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Die Lotsin von Mathijs Deen - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing




Die Lotsin von Mathijs Deen


Dr. Iona Grimstedt-Tauber ist am vergangenen Sonntag aus nicht geklärten Gründen ohne ausreichenden Schutz vor der Kälte aufs Eis hinausgegangen. Einige hundert Meter von der Station entfernt wurde sie von unseren Leuten unterkühlt und mit Atemnot gefunden.

Dr. Iona Grimstedt-Tauber hat möglicherweise auf Grönland einen Suizidversuch unternommen und wurde auf einem Forschungsschiff untergebracht, das auf dem Weg nach Deutschland ist. Was geschah auf dem Forschungsschiff? Kaum hat vor Helgoland eine Übung des niederländischen, deutschen und dänischen Grenzschutzes begonnen, geht bei der Küstenwache ein Notruf ein. Eine Klimaforscherin, die mit einem US-Forschungsschiff auf dem Weg von Grönland nach Kiel war, wird vermisst. Xander Rimbach, Ermittler der Bundespolizei See, geht an Bord. Zunächst weist alles auf einen Suizid hin, denn anscheinend hatte die Glaziologin bereits auf Grönland etwas in dieser Art versucht. Rimbach drückt aber das Bauchgefühl, dass hier ordentlich gemauert wird. Irgendetwas stimmt nicht auf diesem Schiff. Darum beginnt er mit Verhören an Bord der RV Anthropocene, versiegelt die Koje der Vermissten. 


Irgendjemand verheimlicht etwas


Sie ist ein einzelgängerischer Typ, der zur Schwermut neigt», erklärt Deen. «Sie hat sich schon in jungen Jahren einen Namen gemacht. Aufgrund ihres Talents wird sie gebeten, am sogenannten UN-Bericht über den Zustand des Klimas mitzuschreiben, am IPCC-Report. Das macht sie zum Gegenstand von Hasskampagnen. Vor allem von Menschen, die nicht an den Klimawandel glauben, oder von der Lobby, die mit fossilen Energien zu tun hat.

Als Kommissar Liewe Cupido eine interessante Nachricht der Lotsin erhält, die die Anthropocene auf die Elbe gesteuert hat, kommen auch bei ihm Zweifel auf. Gemeinsam gehen die Bundespolizisten der Sache auf den Grund. Halt! Im ersten Viertel ist Xander Rimbach allein unterwegs und später muss sich Cupido um seine Mutter kümmern. Rimbach bekommt zwar von Cupido so einiges vorgehalten, was man als Anfänger eben so falsch macht. Aber er gibt ihm auch Rückenwind, macht ihm klar, dass er auf dem richtigen Weg ist. Cupido macht sich rar. Alles ist möglich: Ein Suizid, ein Unfall, ein Mord. Was könnte eine Klimaforscherin in den Suizid getrieben haben? Sie hat in Grönland etwas entdeckt, was sie alarmieren ließ, sie weiß jetzt, was klimatechnisch auf uns zukommt. Hat ihr das so viel Angst gemacht? Warum ließ sie sich eine eigene Koje geben, zog nicht bei ihrem Mann ein, der als erster Offizier auf diesem Schiff fährt? Und was ist mit ihren Schuhen? Wer hat sie heimlich zurück ins Regal gestellt, und warum bricht jemand das Polizeisiegel, durchsucht die Unterkunft? Irgendjemand verheimlicht etwas. 

Schade, Cupido geht uns verlorenSchade, Cupido geht uns verloren

Mathijs Deen lässt Cupido stets in ruhigen Gewässern fahren, und dieses Mal ist es besonders ruhig. Sehr genau führt er uns über das Schiff, zeigt uns die Regeln an Bord. Stimmungsvoll beschreibt er die Landschaft, die Atmosphäre auf dem Schiff, und er geht tief in seine Charaktere hinein. Geschickt lässt er Cupido langsam aus der Geschichte herausgleiten. Denn er beendet die Serie, sagte, er möchte nicht eines Tages lesen «Nun reicht es aber!» (mit Cupido) Etwas auf dem Zenit beenden, eine kluge Entscheidung! Gewiss, Cupido ist mir ans Herz gewachsen … doch ich kann Deen verstehen. Schade, Cupido geht uns verloren – jedoch uns bleibt Mathijs Deen – und dem wird sicher wieder etwas Gutes einfallen! 

Kriminalliteratur vom Feinsten

Neben dem literarischen Wert, den ich bei Cupido immer gefunden habe, hat mir der Lerneffekt gefallen. Jeder Band hat ein besonderes Thema, bei dem ich etwas dazulernen konnte, ob nun extremes Wattwandern, Seefahrt, die Nordsee, die Zusammenarbeit in der europäischen Polizei zur See. Eine wundervolle – leider viel zu kurze – Reihe des literarischen Krimis geht zu Ende. Man kann die Bände von diesem Polizeikrimi unabhängig lesen. Ich empfehle, nach der Reihenfolge vorzugehen, denn Cupido führt auch ein interessantes Privatleben, das sich von Band zu Band entwickelt. Kriminalliteratur vom Feinsten.


Mathijs Deen, geboren 1962, ist Autor von Romanen, Kolumnen und einem Band mit Kurzgeschichten, der für den renommierten AKO-Literaturpreis nominiert war. 2018 wurde ihm für die literarische Qualität seines Werks der Halewijnpreis verliehen. 2024 erhielt er für »Der Taucher«, den zweiten Teil seiner beliebten Krimireihe um den Holländer Liewe Cupido, den renommierten niederländischen Krimi-Preis De Gouden Strop.




Mathijs Deen 
Die Lotsin 
Originaltitel: De Loods. 
Aus dem Niederländischen übersetzt von Andreas Ecke
Kriminalliteratur, Literarischer Krimi, Polizeikrimi, Krimi, Kriminalroman
Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 368 Seiten
Mare Verlag, 2025

Der Retter von Mathijs Deen

Bei einem Spaziergang an der Küste Northumberlands stoßen niederländische Urlauber auf die Überreste einer Leiche. Eine alte Schwimmweste deutet auf eine Verbindung zu einem 21 Jahre zuvor geschehenen Unglück hin. Damals sank der Seeschlepper Pollux nördlich der Düneninsel Rottumerplaat. In einer komplizierten Mission der Seenotretter von Ameland und Norderney konnten alle Besatzungsmitglieder gerettet werden – bis auf den Kapitän. Kommissar Liewe Cupido der Bundespolizei, genannt «der Holländer» wird gerade von seinen eigenen Dämonen eingeholt, er fährt zu einer Beerdigung. Ein ruhiger, athmosphärischer Krimi, wendungsreich, zum Thema Rettung, dem Verlust und den Gefühlen, die entstehen, wenn man glaubt, falsch gehandelt zu haben, dem bedingungslosen Zusammenhalt der Mannschaft. Empfehlung!

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Der Taucher von Mathijs Deen

In der Deutschen Bucht sucht das niederländische Bergungsschiff Freyja nach einem Container. Dabei stoßen die Männer vor Amrum auf ein seit 1950 verschollenes Wrack, das Kupfer im Wert von circa einer Million Euro an Bord haben soll. Niemand weiß davon, man könnte die Ladung heimlich bergen und verkaufen. So leuchtet die Besatzung zunächst das Wrack mit einer Unterwasserkamera aus. Dabei machen sie eine erschreckende Entdeckung: Ein Taucher ist mit Handschellen an das Wrack gekettet – mit Sicherheit tot. Kommissar Liewe Cupido von der Bundespolizei See aus Cuxhaven übernimmt und taucht hinunter. Makaber: Der Schlüssel der Handfesseln hängt in Sichtweite des Tauchers. Hier hat jemand aus Rache getötet!

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Der Holländer von Mathijs Deen 

Opperwachtmeester Geeske Dobbenga befindet sich auf der letzten Fahrt mit dem Patrouillenboot - eine Abschiedsfeier, denn sie wird in den Ruhestand gehen und mit ihr das Schiff. Doch im Wattenmeer stößt das Team auf einen Toten. Sie retten den Körper, bevor die Flut ihn ins Meer hinausträgt, bringen ihn nach Delfzijl. Wer ist für die Leiche nun zuständig? Die Niederlande oder Deutschland? Ein feiner literarischer Krimi, der das Extremwattwandern zum Thema hat. Empfehlung!

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Der Schiffskoch von Mathijs Deen


Ein bemanntes Feuerschiff, auf engsten Raum zusammengedrängt, doch jeder ist hier für sich allein, jeder hat seine Gründe, hier gelandet zu sein. Zu den Mahlzeiten kommt man zusammen, genießt die Geselligkeit, doch dann zieht es die Einzelgänger in ihre persönlichen Rückzugsorte. Ein Böckchen, das alles durcheinanderwirbelt, ein Unwetter, das alles verschluckt, ein Koch im langen Delirium der Malariaanfälle. Eine nette Novelle, humorig, aber gleichzeitig mit Tiefgang. Eine feine Lektüre für Meeresfreunde, Schiffsliebe, gegen Meersucht.

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Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller




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