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Die Schanze von Lars Menz - Rezension

Rezension
von Sabine Ibing




Die Schanze von Lars Menz

Ein nächtliches Dorf, nur die beleuchtete Skischanze ragt empor. Mit einem elektrischen Viehtreiber wird ein Mann zur Schanze getrieben. Am höchsten Punkt stößt ihn sein Peiniger hinab – ein Seil um den Hals. Es beginnt relativ spannend, allerdings ausufernd grausam. Nach der Eingangsszene werden einige Personen vorgestellt, ihre Beziehung untereinander, Erinnerungen an damals. Eigentlich ist nichts passiert, als man bei Seite 250 von 300 angelangt ist. Literarisch ein wenig ungelenk, spannungslos; es ermittelt auch niemand. Schnell glaubt man zu wissen, wer der Mörder ist – und am Ende ist es wirklich genau diese Person. Zu offensichtlich gleich am Anfang ein Hinweis. Der Grund ist nicht erarbeitet, wirkt dann völlig deplatziert. Den Thriller kann sich sparen; zumal eine Message gibt es nicht.

«‹Ellen Roth ist wieder da›, sagte er nach einer Weile, ‹das lässt sich nicht ignorieren.›
‹Erzähl mir was, das ich nicht weiß. Ein Zufall?› 
‹Bitte, Karl. Die Roth kommt nach zig Jahren wieder hierher, und das Erste, was sie tut, ist, meinen Sohn umzubringen? Das ist doch absurd.› Gruber versenkte sein Gesicht in den Händen. 
‹Sie hat ein Motiv, Rüdiger.›
‹Ja, tatsächlich, das hat sie.›»

Ellen Roth hatte sofort nach dem Abi das Dorf verlassen, um Medizin zu studieren – aber irgendetwas war vorgefallen. Nun ist sie nach mehr als 20 Jahren zurück, um die Arztpraxis im Ort zu übernehmen.
Als Ellen bei einem Spaziergang den Toten an der Schanze hängen sieht, erstarrt sie in Panik. Sie kennt das Opfer. Als Erstes hatte ihn der pensionierte Polizist Haußer entdeckt und Merab, der Lokaljournalist ist zur Stelle, der seine erste große Story wittert. Noch ein paar andere Dorfbewohner werden eingeflochten – die Polizei kommt nicht vor. Jeder weiß genau, warum der Sohn des Bürgermeisters sterben musste, ihm folgt auch sein Bruder. Es kann kein Zufall sein, dass der Mord ausgerechnet jetzt geschieht, als Ellen zurückkehrt. Irgendjemand will die Vergewaltigung von damals rächen, die niemand ausspricht. Sie steht ständig als Elefant im Raum. Stück für Stück werden Menschen vorgestellt und an damals erinnert. 

Am Ende ist der Mörder eine Person, die der Lesende von Anfang an auf dem Schirm hatte – weil er Ellen schon immer geliebt hat. Ach mein Gott! Was wollte uns Lars Menz mit diesem Buch (Thriller mag ich es nicht nennen) sagen? Ich empfand den Roman recht langweilig, eine Erzählung ohne Spannung, die Sprache recht ungelenk, hölzern, ungeschickt im Ausdruck und Stil, macht auch das keinen Spaß; die Figuren oberflächlich und klischeehaft. Insbesondere der Mörder kommt selten vor, aber mit einem so prägnanten Hinweis am Anfang, dass man beim Lesen darüber stolpert. Man erfährt rein gar nichts über die Person – nur am Ende, die große Liebe musste nach über 20 Jahren gerächt werden. Wie absurd! Eine noch immer traumatisierte Frau, die zurückkehrt an den Tatort? Psychologischer Humbug. Hier wird nicht ermittelt, es gibt keine interessanten Handlungen, Vorkommnisse – es sind sich ja alle einig: Es ist wegen der Ellen! Was seitens der Polizei und Kripo ermittelt wird, wie sie arbeitet, bekommt man nicht mit; es wird auch niemand dieser involvierten Personen vernommen. Wahrscheinlich sind gerade alle Polizisten im Urlaub. Sind Ärztin Ellen und Journalist Merab etwa als Ermittler vom Autoren in diesem Plot eingesetzt? Kann nicht sein, denn sie stellen sich lediglich ein paar Fragen. Sie sind keine Schnüffler, die Geheimnisse aufdecken. Aber es gibt einige unglaubwürdige Handlungen, die bei mir nur Kopfschütteln hervorgerufen haben.

Die beiden Morde werden bis in die letzte Einzelheit lustvoll in aller Grausamkeit der Quälerei beschrieben. Wozu? Ein lahmer Journalist, der so gar nicht auf Zack ist, welche Funktion hat er? Er ist der Latin-Lover, den man anscheinend benötigt; Sex sells. Um einen guten Thriller zu konstruieren? Genau das alles gehört nicht unbedingt in einen Thriller, sondern ich persönlich erwarte eine intelligente, spannende Geschichte, die eine Message beinhaltet, sprachlich niveauvoll. Ich hatte ja noch die Hoffnung, dass sich hier ein Umweltskandal verbirgt, da anscheinend jeder zweite Dorfbewohner mit einem Karzinom zu kämpfen hat. Leider nicht. Der gesamte Plot ließ mich ratlos zurück. Querlesen bleibt da nicht aus. Vom Ullstein Verlag war angekündigt: «Ein Thriller wie eine unaufhaltsame Lawine, die alles und jeden mitreißt» – es hat mich umgehauen, den Lesern eine solch unglaubwürdige und langweilige Geschichte vorzusetzen! Bitte, liebe Leute, druckt weniger Bücher, dafür niveauvolle. Der Lesende fühlt sich verkaspert, wenn er das Gegenteil von dem erhält, was ihm angeboten wird. Und leider ist mir das bei Ullstein in letzter Zeit mehrfach passiert. Früher mal ein Verlag, der für Qualität stand.


Lars Menz, geboren 1972 in Bremen, hat Geografie, Stadtplanung und Politik studiert und arbeitet alsDer Lesende fühlt sich verkaspert, wenn er das Gegenteil von dem erhält, was ihm angeboten wird. Und leider ist mir das bei Ullstein in letzter Zeit mehrfach passiert. Früher mal ein Verlag, der für Qualität stand. Journalist. Er hat einen Roman und mehrere Kurzgeschichten veröffentlicht, für die er unter anderem beim Schreibwettbewerb des Literaturhauses Zürich ausgezeichnet wurde. Mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern lebt er in Hannover. Die Schanze ist sein erster Thriller.
Lars Menz
Die Schanze
Thriller
Taschenbuch, 304 Seiten 
Ullstein Verlag, 2025




Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller


Kommentare

  1. Ein Buch öffentlich so dermaßen zerreißen, da kommt mir der Gedanke, das muss man wohl nötig haben, um sich selbst zu profilieren. Ich habe Die Schanze gerade in 3 Tagen verschlungen. Ja, die Polizei habe ich auch vermisst, aber das war mir egal. Ich war gefesselt von der Geschichte und der Schreibstil war mal erfrischend anders. Man sollte in einer öffentlichen Rezension auch noch Platz für andere Meinungen lassen...

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    1. Anonym? Es hört sich an, als echauffiere sich hier der Autor. Ich habe begründet, warum mir das Buch auf allen Ebenen nicht gefallen hat. Kunst ist Geschmack. Der ist eben bei jedem anders gelagert und darüber kann man nicht streiten. Dazu kommt das Handwerk - auch das habe ich kritisiert. Weil es so ist. Jedes Buch findet Liebhaber und welche, die es nicht mögen. Und warum soll man nicht öffentlich seine Meinung sagen dürfen? Ist das jetzt verboten?

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