Rezension
von Sabine Ibing
Minik - Aufbruch ins weite Meer
von Antonia Michaelis
Ich habe kürzlich aus dieser neuen Serie «Die weiße Wöfin» vorgestellt: Das geheime Leben der Tiere (Wald) und dies hier ist der erste Band zum Lebensbereich Ozean. Man kann die beiden Bücher schwer miteinander vergleichen. Bei der Wölfin handelt es sich um eine spannende Abenteuergeschichte, das Leben einer Wölfin aus der Sicht des Tieres. Diese Geschichte wird aus der Sicht eines Erzählers berichtet, der erklärt, was Minik tut und denkt, das Drumherum erklärt. Minik ist ein junger Seehund, der seinen Lebensraum neugierig erkundet – was eher einem Sachbuch ähnelt. Zwischendurch sind zusätzlich keine Sachtexte mit Hintergrundwissen eingeschoben. Es ist alles richtig, was hier berichtet wird – letztendlich doch ziemlich entmutigend, der Lebensbereich Ostsee, der nicht lebenswert ist.
Nicht nur das Jetzt ist hier gefährlich, die Geisternetze und all das. Nicht nur das Morgen mit dem zu warmen Wasser und den Algen, die alles dunkel machen. In diesem Meer ist auch das Gestern gefährlich.
Im Spätsommer macht sich der kleine Seehund Minik sich auf den Weg in die Ostsee, einem geheimnisvollen inneren Klang folgend. Was klingt denn da? Es wird nicht erklärt. Gleich lauert die erste Gefahr auf ihn. Er landet in einem Fischernetz. Ein Buckelwal namens Lottazwei hilft ihm heraus, und er wird dem Freund mehr als einmal das Leben retten. Minik kann sich einmal ravagieren. Die Ostsee ein gruseliges Gebiet für die Tiere, sie steckt voller Gefahren, die zumeist von Menschen ausgehen. Dreck, Gift, Lärm, tödliche Algen (an denen auch die Menschen schuld sind), Schiffe, Fischer, Nordstram 1 + 2, Bohrtürme, Windräder, Rohöl – am Ende staunt man, dass es überhaupt noch Leben in der Ostsee gibt.
Minik triff neben dem Buckelwal auf Schweinswale und Kegelrobben aber auch Fische und Vögel. Die junge Robbe kennt sich nicht aus, lässt sich alles von den Tieren erklären. So entsteht keine spannende Geschichte, sondern ein Summieren von sämtlichen Umweltkatastrophen und -schäden und Gefahren für die Tierwelt. Das ist völlig richtig – und hier wird nichts ausgelassen, bis hin zum Schmieröl, dass beim Bau von den Nordstream-Rohren den Lebensraum bedrohte. Als Kinderroman kann mich das nicht überzeugen. Hier hätte ich lieber eine spannende Geschichte gehabt, in die die wichtigsten Dinge nebenbei eingeflossen wären. Die Informationen sind wichtig – auch interessant die Sacheinschübe. Aber diese Informationen sind für mich besser in einem gut illustrierten Sachbuch aufgehoben. Das Buch kritisiert mit Recht – aber ein Kinderroman bedarf einer Geschichte und die wiederum braucht Mut und helle Momente mit einem Licht am Ende. Das hier ist ein Frustbuch! Folgendes ist mir auch aufgestoßen: Die Robbe redet mit anderen Tieren, sogar mit Menschen – versteht vieles nicht, was Menschen machen, wie sie Muscheln, die sie an die Ohren halten und Richtung Tiere richten, damit klicken. Komische Landboote kommen auf Minik zugerollt, die an den Seiten Halme ausspucken; auf denen ein Mensch sitzt. Ein Tier erklärt, auf den Halmen wachsen Körner, die die Menschen essen. Immer wieder erklären schlaue Tiere die Menschen ... man fragt sich, woher sie das wissen. Auf der einen Seite textlich völlig sachbezogen, auf der anderen Seite abstrakt und irreal. Eine sehr merkwürdige Art, Sachwissen zu erklären. Bei der Wölfin steckte man im Tierreich, war eins mit der Natur und ihrem Blick, ihrem Gefühl. In diesem Buch wirkt alles ziemlich aufgepfropft. Es fühlt sich so an, als hätte die Autorin 30 Mappen voll Information gesammelt, die sie irgendwie in eine Geschichte klemmen müsste. Für den die Wölfin Daumen ganz hoch, für den Seehund leider runter.
Selbst die Schwarz-Weiß-Illustrationen von Verena Körting haben mir nicht so gut gefallen wie die feingliedrigen Illustrationen bei der Wölfin. Diese hier sind recht grob und verschwommen. Der Loewe Verlag gibt eine Altersempfehlung von ab 8 Jahren. Das ist für mich in Ordnung.
Bände dieser Reihe:
Band 1: Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - Minik - Aufbruch ins weite Meer
Band 2: Das geheime Leben der Tiere (Ozean) - Minik - Der Ruf der Arktis - erscheint im August
Antonia Michaelis lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie an der Ostseeküste. Ihre Romane für Jugendliche und Erwachsene sind hochpoetische soziale Dramen, die den Leser an die Grenzen der Wahrnehmung und der Gesellschaft führen. Die Autorin war mit ihrem Jugendroman „Der Märchenerzähler“, der zahlreiche Ehrungen erhalten hat, für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. In Madagaskar, wo sie mit ihrer Familie für zwei Jahre lebte, hat sie 2019 ein Schulprojekt für ärmste Kinder auf die Beine gestellt (les-pigeons.mg).
Verena Körting wurde in Köln geboren und wuchs auch dort auf. Nach dem Kommunikationsdesign-Studium an der FH Düsseldorf zog sie nach Hamburg und arbeitete dort als Grafikdesignerin, was ihr aber auf Dauer zu langweilig war. Seit 2010 illustriert sie, mittlerweile hauptberuflich, für verschiedene Kinderbuchverlage. Sie lebt und arbeitet in Köln.
Minik - Aufbruch ins weite Meer
Das geheime Leben der Tiere (Ozean, Band 1)
Kinderbuch, Natur, Ostsee, Seehunde, Umwelt, Umweltschutz, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover mit Relieflack, 192 Seiten, 15.3 x 21.5 cm
Loewe Verlag, 2022
Altersempfehlung: ab 8 Jahren
Die weiße Wölfin von Vanessa Walder und Simona M. Ceccarelli
Ein heftiger Sturm tost durch das Flusstal, als fünf Wolfswelpen geboren werden. Die Jüngste ist eine winzige Wölfin. Ausgerechnet sie hat enormen Mut und nimmt sich vor, die allergrößte Jägerin zu werden. Eine Leitwölfin obendrein! Sie erhält vom Rudel den Naman «Fünf». Ein Rabenschwarm begleitet stetig das Rudel, denn sie weisen den Weg zur Beute, eine Teamarbeit. Der Rabe Raak ist der beste Freund von Fünf. Eine spannende, realitätsbezogene Tiergeschichte zum Leben der Wölfe! Empfehlung für Leseanfänger ab 8 Jahren! (Wald, Band 1)
Weiter zur Rezension: Die weiße Wölfin von Vanessa Walder und Simona M. Ceccarelli
Kinder- und Jugendliteratur
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