Rezension
von Sabine Ibing
FING
von David Walliams und Tony Ross
Das ist eine explosive-absurd-komische Geschichte, die auch aus der Feder von Tony Ross stammen könnte, der das Kinderbuch illustriert hat. Myrtle Milde ist ein Kind, das man nicht einmal seinem ärgsten Feind wünscht! Sie ist ein wütendes, tobendes, kreischendes, zerstörendes Etwas, wenn sie nicht sofort und unverzüglich bekommt, was sie will. Ihre Eltern sind halt milde, besorgen alles, was sie beansprucht. Alles! Aber sie will immer nur mehr, mehr, MEHR! Als Myrtle ihren Eltern erklärt, dass sie zum 10. Geburtstag ein FING haben möchte und NICHTS anderes, gibt es ein Problem: Was ist ein FING?
Warnung!
Niemals ein Fing im Haus halten.
Ein schlimmeres Haustier
ist nicht denkbar.
Euch ist der Untergang gewiss!
Im Kellergewölbe der Bibliothek werden die Eltern in der Enzyklopädie der Monster fündig. Sie versuchen, Myrtle zu beruhigen, sie zu überzeugen, dass ein Fing gefährlich sei. Doch die bleibt stur: Ich will ein Fing! Myrtles Vater macht sich auf den weiten, weiten Weg, einen Fing zu finden und landet schließlich im tiefsten, dunkelsten, dschungeligsten Dschungel, wo die seltensten und schrecklichsten Kreaturen hausen. Und tatsächlich wird er fündig! Aber ob Myrtle von ihrem FING auch wirklich begeistert ist …?
Gemeinsam mit dem Vater, der im Mittelpunkt der Geschichte steht, begeben wir uns auf eine abenteuerliche und sehr vergnügliche (für uns zumindest, für den Vater eher nicht) Suche nach dem FING. Warnung! Entweder man lacht sich schlapp über diese rasante, superlustige und genial-absurde Story und liebt sie – oder man knallt das Buch in die Ecke und schimpft über durchgeknallten Mist. Lieben oder hassen, dazwischen gibt es nichts! Ich liebe dieses Kinderbuch! Wer Tony Ross Fan ist, wird diese schwarzhumorige Satire mögen – nicht nur, weil dieser Kinderbuchautor (einer meiner Liebsten) die Grafiken zu dem Buch lieferte. Walliams und Ross – das passt wie Faust aufs Auge! Roald Dahl reiht sich hier ein; wer den nicht mag, wird auch den Fing absurd finden. Aber ein Hoch auf die Satire, auf die Fantasie und das Abstruse! Diese Kinderfigur passt genau in unsere Welt: Myrtle ist laut, aggressiv und abscheulich in ihrer unersättlichen Gier: Ich will! Ein terrorisierendes Monsterkind, ein echter Satansbraten. Dagegen ein Elternpaar, die sich gegenseitig 'Mutter' und 'Vater' nennt; hilflos und weitherzig in ihrer Affenliebe zum Kind machen sie sich zu ergebenen Sklaven. Das ist Familie Milde – im Original heißen sie Meek, in der Übersetzung: sanftmütig, duckmäuserisch, demütig, kleinlaut.
Hier sprüht die Fantasie wie ein leuchtendes Feuerwerk, inklusive der Wortschöpfungen. Zwischendurch gibt es lustige Listen, wie die die Liste der ungewöhnlichen Kreaturen, Tabellen, Bücherstapel usw. Sehr fein ist die Buchstabengestaltung angeordnet. Durch verschiedene Schriften, Schriftgröße, und Lautmalerei werden Lautstärke, Geräuschkulisse und Gefühle hergehoben – was natürlich auch optisch wirkungsvoll ist. Die Charaktere in diesem Kinderroman sind natürlich extrem satirisch überspitzt; obwohl, wenn ich genau nachdenke… Myrtles habe ich kennengelernt, und manche Eltern kommen den Mildes recht nah. Tony Ross unterstreicht die abstruse Geschichte mit vielen Schwarz-Weiß-Illustrationen, die den Situationen nochmal den richtigen Kick geben. Jööö, jetzt aber genug gelobhudelt! Ich schaue mal, ob ich das Buch finde, in dem die Mildes in der Bibliothek gestöbert haben: «Das Universum und Jenseits des Jenseitigen vom Jenseits». Wie ordnen wir die Geschichte ein? Gar nicht. Ein Kinderroman, mit Elementen von Abenteuergeschichte, Humor, Satire, Fantasie. Der Rotfuchs Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 9 Jahren. Passt, vielleicht bereits ab 8 Jahren. Die große Schrift eignet sich gut für Leseanfänger und die Lautmalerei, die extra groß gesetzten Worte und die vielen Grafiken machen das Buch optisch ansprechen – bestimmt auch für Lesemuffel.
David Walliams ist der erfolgreichste britische Kinderbuchautor der letzten Jahre und gilt als würdiger Nachfolger von Roald Dahl. In England kennt ihn jedes Kind. Wenn er nicht gerade Kinderbücher schreibt, schwimmt er schon mal für einen guten Zweck 225 Kilometer die Themse hinab oder durch den Ärmelkanal. Außerdem spielte er in der englischen Comedyserie «Little Britain» mit und sitzt in der Jury von «Britain’s Got Talent».
Tony Ross, geboren 1938 in London, studierte an der Liverpool School of Art und arbeitete u.a. als Karikaturist, Grafiker und Dozent. Tony Ross gehört zu den international bekanntesten Kinder- und Jugendbuchillustratoren und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Er lebt heute mit seiner Frau und seiner Tochter in Cheshire.
FING
Übersetzt aus dem Englischen von Martina Tichy
Kinderbuch, Kinderroman, Satire, Abenteuergeschichte, Humor, Fantasie, Englische Literatur
Rotfuchs Verlag, 2023
Altersempfehlung: ab 9 Jahren
Bilderbücher, Kinderbücher Vor- und Grundschule 5 - 10 Jahre
Kinder- und Jugendliteratur
Kommentare
Kommentar veröffentlichen