Rezension
von Sabine Ibing
Con gusto
von Dieter Richter
Die kulinarische Geschichte der Italiensehnsucht
Da ist das erste Kreuz, die italienische Küche – zähes Fleisch, schlechte oder keine Butter, Öl und wieder Öl, Knoblauch über Knoblauch.
Von wegen Italiensucht! Lange Zeit schmähten deutsche Reisende die italienische Küche. Stinkendes Olivenöl und Makkaronifraß, ein ekles Wurmgewinde! Das war nicht des Deutschen Gusto. Heute preist man die italienische Küche als besonders gesund an; früher galt sie als ungenießbar und gesundheitsschädlich. Schon Goethe kehrte in Gasthäuser und Hotels ein, die sich auf deutsche Gäste spezialisiert hatten. Die Adressen tauschten Reisende untereinander aus. Es hatten sich die ganze Reiseroute von den Alpen bis nach Sizilien eine paar schlaue Leute auf die Touristen aus dem Norden eingerichtet. Der Deutsche und der Engländer verlangen ein deftiges Frühstück. Der Italiener servierte nur Kaffee, wenn man Glück hatte, erhielt man ein Stück Gebäck dazu, berichteten die Reisenden. Und Fleisch! Das gab es in Italien nicht. Bereits Goethe schrieb, dass man kein Fleisch serviert bekäme, und wenn, dann sei es ein halbverhungerter, zäher Gockel, Innereien oder fettes Schweinefleisch. Die Früchte wusste man zu schätzen.
Ähnlich wie im Fall der Pizzerien war auch die Gründung und Ausbreitung italienischer Speiselokale zunächst eng an die Zuwanderung italienischer Arbeitsmigranten gebunden. Der größte Teil von ihnen kam aus dem wirtschaftlich schwachen Mezzogiorno.
Der Deutsche suchte Augenlust, nicht Gaumenschmaus. Im tiefen Süden ist es besonders schlimm. Maccaroni, die die Menschen mit der Hand essen, Pizza, ein unverdauliches Fladenbrot, an dem man ersticken kann! Meerspinnen, Meeresschnecken, Polypen und anderes merkwürdiges Getier aus dem Meer kommt auf den Teller. Dieter Richter zitiert Reiseberichte, Tagebücher und Briefe der Italienreisenden. Der Deutsche vermisst Butter und Schmalz, sein belegtes Butterbrot und einen zünftigen Braten. Die Streetfood-Kultur Neapels, das gesellige Sitzen im Freien vor Restaurants und Cafés sowie der Verkauf von Speisen in den Gassen galt den Touristen zu der Zeit als Verstoß gegen die guten Sitten. Dies kleine Buch ist ein Streifzug durch die kulinarische Geschichte der Deutschen und ihre Einstellung zur italienischen Küche. Und wenn ich zurückdenke an meine Jugendzeit, an Besuche in Italien, dann muss ich lachen. Der gemeine deutsche Tourist hatte noch bis in die Achtziger ein Problem mit der italienischen Gastronomie. Pasta und Pizza waren schon Zauberworte. Aber wieso soll man zwei oder drei Gänge bestellen im Restaurant? Bestellte man Fleisch oder Fisch, dann waren das in deutschen Augen Kinderportionen – und wieso waren keine Beilagen dabei? Extra bestellen? Extra bezahlen? Und wieso gibt es hier keinen Salat, lautete gern die Frage? Wie, es gibt keine Pizza im Restaurant? Eine Tischrechnung? Wir wollen aber getrennt bezahlen. Ich habe mich immer ferngehalten von entsprechenden Gruppen, um mir die Peinlichkeit zu ersparen.
Wann hat die Lust am italienischen Essen begonnen? Pizza und Pasta brachen die Italiener nach Amerika und über diesen Umweg gelangten diese Speisen auch in unsere Region. Den Anfang machten im 17. Jahrhundert die Südfrüchte: Pomeranzen, Zitronen, Orangen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schossen Eisdielen aus dem Boden, wandernde Eismänner, die vorrangig aus den Dolomitentälern, brachten sie ins Land. Mit der Migration kamen auch die Pizzabäcker und die ersten italienischen Restaurants nach Deutschland. Dieter Richter macht mit diesem Buch eine Reise in die Vergangenheit. Berichte, Zitate, Anekdoten, historische Fotos, die uns heute schmunzeln lassen. Pizza und Pasta auf dem ruhmreichen Weg durch die Welt. Wer Spaß an historischen kulinarischen Erinnerungen hat, dem wird dieser kleine Band gefallen.
Con gusto
Die kulinarische Geschichte der Italiensehnsucht
Sachbuch, Italien, Kulinarisches, italienische Küche
Leineneinband, 168 Seiten
Klaus Wagenbach Verlag, 2021
Spaghetti al pomodoro von Massimo Montanari
Il tricolore, die Flagge Italiens: Spaghetti, Tomatensoße, zwei Basilikumblätter, Parmesankäse. Gibt es etwas, das typischer für Italien ist als Spaghetti al pomodoro? Der Mediävist und Lebensmittelhistoriker der Universität Bologna, Massimo Montanari, präsentiert die Geschichte dieses Gerichts und räumt dabei mit all den kursierenden Halbwahrheiten und Vorurteilen auf. Die Geschichte der Nudel und wie die Araber einen neuen Typ aus Hartweizen verbreiteten und auf Sizilien bereits im 12. Jahrhundert die industrielle Fertigung eingeführten (kein bisschen handgemacht von der Mamma). Die Tomate gesellte sich später als «spanische Soße» dazu. Ein Sachbuch, das sich spannend liest, ein Schmöker für kulinarische Freunde und Pastaliebhaber.
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Der Pasta-Codex von Vincenzo Buonassisis
Wer hat’s erfunden? Nicht die Italiener – aber die Italiener haben die Pasta in tausend Varianten zum Volksgericht erklärt. Flach, geformt, gerollt oder gefüllt - Pasta kann fast alles. Vincenzo Buonassisis über Jahre Pastarezepte gesammelt: 1.001. Der Pasta-Codex erzählt aber auch die Geschichte, Tradition und Leidenschaft hinter dem italienischen Nationalgericht und präsentiert voller Hingabe Rezepte durch authentische Recherche aus allen Regionen Italiens. Pasta frisch oder getrocknet, mit Gemüse, Fisch oder Wild zubereitet, die meisten klassischen «Nonna-Gerichte» sind ganz einfach zuzubereiten. Ein Pasta-Lexikon!
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