Direkt zum Hauptbereich

Wenn ich tot bin von Karen Sander - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Wenn ich tot bin von Karen Sander


»Mir brennen die Tränen in den Augen. Ich habe solche Sehnsucht nach Zuhause. Nach dem alten Zuhause, als ich klein war und meine Mami mich umsorgt hat.«

Wenn jemand einen spannenden Pageturner sucht und nicht mehr, dann liegt er mit diesem Thriller richtig. Wer außerdem gute Literatur sucht und einen bewegenden Inhalt, der sollte die Finger von diesem Buch lassen. Schlicht spannende Unterhaltung – warum nicht!

Bis zum Ende passiert eine Menge

Madelin McFarland wurde als Achtjährige entführt – klingelt plötzlich nach 10 Jahren an der Haustür. Die Mutter, die ihr Kind mehr oder weniger aufgegeben hatte, kann es kaum fassen. Als ihre völlig verstörte Tochter ein paar Stunden später tief schläft, geht sie los, ihr ein paar Anziehsachen zu kaufen. Eine Psychologin ist bei der Jugendlichen, auch die kleine Schwester, ihr Mann befindet sich bereits auf dem Heimweg. Als Kate nach Hause zurückkehrt, findet sie ein Desaster vor, Madline ist wieder verschwunden. Detective Sergant Kate Fincher und ihr Kollege stehen vor einem Rätsel. Mehr möchte ich nicht verraten. Nur noch so viel: Bis zum Ende passiert eine Menge, wobei der Leser ordentlich an der Nase herumgeführt wird.

Sehr glaubhaft ist die Story nicht

Der Thriller ist personal aus der Sicht der jeweils handelnden Protagonisten in der Ich-Perspektive geschrieben. Obwohl diese Perspektive gut geeignet ist, die Persönlichkeit der Figuren in der Tiefe herauszuarbeiten, bleiben die Protagonisten allesamt extrem flach, man kommt ihnen nicht nahe. Ich hatte mich beim Lesen geärgert, weil das Denken und Handeln einer der Protagonisten so gar nicht zu der Figur passt – passt doch, löst sich am Ende auf. Wenn man natürlich so derbe hereingelegt wird, passt das zwar am Ende zusammen, aber während der Geschichte hat mich die Sache genervt. Wie weit darf man als Autor gehen, wenn das Konstrukt mittendrin laut klappert, man sich als Leser dauernd fragt, warum an einem Protagonisten so falsch herumgedoktert wird. Sehr glaubhaft ist die Story sowieso nicht – hier wurde viel konstruiert, damit am Ende alles passt. Der Klappentext schiebt den Leser von Anfang an in die falsche Richtung. Keine gute Idee – der Leser fühlt sich betupst. Die Geschichte spielt in den Highlands von Schottland und in Edinburgh. Das hätte eine schöne atmosphärische Kulisse geben können. Nur leider fehlt auch das. Man könnte die Story ebenso in die Eifel oder den bayrischen Wald umsetzen. Ach, dachte ich, wie schön wäre wenigstens ein Feeling der Highlands gewesen – Eilean Castle ist zu sehen – das war es auch schon … Diese Landschaft, dieses Schloss im Wasser – das schreit nach Atmosphäre. Wenigstens ein Hauch der Gassen von Edinburgh, ein Schluck Whiskey, ein Karomuster. Warum wählt man die Highlands als Ort, wenn die Örtlichkeit im Plot keine Rolle spielt? Es hätte auch Wanne-Eikel sein können.
Wer ist am Ende der Bösewicht? Es gab für mich zwei Verdächtige. Ich will nichts verraten, aber ich war dem Täter und dem vermeintlichen schnell auf der Spur. Spannend, aber man ist am Ende unzufrieden, weil alles arg konstruiert ist.

Spannende Unterhaltung – man darf nur nicht drüber nachdenken

Sprachlich ist hier nicht viel zu finden, über das man nachdenken mag, an dem man sich erfreut, zurückblättert – mit dem Inhalt ging es mir nicht besser. Das ist aber passend in der Gesamtkonstruktion. Schwuppdiewupp ist der Thriller durchgelesen. Spannende Unterhaltung – man darf nur nicht drüber nachdenken. Ich fand die Irreführung des Lesers grenzwertig, weil es genau darum im Vorfeld ärgerlich rumpelt, unrealistisch wirkt an vielen Stellen. Manch ein Leser könnte erzürnt auf den Kniff reagieren.

Karen Sander arbeitete viele Jahre als Übersetzerin und unterrichtete an der Universität, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Sie lebt mit ihrem Mann im Rheinland und hat über die britische Thriller-Autorin Val McDermid promoviert.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz

Die Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft, die einige Krisen überwinden muss. Ein illustriertes spannendes Kinderbuch zum Vorlesen, ebenso für Erstleser geeignet. Ein Erdhörnchenkind und ein Wolf freunden sich an, haben manches Abenteuer zu bestehen und ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt. Weiter zur Rezension:    Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz

Rezension - Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Dieses witzig-gruslige Jugendbuch, bzw., schlicht Comic, nimmt eine über 100 Jahre alten Geschichte von John Kendrick Bangs auf. Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelini interpretiert die Story neu mit wundervollen Wasserbildern. Ein wundervoller Comic für Jugendliche, die nicht sehr lesebegeistert sind. Zur Rezension:    Das Wassergespenst von John Kentrick Banges und Barbara Yelin

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Durch das Jahr mit der Natur von Lucy Brownridge, Margaux Samson Abadie

  Eine spannende Reise durch die Jahreszeiten zu Tieren und Pflanzen rund um den Globus. Das Jahr beginnt mit dem Januar – mit einem heißen Bad. In Japan baden die Japanmakaken mitten im Schnee in warmen Quellen, fühlen sich ziemlich wohl dabei. In Peru ist Paarungszeit für die Aras. Die Männchen wollen schön sein für die Damenwelt – und gehen vor der Balz für ihre Figur auf Diät: sie schlecken Schlamm. Auch in Afghanistan ist Paarungszeit mitten im Schnee für die Schneeleoparden. In der Antarktis schlüpfen Pinguine aus dem Ei. Und so geht es weiter durch das Jahr. Kleine Sachgeschichten aus der Natur ab 4 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Durch das Jahr mit der Natur von Lucy Brownridge, Margaux Samson Abadie