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Ein Haus für viele Sommer von Axel Hacke - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Ein Haus für viele Sommer 


von Axel Hacke


Die Insel ist eine Welt für sich. Das gilt natürlich für jede Insel, ja, es macht eine Insel überhaupt erst aus, eine eigene Welt zu sein, anders als alles, was sich auf dem Festland befindet: in continente, wie die Leute auf der Insel sagen, auf dem Kontinent.

Mitten im Dorf hat mein Schwiegervater vor einem halben Jahrhundert einen alten Turm gekauft und ihn im Lauf der folgenden Jahre selbst renoviert, eines der ältesten Häuser des Ortes, la torre.


Ein Haus im Süden, der Traum von vielen Menschen. Doch ein Haus, wenn es einige Jahre auf dem Buckel hat, bringt manche Überraschung mit sich. Magische Momente ... die gibt es natürlich auch, aber genauso viel Arbeit. Axel Hacke erzählt in seinen Geschichten über die Menschen von Elba, beschreibt Landschaft, berichtet von Schlangen, Gottesanbeterinnen, Fakirtauben, Ziegendreck vor der Haustür, von olive und oliva und von einem Schreiner, der aus dem Ehebett heraus ein Wildschwein erschießt. Er erzählt von seiner Liebe zur Insel Elba im ligurischen Meer, gegenüber von Grosseto in der Toscana. 


Ein Turm mit Charakter

Ich schicke voraus, der Torre ist ein einfaches Haus. Er hat keine Heizung, bloß einen Kohleofen. Er hat nur ein kleines, enges Bad mit einer bescheidenen Dusche und einem winzigen Fenster. Jeder Weg führt über steile Treppen, die nicht alle ein Geländer haben und manchmal an den Seiten offen sind, so dass man besser vorsichtig ist, wenn man sie erklettert.


Ein entspanntes Buch voller kleiner Geschichten mit dem typischen Humor von Axel Hacke, das mit der jährlichen herrlich chaotischen Anfahrt beginnt. Das erste Glas Wein im Torre, dem alten Turm. Eine andere Art von Urlaub – eben nicht nur Herumliegen in der Sonne, Bootsausflüge – eben mehr. Jeden Sommer den gleichen Ort besuchen? Wenn man seine Liebe gefunden hat, wird sie zur zweiten Heimat. «Das Haus ist wie so ein alter Onkel. Der hat so eine Menge Schrullen und Macken, aber irgendwie lieben ihn alle», so berichtet Hacke, «meterdicke Wände und in diesen Wänden sind irgendwelche alten Kaminschächte, Löcher». Ennio, der stets den alten Fiat 500 repariert, Möwen, die regelmäßig das Schlauchboot zukoten, Olivenernte, Freundschaften; Dantes Ziegen springen über den Zaun, knabbern an Blumen und ihre Hinterlassenschaften vor der Tür riechen nicht nach Parfüm. Immerhin, Wildschweine schaffen es nicht über den Zaun. Wände, die immer wieder an manchen Stellen gelbe Flecken hinterlassen, andere schlagen Blasen, und niemand kann über die Jahre herausfinden, woran es liegt. Ein Kamin, aus dem absonderlich fieser Geruch entweicht, Dächer, die hin und wieder undicht werden – ein Turm, der ständig Überraschungen zu bieten hat.


Ein feines selbstironisches Buch für entspannte Stunden

Der Torre ist ein uraltes Haus. Wir sind nicht hier, um Ferien zu machen. Wir sind hier, um nachts einem plötzlichen, neuen und steten Tropfgeräusch nachzulauschen und dann ein Leck im Dach aufzuspüren, das es abzudichten gilt.


Ein leichtes Sommerbuch, den Sand unter den Füßen, Meeresrauschen, flirrende Hitze, zirpende Grillen. Überall lauern kleine Geschichten. Das dolce far niente genießen! Im eigenen Haus ankommen, feststellen, dass es ins Haus geregnet hat. Wohnen kann man dort nicht. Ein Hotel suchen – und dann feststellen, dass man am Ende neben einer Freundschaft auch noch etwas anderes gewonnen hat! Eine never ending Story mit einem alten Haus – aber auch eine niemals endende Liebesgeschichte. Ein Teil des Dorflebens werden, respektvoll mit Menschen und Kulturen umgehen, die Tiefe eines Orts spüren, nicht die Oberflächlichkeit des Tourismus. Ein feines selbstironisches Buch für entspannte Stunden. Empfehlung! 


Axel Hacke lebt als Schriftsteller und Kolumnist des Süddeutsche Zeitung Magazins in München. Er gehört zu den bekanntesten Autoren Deutschlands, seine Bücher wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Zuletzt erschien «Wozu wir da sind. Walter Wemuts Handreichungen für ein gelungenes Leben» und «Im Bann des Eichelhechts».



Axel Hacke 
Ein Haus für viele Sommer
Zeitgenössische Literatur, Urlaubsliteratur
Hardcover, Leinen, 256 Seiten
Kunstmann Verlag, 2022 





Im Bann des Eichelhechts von Axel Hacke 

Ich gestehe, ich gehöre auch zu den Menschen, die im Ausland Schilder und Speisekarten fotografieren, die auf «deutsh» übersetzt wurden und manchen Lacher herausbrachten. Axel Hacke hat über die Jahre Material gesammelt und in kleinen Kapiteln gestaltet. Rechtschreibfehler, Stilblüten, Anekdoten, Übersetzungsfehler, Wortakrobatik; Wer einmal richtig lachen möchte, dem empfehle ich dieses Buch, wohltemperiert interpretiert und kommentiert. Fischhuhn, Nothuhn, Huhn des Spuckens, Fingerfoot auf der Speisekarte. Neue Tierarten entdeckt: Eichelhecht, Ochsenschwan, Rächerlachs, Cumberlandwurstkröte oder Aschenpudel. Wer auf Schweinereien und Misshandlungen der Sprache steht, sollte an dieser Satire nicht vorübergehen! 

Weiter zur Rezension:   Im Bann des Eichelhechts von Axel Hacke 


Zeitgenössische Literatur

Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht  immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …
Zeitgenössische Romane


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