Rezension
von Sabine Ibing
Wenn das Wasser steigt
von Dolores Redondo
Der Junge blieb auf der Schwelle stehen und begann zu zittern, als er die intensive Kälte draußen spürte. Er ließ den Blick über die ruhige, im Licht des Vollmonds glänzende Oberfläche des Sees schweifen und danach über den Himmel. Die aufsteigenden Tränen verschleierten seinen Blick. Er wollte das nicht tun. Er wollte wieder reingehen, an den Ofen, um eine Geschichte zu lesen und zu schlafen. Denn wenn er dort auf dem Boden neben dem Feuer einschlief, machte sich niemand die Mühe, ihn ins Bett zu schicken, und er hatte seine Ruhe.
Eine Spur, die ihn nach Bilbao führt
Sie würde darauf eingehen, weil er ganz zauberhaft war, weil sie mit dem Bus gekommen war und weil alle einen Freund mit einem Auto haben wollen. Sie würde darauf eingehen, obwohl in den Zeitungen ständig von den vielen Frauen zu lesen war, die spurlos verschwanden, obwohl man ihnen mit Sicherheit tausendmal gesagt hatte, dass sie nicht zu Unbekannten ins Auto steigen sollte.
Zurück in die Achtziger
Das drückende Gefühl der verlorenen Zeit und die geistige Verwirrung sorgten dafür, dass die Theorien, die er mit so viel Mühe erarbeitet hatte, zerfielen wie Chimären. Irrwege, die dazu dienten, seinem Leben, das ihm zwischen den Fingern zerrann und von dem er nun wusste, dass es nutzlos war, einen Sinn zu geben. Vielleicht gab es keinen Mörder, vielleicht war Murray gar nicht Bible John, vielleicht war das alles das Hirngespinst eines todkranken, depressiven Mannes, der unter starken Medikamenten stand.
Ein literarischer Thriller vom Feinsten!
Noah betrachtete den Himmel dieser mondlosen Nacht. Er war voller Sterne, die sich bis zu den Seiten des Schiffs ausdehnten und gleichzeitig kalt und weit entfernt inmitten der erschütternden Dunkelheit lagen. Der Bug des Schiffs durchbohrte die unendliche Nacht auf hoher See, und als kein Licht mehr das Vorhandensein des Rests der Welt verriet, fühlte er sich sterblicher als je zuvor.
Die rauchenden Stahlfabriken und Werkstätten am Ufer wirkten riesig neben den Gleisen und den mit Waren und Passagieren beladenen Waggons. Die Arbeit, die man hier finden konnte, die Menschen, die hier lebten, die Waren, die hier hergestellt und verkauft wurden, das Schmieröl und die Ratten, die beeindruckenden Fassaden der Gebäude und der Schlamm an den Ufern ... In Bilbao vermischte sich alles auf obszöne Art, als ob die Stadt, ohne zu wissen, wo sie sich ausbreiten sollte, wie eine schwärende Wunde einfach das Gute und das Schlechte in alle Richtungen verteilte.
Todesspiel – Die Nordseite des Herzens von Dolores Redondo
Die junge Subinspectora Amaia Salazar aus Pamplona befindet sich zur Fortbildung in der FBI-Akademie in Quantico in den USA, als sie zur Beurteilung eines Falls gebeten wird. Nach einem heftigen Sturm wurde eine Familie ermordet, die in den Trümmern ihres Hauses stand. Es hätte fast ausgesehen, als wenn ein Familienvater aus Verzweiflung zuerst seine Familie erschossen hätte und zum Schluss sich selbst, wenn nicht ein unerkannter Zeuge das Geschehen miterlebt hätte. Ein unentdeckter Serienmörder, der ganze Familien auslöscht, die gerade eine Naturkatastrophe überstanden haben? Wo wird er wieder zuschlagen? Ein Hurrikane ist für New Orleans angekündigt: Katrina. Das Team begibt sich in die Stadt, die gerade evakuiert wird. Niemand ahnt, welches Ausmaß Katrina haben wird! Über 600 Seiten Hochspannung, ein Pageturner, spannender, intelligenter Noir-Krimi, Noir-Thriller, bis zur letzten Seite! Empfehlung!
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Alles was ich dir geben will von Dolores Redondo
Als der bekannte Schriftsteller Manuel Ortigosa, erfährt, dass sein Ehemann Álvaro Muñiz de Dávila bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, eilt er sofort nach Galicien. Dort angekommen, ist die Polizei auffallend schnell dabei, die Akte zu schließen; obwohl der Unfall nicht ganz sauber aussieht. Plötzlich erfährt Manuel, dass sein Mann ein zweites Leben besaß, dass er vor ihm verheimlicht hatte: Er entstammt einer der besten Adelshäuser Spaniens und war der führende Kopf der Familie Muñiz de Dávila, der Graf von Santo Tomé. Die Familie empfängt Manuel kühl. Er glaubt nicht an einen Unfall. Ein gerade pensionierter Polizist und ein Pater helfen ihm, der Sache auf den Grund zu gehen. Eine wendenreiche, spannende Geschichte in den Ribeira Sacra, den Tälern von Miño und Sil, ein Familienroman mit ausgeloteten Charakteren vor einem atmosphärischen Hintergrund. Ein sanfter literarischer Thriller, der somit nicht nur für die Freunde der Kriminalliteratur interessant ist.
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Spanische Literatur
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Gastland Frankfurter Buchmesse 2022
Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller
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