Rezension
von Sabine Ibing
Wohin gehen Freunde?
von Cornelia Wiesner und Nicola Rakutt
Das Leben ist ein Geschenk. Es liegt an uns, es jeden Tag dankbar anzunehmen, sich dabei nicht über Kleinigkeiten aufzuregen und Demut gegenüber dem Laben zu zeigen. Keiner von uns weiß, wie viel Zeit ihm auf Erden bleibt. Das Schicksal können wir nicht ändern. Jeder Moment ist einzigartig und bietet uns immer die Chance, ihn intensiv zu leben. Wir dürfen nie vergessen, uns Zeit zum Leben zu nehmen!
Der Leitgedanke in diesem Kinderbuch, der immer wieder auftaucht. Gute Freunde gehen gemeinsam durch dick und dünn. Die fünf Freunde, Maus, Bär, Wolf, Rotkehlchen und Reh genießen den Frühling. Die Frühjahrszeit steht für neues Leben. Auch die Mäusefamilie hat Nachwuchs – doch einer der Kleinen schwächelt. Maus wird nach Hause gebeten, der Familie beizustehen, weil der kleine Bruder es wohl nicht überleben wird. Die Freunde begleiten Maus und alle zusammen bereiten dem kleinen Bruder noch ein paar glückliche Tage. Mausbruder wird die Welt verlassen, doch er ist glücklich, die Familie und die Freunde kennengelernt zu haben, er genießt die Zeit, die ihm bleibt. Dann heißt es Abschied nehmen und trauern. Das Leben geht weiter, doch der Bruder wird in Gedanken weiterleben.
Wie erklärt man einem Kind, dass das Geschwisterchen oder ein anderer naher Familienangehöriger sterben wird? Mit der Geschichte von fünf tierischen Freunden widmen sich Cornelia Wiesner und Nicola Rakutt in ihrem neuen Kinderbuch «Wohin gehen Freunde?» dem Abschiednehmen auf eine besonders feinfühlige Weise. Das Kinderbuch wurde nominiert für den Deutschen Kinderbuchpreis 2021. Mich haben Grafik und Text sehr bewegt. Die Grafiken sind ausgesprochen schöne Naturaquarelle, die Emotionen ansprechen, fein detailliert. Die Geschichte ist im Märchenstil geschrieben, recht textlastig, von daher empfehle ich ein Lesealter ab 9 Jahren. Allerdings hat es der Text in sich, er ist empathisch auf die jeweilige Situation abgestimmt, atmosphärisch fängt er Stimmungen ein. Die Kombination von Text und Bild ist gelungen – ein Buch das bewegt.
Nicola Rakutt, Jahrgang 1965 ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Söhnen. Nach dem Kunsttherapiestudium lebte sie mit ihrem Mann und den beiden kleinen Kindern drei Jahre in Südamerika. Das Zusammenleben dort mit der indigenen Bevölkerung hat sie die Mystik und Verbundenheit des Menschen zur Natur intensiv erleben lassen. Diese Jahre haben ihre künstlerische Entwicklung stark geprägt. Heute stillt sie ihre Liebe zur Natur mit langen Spaziergängen durch Wälder oder am Meer, und die dort gesammelten Eindrücke fließen dann später in Zeichnungen, Aquarelle oder großformatige Bilder ein. Sie lebt mit ihrem Mann in Bad Wimpfen und hat ein offenes Atelier mitten in der historischen Altstadt. Seit 2021 verwirklicht sie zusammen mit Cornelia und ihrem gemeinsamen Verlag WolfsRudel® lang gehegte Wunsch-Projekte.
Cornelia Wiesner, geb. 1973 in Genf, ist verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Die Familie, zu der selbstverständlich Hunde dazugehören, ist für sie neben der Gesundheit und Freunden das höchste Gut. Schon als Kind liebte sie Bücher, eine Leidenschaft, die bis heute geblieben ist. Neben dem Lesen ist es der normale Alltag, die Beobachtung von Situationen und von menschlichen Begegnungen, die ihre Fantasie beflügeln. „Ein weißes Blatt Papier, es gibt nichts Schöneres, da kann ich meine Gedanken fließen lassen.“ Die erste Geschichte um den Wolf, der auf der Suche nach Freunden auf den Bären, das Rotkehlchen, die Maus und das Reh trifft, entstand, während ihre Tochter nach einem Snowboardunfall genäht werden musste. Cornelia Wiesner blieb damals nur die Möglichkeit, mit einer spannenden Geschichte zu trösten.

Wohin gehen Freunde?
Kinderbuch, Thema Sterben, Bilderbuch
Hardcover, 64 Seiten
Wolfsrudel Verlag, 2021
Lesealter vom Verlag nicht angegeben, von mir: ab 9 Jahren

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