Direkt zum Hauptbereich

Das Böse, es bleibt von Luca D’Andrea - Rezension

Rezension

 von Sabine Ibing




Das Böse, es bleibt von Luca D’Andrea 



Marlene, zweiundzwanzig Jahre alt, gut einen Meter sechzig groß, melancholische blaue Augen, ein Leberfleck über den geschwungenen Lippen, zweifellos hübsch und zweifellos in Panik, betrachtete in dem metallenen Gehäuse des Tresors ihr Spiegelbild und schalt sich eine dumme Gans.

Marlene Wegener beklaut ihren Mann Robert, die Geldscheinstapel im Tresor lässt sie liegen, greift sich lediglich einen Samtbeutel, gefüllt mit Saphiren, im zehnstelligen Millionenwert, Meran, 1970-er Jahre. Sie muss schnell sein, ihr Mann ist ein Mafiaboss, wird sie erwischt, wird sie nicht überleben. Marlene, ein Mädchen aus den Bergen, aus sehr armen bäuerlichen Verhältnissen, Kellnerin, vom Fleck weggeheiratet von Robert Wegener. Ihr Mann ist angesehen, attraktiv, schwer reich, liest ihr jeden Wunsch von den Lippen ab … Sie hat ihre Gründe zu gehen. Die Saphire gehören dem Konsortium, auch das ist Marlene egal. Sie ist gut vorbereitet. - Das denkt man immer. - Sie hat den Schneesturm nicht einkalkuliert, die Sicht ist schlecht, sie rutscht mit dem Auto auf Straße, der Wagen kommt ins Schlingern, fällt den Hang hinunter, überschlägt sich. Hier oben kommt selten jemand hinauf.

Umschagendes Wetter in den Bergen

Marlene erwacht, der ganze Körper brennt, sie ist verletzt. Bergbauer Simon hat sie gefunden, auf seinen Hof geschleppt, der Erbhof liegt abgelegen, oberhalb der Baumgrenze. Der Mann ist ein Almöhi, wohnt hier oben allein mit seinen Schweinen, geht selten ins Tal. Er kümmert sich um Marlenes Wunden, päppelt sie auf.

Simon Keller erwies ihr eine große Ehre. Ein Bauer bediente nicht am Tisch. Das taten die Frauen des Hauses. Und auch, was er für sie gekocht hatte, war eine Respektbezeugung: Leberknödel. Klein und dunkel schwammen sie in einer fetten Brühe. Leberknödel wurden serviert, wenn hoher Besuch kam.

Es dauert eine Weile, bis Marlene gesund ist. In dieser Zeit nähern sich die beiden an und Marlene erzählt dem Alten, was passiert war, erzählt ihre Lebensgeschichte, beichtet. Und Marlene erfährt alles über Simon, warum er allein hier oben auf dem Erbhof geblieben ist, was mit seiner Familie geschah. Gut, er lässt ein paar wichtige Dinge aus …
Währenddessen schäumt in Meran Robert Wegener über, beauftragt einen Killer, seine Frau zu finden und zu töten. Der Mann des Vertrauens ist der Mann ohne Namen, einmal beauftragt kann man ihn nicht mehr zurückpfeifen. Das Konsortium tritt Wegener auf die Füße.

Alles nichts Neues

Bis hierhin kann ich Luca D'Andreas folgen, bis dahin hat mir der Thriller gut gefallen. Klar, schnörkellos, eisig, erzählt er die Geschichte. Marlene und Simon leben ein karges Leben in den Bergen, er will ihr helfen zu entkommen, sobald sie völlig gesund ist. Doch dann verletzt sich Simon und Marlene pflegt ihn. Sie füttert die Schweine, riesige Viecher und eins davon heißt Lissy (so der Originaltitel des Buchs), das separat in einer Box steht, zu dem Simon eine besondere Beziehung pflegt. – Er wird doch nicht – dachte  ich – Erinnerungen an bekannte Bücher taten sich auf – ich war im weiteren Verlauf beruhigt. Nein, so etwas tut er nicht. Simon hat eine Idee, Marlene zu helfen …

Der Thriller ist spannend, ein wenig gruselig, eiskalt. Nur irgendwann zum letzten Drittel verliert mich der Autor, dann endet alles im Klischee, die Story wird unglaubwürdig – und er tut es doch – gruselig, eklig, durch das Ende habe ich mich durchgekämpft (inhaltlich), spannend geschrieben war es. Was so gut anfing, endete für mich im Desaster der Fantasy. Schade.

Unwiderruflich - starker Spannungsbogen

Luca D'Andreas spielt mit Schlüsselwörtern, die immer wieder auftauchen: Unwiderruflich ist eins davon, »Geld, Geld, Geld« ein anderes, das hat mir gut gefallen. Erzählt wird aus den Perspektiven der verschiedenen Akteure, auch das hebt die Spannung. Bis zur Mitte des Buchs hatte der Roman sogar ein wenig Atmosphäre. Selbst das verschwindet irgendwann, die Protagonisten tun, was sie tun müssen und das war es. Die Geschichte hätte auch zur gleichen Epoche in den Schweizer Bergen, Frankreich, in Rumänien oder sonst wo spielen können. Der Autor nimmt den Leser nicht mit nach Tirol. Ich verlange keinen Reiseführer, aber von den Protagonisten, die in Südtirol verankert sind, hätte etwas ausgehen müssen. Überhaupt bleiben die Figuren recht flach und klischeehaft, am Ende sind sie nicht mehr nachvollziehbar, allesamt. Und irgendwie hatte ich das alles schon mehrfach bei anderen Autoren gelesen, nichts Neues auf der Line. Am Ende hatte ich das Gefühl, hier wollte jemand eine Drehbuchvorlage für einen Actionfilm liefern, bei dem es nicht auf die Glaubwürdigkeit ankommt, sondern auf scharf geschnittene Cliffhanger, Psychose, Ekel und Action. Da braucht es auch keine Natur, die Kamera führt. Und genau das funktioniert in einem guten Buch für mich nicht. Den Film würde ich mir wahrscheinlich ansehen, das stelle ich mir cool vor.

Und warum war ich die ganze Zeit mit meinen Gedanken bei Mario Puzo? Warum nur …

Süße Lissy, kleine Lissy.

Luca D’Andrea lebt in Bozen, mit seinem ersten Thriller »Der Tod so kalt« eroberte er die Bestsellerlisten in rund 40 Ländern. Gegenwärtig wird »Der Tod so kalt« verfilmt. Sein zweites Buch, »Das Böse, es bleibt«, ist seit Erscheinen in Italien auf der Bestsellerliste und hat in Italien den »Premio Giorgio Scerbanenco« -Preis für den besten italienischsprachigen Krimi 2017 erhalten.










Kommentare

  1. Hallo Sabine
    Danke für deine Gedanken. Auch ich finde das Buch wirr und zum Teil für meinen Geschmack einfach zu brutal. Ich hätte mir fast schon eine Triggerwarnung gewünscht. So viele Tote.
    Ich habe die Geschichte als Hörbuch gehört, in italienischer Sprache und gesprochen von einer Frau. Die Sprecherin (Valentina Mari) kann ihren Job, ist aber leider völlig ungeeignet für diese Geschichte. Da hätte ich mir eher einen Mann mit tieferer und kraftvoller Stimme gewünscht.

    Da ich keine italienische Muttersprachlerin bin, höre ich Hörbücher, um sie in ihren Details zu verstehen, oft mehrfach. Das ist oft auch ganz spannend, so entdecke ich immer noch was Neues in den Geschichten.

    Leider konnte ich bei diesem Buch nicht herausfinden, welche Person hinter "Der Mann des Vertrauens" steckt. Entschlüsselt sich die Figur an irgendeiner Stelle des Buches und ich habe sie eventuell überhört? Kannst du mir das vielleicht sagen? Damit wäre für mich die letzte offene Frage aus der Geschichte geklärt. Selbst wenn ich erfahre, dass der Leser es nicht erfährt.

    Vielen Dank und herzliche Grüße von ingrid

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Das Nest von Sophie Morton-Thomas

  Ein Küstenort in Großbritannien, wo das Marschland auf den Ozean trifft, wo Vögel die bessere Gesellschaft sind, lebt Fran eine ereignislose Routine. Sich um den Campingplatz kümmern, der mit Mobilheimen ausgestattet ist, ihren Sohn von der Schule abholen, Abendessen kochen. Mit Dom, ihrem Mann, läuft es nicht mehr so, ihre Schwester lebt mit ihrer Familie in einem Wagen, zahlt keine Miete, dem Schwager hatte sie den Entzug finanziert und jetzt trinkt er wieder, hat keine Arbeit. Freude findet Fran nur an den verschiedenen Vogelarten, die sie am Strand beobachten kann; sie hat auch ein Häuschen zur Beobachtung finanziert. Und nun entdeckt sie ein Nest mit einer seltenen Vogelart, hofft, dass die Jungen ausschlüpfen werden. Und verschwindet die Lehrerin … Ein leiser Thriller. Weiter zur Rezension:    Das Nest von Sophie Morton-Thomashttps

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Dunkle Sühne von Karin Slaughter

  Gesprochen von NinaPetri  Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 19 Stunden und 55 Minuten  Willkommen in North Falls - einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt. Das glauben zumindest alle. Bis zum großen Feuerwerk am 4. Juli . Als in dieser Nacht zwei Teenager-Mädchen verschwinden, ist die Stadt in Aufruhr. Für Deputy Emmy Clifton wird der Fall zur Bewährungsprobe – beruflich und persönlich, ihr Vater ist der Sheriff der Kleinstadt. Eines der vermissten Mädchen ist die Tochter ihrer besten Freundin, und Emmy weiß, dass sie sie nach Hause bringen muss, um eine alte Schuld zu begleichen. Doch je tiefer Emmy in die Ermittlungen eintaucht, desto stärker wird ihr bewusst, dass hinter den vertrauten Gesichtern der Kleinstadt dunkle Abgründe lauern. Ein klasse Auftakt für eine Serie,  Copkrimi , Whodunnit , ein düsterer, stimmungsvoller literarischer Krimi aus den ländlichen Südstaaten, gut aufgebaute Charaktere, toxische Männlichkeit , Spannung, Familiendramen, Wendun...

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige . «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille , zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Aggie und der Geist von Matthew Forsythe

  Aggie freut sich darauf, endlich in ihr eigenes Haus einzuziehen – bis sie feststellt, dass dort bereits ein Geist wohnt. Das Zusammenleben läuft mehr schlecht als recht; nirgendwo hat sie ihre Ruhe. Also stellt Aggie Regeln auf. Doch der Geist hält sich leider nicht gerne an Regeln, bricht sie alle. Aggie fordert ihn völlig entnervt zu einem Wettkampf in Tic-Tac-Toe heraus – wer gewinnt, bekommt das Haus. Ein herrliches Bilderbuch an 4 Jahren, das mit viel Humor geschrieben ist und eine Menge Diskussionen zum Zusammenleben bietet. Weiter zur Rezension:    Aggie und der Geist von Matthew Forsythe