Direkt zum Hauptbereich

Sam und die Evolution von Andrea Grill und Raffaela Schöbitz - Rezension

 Rezension

von Sabine Ibing



Sam und die Evolution 


von Andrea Grill und Raffaela Schöbitz

Eine kurze Geschichte der Evolutionsbiologie


Völlig begeistert muss ich euch dieses Buch vorstellen: Evolutionsbiologie - spannend erzählt in eine Erzählung eingebunden. Alles beginnt mit einem Käfer, den Samuel findet. Er berichtet uns seine Geschichte. Seine Mutter ist Evolutionsbiologin und Käferforscherin. Sein Käfer ist eine neue Art, die Mutter ist beeindruckt. Was heißt hier eine neue Art? Es ist ein Käfer, oder? Wir teilen Flora und Fauna in Gattungen ein. Aber seit wann und wozu ist das gut? Die Story ist in einer Art Tagebuch geschrieben, bei der Samuel aber immer wieder auf die Evolution zurückkommt und uns nebenbei Philosophisches erklärt und daraus resultierend die Schritte bis zur Evolutionstheorie von Charles Darwin und darüber hinaus.






Als Erstes wird das Weltbild des Aristoteles vorgestellt, der 384 v. Chr. lebte, dazu ein Streitgespräch mit Platon. Es geht weiter mit einem Streitgespräch mit seinem Schüler Lykeion - alles verständlich und kindgerecht umgesetzt. Zwischendurch erfahren wir immer wieder etwas über Samuel, der ja nun durch seinen Käfer selbst ein kleiner Forscher geworden ist. Es geht weiter mit Thomas von Aquino und es folgen Carl von Linné, Jean-Baptiste de Lamarck, Gregor Johann Mendel, Alfred William, Charles Robert Darwin, geht über Bertha von Suttner und endet bei den zeitgenössischen Evolutionsbiologinnen Barbara Rosemary Grant und Katie Peichel. Der Weg der Wissenschaft ging natürlich über die Philosophie, bei der Region eine große Rolle spielte – manches wissenschaftliche Denken war früher sogar brandgefährlich.



Die Geschichte rund um Sam und seine Mutter Fritza ist spannend, denn der arme Sam muss zwischendurch eine schlimme Krankheit durchmachen. In zehn Großkapiteln zur Evolutionsbiologie wird der Kontext ihrer jeweiligen Zeit erklärt, welche Vorstellungen die Menschen zur Entstehung der Arten hatten und welche «Wertigkeit» sie Tieren zuschrieben, wie weit der Kenntnisstand der Wissenschaft war. Etwas, das anfänglich ja eine philosophische Auseinandersetzung des Wesesens und des Seins war. In diesem Zusammenhang fehlt mir eine wichtige Kulturanschauung, nämlich die der Kulturvölker, die sich nie selbst über Tiere und Pflanzen erhoben haben, sich als Kreislauf der gesamten Natur verstanden, im respektvollen Umgang mit allen Lebewesen. Andrea Grill zeigt maßgebende Persönlichkeiten, bindet diese Biografien geschickt in die Geschichte von Sam ein und erklärt sehr verständlich die jeweiligen Überlegungen, bzw. wissenschaftlichen Erkenntnisse. Man kann an diesem Buch auch erkennen, wie weit philosophisches Reflektieren in der Wissenschaft wichtig ist – in unserer technischen Welt mehr als zuvor. Insgesamt ein Rundumpaket, das anschaulich einen geschichtlichen Abriss zur Evolutionsbiologie wiedergibt.


Unterfüttert sind die Informationen mit Grafiken von Raffaela Schöbitz, die in Segmenten eingestreut sind. Besonders gut haben mir die kleinen Comic-Einschübe gefallen, die ein Bild aus dem Leben der historischen Personen wiedergeben, um ein Gefühl für gesellschaftliche, politische und geschichtliche Konstellationen zu geben. Ein komplexes Thema, leicht erklärt durch eine erfrischende Grundgeschichte. So macht Sachbuchlesen Spaß! Ein Kindersachbuch, das in keiner Schule als Unterrichtsmaterial fehlen sollte. Ganz sicher ist dieses Buch nicht nur für Kinder interessant – Eltern werden es gleichfalls spannend finden. Der Tyrolia Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 12 Jahren, dem schließe ich mich an.



Andrea Grill, geb. 1975 in Bad Ischl, studierte Biologie, Italienisch, Spanisch und Sprachwissenschaft, forschte in Sardinien zur Evolution der Schmetterlinge und promovierte 2003 an der Universität von Amsterdam. Sie ist Biologin, Übersetzerin und Schriftstellerin und erhielt für ihre Werke mehrere Auszeichnungen. Ihr Roman «Cherubino» war 2019 für den Deutschen Buchpreis nominiert. 2021 wurde Andra Grill für ihr bisheriges literarisches Schaffen mit dem Anton-Wildgans-Preis ausgezeichnet. 


Raffaela Schöbitz, geb. 1987, lebt und arbeitet als freischaffende Illustratorin und Autorin in Wien. Für Ihre Bilderbücher und Graphic Novels wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet (u. a. Kollektion Österr. Kinder- und Jugendbuchpreis, IBBY, World Illustration Award). Am liebsten arbeitet sie mit Bleistift, Tusche und Aquarell, häufig auch mit Mixed-Media-Collagen und mit digitalen Medien.



Andrea Grill, Raffaela Schöbitz
Sam und die Evolution
Eine kurze Geschichte der Evolutionsbiologie
Kinderbuch, Kindersachbuch, Unterrichtsmaterial, Evolution, Evolutionsbiologie, Philosophie, Geschichte, Biologie
Gebunden, 146 Seiten
Tyrolia Verlag, 2022
Altersempfehlung: ab 12 Jahren



Forscher und Weltentdecker in der Kinder- und Jugendliteratur

Kleine und große Forscher und Entdecker, das soll hier das Thema sein. Forscher, Erfinder, Entdecker - wer waren sie und was haben sie entdeckt - erfunden. Naturwissenschaft für Kinder. Entdecke selbst die Welt und wie sie funktioniert! Hier meine Empfehlungen für alle Altersgruppen in der Kinder- und Jugendbuch Abteilung: Forscher und Weltentdecker in der Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendbücher zum Thema Natur

Die Natur fasziniert uns jeden Tag auf Neue. Es gibt so viel zu lernen. Pflanzen, Tiere, Landschaften. Viele Orte, Pflanzen oder Tiere werden wir nie kennenlernen. Aber zum Glück gibt es Bücher, die uns die Schönheiten und Besonderheiten unserer Welt erklären und zeigen. Hier meine Tipps zu Kinder- und Jugendbüchern, die sich mit der Natur beschäftigen:   Kinder- und Jugendbücher zum Thema Natur




Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Das Nest von Sophie Morton-Thomas

  Ein Küstenort in Großbritannien, wo das Marschland auf den Ozean trifft, wo Vögel die bessere Gesellschaft sind, lebt Fran eine ereignislose Routine. Sich um den Campingplatz kümmern, der mit Mobilheimen ausgestattet ist, ihren Sohn von der Schule abholen, Abendessen kochen. Mit Dom, ihrem Mann, läuft es nicht mehr so, ihre Schwester lebt mit ihrer Familie in einem Wagen, zahlt keine Miete, dem Schwager hatte sie den Entzug finanziert und jetzt trinkt er wieder, hat keine Arbeit. Freude findet Fran nur an den verschiedenen Vogelarten, die sie am Strand beobachten kann; sie hat auch ein Häuschen zur Beobachtung finanziert. Und nun entdeckt sie ein Nest mit einer seltenen Vogelart, hofft, dass die Jungen ausschlüpfen werden. Und verschwindet die Lehrerin … Ein leiser Thriller. Weiter zur Rezension:    Das Nest von Sophie Morton-Thomashttps

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Dunkle Sühne von Karin Slaughter

  Gesprochen von NinaPetri  Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 19 Stunden und 55 Minuten  Willkommen in North Falls - einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt. Das glauben zumindest alle. Bis zum großen Feuerwerk am 4. Juli . Als in dieser Nacht zwei Teenager-Mädchen verschwinden, ist die Stadt in Aufruhr. Für Deputy Emmy Clifton wird der Fall zur Bewährungsprobe – beruflich und persönlich, ihr Vater ist der Sheriff der Kleinstadt. Eines der vermissten Mädchen ist die Tochter ihrer besten Freundin, und Emmy weiß, dass sie sie nach Hause bringen muss, um eine alte Schuld zu begleichen. Doch je tiefer Emmy in die Ermittlungen eintaucht, desto stärker wird ihr bewusst, dass hinter den vertrauten Gesichtern der Kleinstadt dunkle Abgründe lauern. Ein klasse Auftakt für eine Serie,  Copkrimi , Whodunnit , ein düsterer, stimmungsvoller literarischer Krimi aus den ländlichen Südstaaten, gut aufgebaute Charaktere, toxische Männlichkeit , Spannung, Familiendramen, Wendun...

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Aggie und der Geist von Matthew Forsythe

  Aggie freut sich darauf, endlich in ihr eigenes Haus einzuziehen – bis sie feststellt, dass dort bereits ein Geist wohnt. Das Zusammenleben läuft mehr schlecht als recht; nirgendwo hat sie ihre Ruhe. Also stellt Aggie Regeln auf. Doch der Geist hält sich leider nicht gerne an Regeln, bricht sie alle. Aggie fordert ihn völlig entnervt zu einem Wettkampf in Tic-Tac-Toe heraus – wer gewinnt, bekommt das Haus. Ein herrliches Bilderbuch an 4 Jahren, das mit viel Humor geschrieben ist und eine Menge Diskussionen zum Zusammenleben bietet. Weiter zur Rezension:    Aggie und der Geist von Matthew Forsythe