Rezension
von Sabine Ibing
Entsorgt
von Sara Paretsky
Privatdetektivin V.I. Warshawski findet beim Gassigehen mit ihren Hunden am Ufer des Lake Michigan zwischen Klippen und Betonblöcken eine bewusstlose Jugendliche. Keine Papiere, kein Hinweis, wer sie ist. Und als Vic die 15-Jährige am nächsten Tag im Krankenhaus besuchen will, ist sie verschwunden und der Dolmetscher, den man geholt hat, ist ermordet. Alle möglichen Leute scheinen hinter dem Mädchen her zu sein. Warum nur? Vic hat kleine Aufträge in Chicago, hält sich gerade so über Wasser. Sie schiebt Nachtschichten zur Bewachung einer kleinen Synagoge, die immer wieder beschmiert wird, richtet den Leuten Überwachungskameras ein. Die letzten Auswirkungen von Corona überschatten maskenhaft das Land.
Gesellschaftskritik pur
Vic Warshawski war früher Polizistin und ihr Exmann, auch ein Bulle, hat immer Spaß daran, sie zu mobben. Hin und wieder muss sie die Polizei einschalten, und ihr Ex und seine Kumpanen haben ein Händchen dafür, ihr eins reinzuwürgen, sind stets zuerst zur Stelle. Korruption, Rassismus, Misogynie, Willkür und Gewalt bei der Polizei ist dabei das Thema. Warshawski arbeitet für die einfachen Leute, nimmt deren Anliegen ernst. Das Mädchen lässt sie nicht los und sie macht sich auf die Suche nach ihr, gewinnt ihr Vertrauen und sie muss sie beschützen und ihre Großmutter retten … Korruption, Immobilienhaie, Gentrifizierung, Bestechung, alles was dazugehört im Finanz- und Baugewerbe entwickelt sich zum Hauptthema. Überlastete Krankenhäuser, Seniorenheime, alte Menschen, die allein gelassen werden und sich nicht wehren können. Wer kein Geld hat, fällt hinten runter. Vic Warshawski beißt sich durch, sie ist ein starker Charakter, eine Frau, die sich nichts gefallen lässt, sich zur Wehr setzt, selbst dabei einstecken muss. Sara Paretsky zeigt eine zerrissene Gesellschaft, bei der die Rassisten und weißen Männer in Machtpositionen wieder auftrumpfen, ihr wahres Gesicht zeigen. Arme Menschen, die sich durchschlagen, Stadtteile von Chicago, die von Gentrifizierung bedroht sind, die die Armen immer weiter hinaustreiben, Gesellschaftskritik pur. Eine Protagonistin, die man sofort ins Herz schließt.Klasse Charaktere, eine spannende Story. Empfehlung!
Sara Paretsky, eine der renommiertesten Krimiautorinnen weltweit, studierte Politikwissenschaft, war in Chicagos Elendsvierteln als Sozialarbeiterin tätig, promovierte in Ökonomie und Geschichte, arbeitete eine Dekade in der Wirtschaft und begann Anfang der 1980er Jahre, den Detektivroman mit starken Frauen zu bevölkern. Paretsky gehört zu den wichtigsten Vorreiterinnen in der Geschichte der feministischen Genre-Eroberung, die den Hardboiled-Krimi aus der Macho-Exklusivität befreite und zur aufklärerischen Erzählung über die ganze Welt machte. Ihre Kriminalromane um Privatdetektivin Vic Warshawski wurden mit zahllosen Preisen geehrt, verfilmt, in über 30 Ländern verlegt. Paretsky ist Mitgründerin des internationalen Netzwerks Sisters in Crime, engagiert sich gegen Sexismus und Rassismus und bloggt kritisch zur US-Politik. Sie lebt in Chicago, dessen Straßen auch das angestammte Pflaster ihrer wehrhaft alternden Ermittlerin sind.
Entsorgt
Originaltitel: Overboard
Aus dem amerikanischen Englischen übersetzt von Else Laudan
Krimi, Kriminallietratur, Kriminalroman, Detektivroman, amerikanische Literatur, Chicago
Hardcover, 472 Seiten
Argument Verlag mit Ariadne, 2024
Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller
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