgert, weil auf jeder Seite diverse französische Sätze, Halbsätze, Brocken vorkommen. Komischerweise gibt es diese Unsitte nur in Romanen, die in Frankreich und Italien spielen.

© Gabriela Kasperski
Gabriela Kasperski war als Moderatorin im Radio- und TV‑Bereich und als Theaterschauspielerin tätig. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie in Zürich und ist Dozentin für Synchronisation, Figurenentwicklung und Kreatives Schreiben.


Hier geht es zum Artikel:   Was sind Regiokrimis? - von Gabriela Kasperski





Gabriela Kasperski

Bretonisch mit Meerblick
Kriminalroman, Regiokrimi
Broschur, 256 Seiten
Emons Verlag, 2020

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