Rezension
von Sabine Ibing
Mit Mantel und Worten
von Flore Vesco und Kerascoët
Serine entspringt einer verarmten Adelsfamilie und wächst in einem großen Herrenhaus mit Bediensteten auf. Ihre Eltern investieren das wenige Geld, das sie besitzen, in Benimm- und Haltungskurse, obwohl Serine lieber lesen gelernt hätte. Der Papa ist ein großartiger Geschichtenerzähler – doch er stirbt früh und die Familie stürzt immer tiefer in die Armut. Die Mutter sieht nur einen Weg für Serine: Die Kinder müssen ins Kloster eintreten; die Mädchen könnten vielleicht noch standesgemäß verheiratet werden, voran Serine. Aber die wäre gern Gesellschafterin der Königin. Und so macht sie sich auf in den Königspalast.
Dort treten sich die Gesellschaftsdamen gegenseitig auf die Füße. Doch keine der zahlreichen jungen Frauen ist in der Lage, die Launen ihrer herrschsüchtigen Königin zu befriedigen. Mit ihrem Gefallen an skurrilen Wörtern und mit ihrem Schabernack bringt das lebenslustige Mädchen Serine schnell einen Hauch von Wahnsinn an den königlichen Hof, deckt am Ende eine Verschwörung auf. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg, und Serine muss viele Niederlagen einstecken, wird vom Hof verbannt, kommt verkleidet zurück. Ein Glück weiß Serine ihr Wort so schlagfertig zu führen wie ein Musketier den Degen…
Das französische Autor:innenduo Kerascoët hat den wendungsreichen Kinderroman, von Flore Vesco als Comic umgesetzt, der zur Barockzeit spielt. Serine lernt eine eitle, launische und fiese Königin kennen, einen schwächelnden König, einen dunklen, verführerischen Staatssekretär mit Geheimnissen, einen fleißigen Henkerlehrling, der Serine seine Foltermethoden erläutert, und einen ganzen Hofstaat von Untertanen, von denen sich einer lachhafter benimmt als der andere. Witzig, spritzig turnt Serine dem Hofgefolge auf der Nase herum. Mit ihrer Naivität und ihrem im Blut liegenden Ungehorsam fällt sie zwar misslich auf, gleichzeitig auch erfrischend. Da sie gleichzeitig schlagfertig ist, rettet sie sich aus den meisten Situationen heraus. Doch irgendwann ist es der Königin zu viel und sie wird gekündigt. Serine braucht aber nicht lange, um durch die Hintertür als maskierter Hofnarr des Königs wieder hereinzuschlüpfen und wirbelt den gesamten Hofstaat nun noch mehr durcheinander. Denn der Narr kann sich fast alles erlauben ... Nebenbei lernt sie die verborgene Seite des Hofes kennen: die Machenschaften, die Heuchelei und die Intrigen ... und versucht, ein Komplott gegen den König zu vereiteln.
Nette Figuren auf den ersten Blick: eine nette Familie, die dann auseinanderfällt. Ein netter Hofstaat, der sich als grotesk entpuppt. Aber auch Serine ist nicht ohne – sie weiß sich wohl zu rächen. Serine sich mit dem Sohn des Henkers anfreundet, der ihr mit Stolz zeigt, wie man foltert und mit dem Beil umgeht (der in Wirklichkeit, ohne es zu wissen, jemand ganz anderes ist). Für Spannung ist gesorgt, und die herrlichen Zeichnungen karikieren die Handlung zusätzlich. Skurrile Typen, eine rasante, wendungsreiche Graphic Novel mit viel Humor, ebenso rasant-skurril gezeichnet. Die Grafiken sind hell ausgelegt, Zeichenstift und Pastellfarbene Töne – die Figuren detailliert in Szene gesetzt. Klasse Comic, ein rasantes Märchen! Der Reprodukt Verlag hat keine Altersempfehlung gegeben, von mir ab 10 Jahren, Allage. Empfehlung!
Unter dem Pseudonym Kerascoët haben sich die 1978 in Brest geborene Marie Pommepuy und der 1975 in Paris geborene Sébastien Cosset in Frankreich einen Namen gemacht. Der Künstlername Kerascoët – ein kleiner Ort in der Bretagne, in dem Marie Pommepuy aufgewachsen ist – wurde aus der Not geboren, nachdem die beiden eine gemeinsame Illustration für ein CD-Cover signieren wollten, dann aber realisiert haben, dass auf dem kleinen Format nicht Platz genug für beide Namen vorhanden war. Marie Pommepuy zog im Alter von achtzehn Jahren nach Paris, um Angewandte Kunst und später wissenschaftliches Zeichnen zu studieren. In dieser Zeit traf sie auf den Architekturstudenten Sébastien Cosset. Beide eint eine große Leidenschaft für Comics und gemeinsam haben sie seitdem mehrere Alben für die Serien «Fräulein Rühr-mich-nicht-an» und «Donjon – Abenddämmerung» gezeichnet. Neben ihren Comic-Projekten arbeiten Kerascoët auch als Illustratoren und Modedesigner. Einblick in ihre Arbeit geben sie auf ihrem Blog.
Flore Vesco wurde 1981 in Paris geboren. Anstatt alles auf ihr Aussehen zu setzen, hat sie ein sehr langes Studium absolviert, Literatur- und Filmwissenschaften. Sie hat als Lehrerin gearbeitet. Heute lebt Flore Vesco in der Nähe von Paris. Sie liebt Anagramme, Rebus, Listen und alles, was Blasen hat (Champagner, Schaumbäder, Comics). De Cape et de Mots ist ihr erster Roman.
Flore Vesco, Kerascoët
Mit Mantel und Worten
Originaltitel: De Cape et de mots
Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock
Graphic Novel, Comic, Französische Literatur, Märchen
Hardcover, 104 Seiten, farbig, 19 x 25,5 cm, Handlettering von Michael Hau
Reprodukt Verlag, 2022
Altersempfehlung: von mir ab 10 Jahren
Graphic Novel, Comic, Grafisches
Kinder- und Jugendbücher - 10 bis13 Jahre
Kinder- und Jugendliteratur
Kommentare
Kommentar veröffentlichen