Direkt zum Hauptbereich

Verborgen von Anna Simons - Rezension

Rezension 

von Sabine Ibing



Verborgen 


von Anna Simons


Der erste Satz: Blitzschnell zog Nicole Arendt ihre Hand aus dem Werkzeugkasten.

Ein Krimi ist es nicht, kein Thriller, nennen wir es kriminelles Umfeld, denn zum Noir-Bereich würde ich den Roman auch nicht zählen. Die Geschichte hat mich nicht begeistern können. Das hat mehrere Gründe.

Am ersten Tag passieren viele Dinge

Eva Korell ist von Berlin nach München gezogen um ihr Leben neu zu sortieren. Die Ärztin ist geschieden und der Stress in der Klinik hatte ihr ordentlich zugesetzt. Ein anderer Ort und ein geruhsamer Job mit festgeschriebenen Arbeitszeiten in der Justizvollzugsanstalt Wiesheim soll sie in neue Bahnen lenken. Auf dem Weg zur Arbeit hilft sie der verletzten Nicole Arendt und schon fällt ihr dieser alte Mercedes auf. Nicoles Mann sitzt im Knast. Sie ist schockiert durch einen Fund. Gut, ihr Mann hatte sie mehrfach geschlagen, muss deshalb eine kurze Haftstrafe absitzen, aber ansonsten ist er doch ein braver Kerl, oder? Seine Entlassung steht bevor. In seiner Werkzeugkiste hat er Schmuck versteckt, sorgsam in einen Lappen eingewickelt … Sie kennt den Schmuck aus der Zeitung! Ein brutaler Serienvergewaltiger hatte diese Teile seinen Opfern als Trophäen abgenommen.

Was wohl hinter diesen Türen passierte? Sie seufzte. Sie hatte längst die Illusion verloren, in der Welt sei alles in bester Ordnung. Nur schafften es mittlerweile die meisten recht gut, ihren Dreck vor anderen zu verbergen, und die wachsende Anonymität half, wenn man wegsehen wollte.

Alles recht konstruiert

Gefallen hat mir die Beschreibung des Arbeitsplatzes eines Gefängnisarztes. Doch da ist das Thema Gefängnis auch schon abgeharkt. Ein gutes Thema, das leider ausgeschlossen wird. Eva Korell legt sich gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit mit den Schließern an und mit der Psychologin. Schon am ersten Tag steckt ihr ein ziemlich charmanter Mörder zu, nicht alle Menschen im Knast seien ihr gutgesinnt. Orakel? Obendrauf ist in Evas Auto eingebrochen worden – ein Trauerflor hängt am Spiegel –  eine Warnung, nur wofür? Und dieser auffällige Mercedes, der ihr immer wieder vorbeifährt … Klar, nach dem harten Klinikjob ist sie nicht ganz ausgelastet und fängt an, die plötzlich verschwundene Nicole Arendt zu suchen. Bis zum Ende wird mir nicht klar, was die Gefängnisärztin im Fall Nicole Arendt zu suchen hat, warum sich Mr. X um Eva schert. Das ist mir zu konstruiert. Und dem Charme des rothaarigen Kommissars ist Eva auch sofort unterlegen. Autsch!

Viel gedacht - wenig gehandelt

Zwischendurch habe ich mehrfach geblättert, Langeweile kam auf. Das hatte seinen Grund. Der Roman ist sehr stark im Passiv geschrieben. Den Großteil des Romans (so gefühlt) denken die Protagonisten, selbst in Situationen, in denen ein Mensch handeln würde. Zudem sind die Dialoge, wenn sie kommen, oft lang und breit und treiben die Handlung nicht vorwärts. Ich hatte beim Lesen immer das Gefühl, auf dem Laufband zu stehen und manchmal legte jemand bei der vielen Denkerei obendrein den Rückwärtsgang ein, Wiederholungsmodus.

Die Protagonisten so fern

Die Protagonisten kommen mir auch nicht nah. Eva lehnt auf der einen Seite brüsk Hilfe ab, als Nicole im Regen vor ihrem Haus steht, desolat, eine Frau, bei der sie kurz vorher Erste Hilfe geleistet hatte, die sichtlich völlig von der Rolle ist. Und kurz danach schäumt sie über vor Helfersyndrom, völlig unprofessionell. Die Passagen um Nicole haben mir gefallen, hier bekommt die Story Profil, die Protagonistin ist schlüssig, hier kommt Fahrt auf, Emotion. Der Mann von Nicole bleibt mir bis zum Ende ein Rätsel, seine Handlungsweise ist für mich nicht nachvollziehbar. Der Kommissar schäkert mit Eva, und am Ende platzt auch diese Konstruktion etwas merkwürdig. Sollte dieses Buch zum Thema häusliche Gewalt gehabt haben, dann ist das bei mir nicht angekommen, das wurde angerissen, allerdings kurz und oberflächlich, ohne psychologische Tiefe. Dafür sind die Protagonisten zu flach angelegt.  Das gelingt Karin Slaughter um viele Stufen besser. Alles in allem ist der Roman an mir vorbeigegangen.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Zappenduster von Hubertus Becker

Wahres aus der Unterwelt Kurzgeschichten aus der Unterwelt: »Alle Autoren haben mehr als zehn Jahre ihres Lebens im Gefängnis verbracht.« 13 Geschichten von 6 verschiedenen Autor*innen. Diverse Schreibstile, vermischte Themen, aber das Zentralthema ist Kriminalität. Knastgeschichten, Strafvollzug, die Erzählungen haben mir unterschiedlich gut gefallen – zwei davon haben mich beeindruckt, die von Sabine Theißen und Ingo Flam. Weiter zur Rezension:  Zappenduster von Hubertus Becker 

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli

  Eine witzige Geschichte über ein starkes Mädchen, das Verantwortung für ihre Umwelt übernimmt. Eines Tages kommt Juli aus dem Haus und der Baum ist weg. Wo mag er geblieben sein? Doch als Juli nach Hause kommt, liegt er in ihrem Bett: «Kein Bock mehr!» Den Baum hat es erwischt: Burnout. Kein Wunder, dass er so viel arbeiten muss, denn er ist der einzige Baum weit und breit. Aber wo soll die Amsel denn nun ihr Nest bauen? Und wo soll die Fledermaus schlafen? Kein Problem, meint Juli, der Baum brauchte sicher nur mal eine Pause. Und so lange kann sie ja für die Tiere da sein … Humorvolles Bilderbuch mit Tiefgang ab 3 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Kein Bock mehr von Anna Lott und Andrea Ringli 

Rezension - Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

  Eine fantasievolle poetische Gutenachtgeschichte, eine Bilderbuch-Reise über das, was in der Nacht geschieht. Eine Tochter fragt den Papa: «Was ich dich schon immer mal fragen wollte ..... Was passiert eigentlich, wenn ich schlafe?» Und der Papa beginnt zu erzählen. Es beginnt um neun Uhr. Stunde um Stunde verändert sich die Nacht und zeigt uns ihr wahres, ihr traumgleiches Antlitz: Statuen spielen verstecken, Telefone rufen sich gegenseitig an, der Wal im Schwimmbad traut sich an die Wasseroberfläche, die Laternen trinken aus Pfützen… Ist das möglich, was Papa erzählt? Oder will er uns einen Bären aufbinden? Eine wunderschöne Gutenachtgeschichte ab 4 Jahren, die zu herrlichen Träumen einlädt. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Was macht die Nacht? von Dirk Gieselmann und Stella Dreis

Rezension - Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

  Aram Mattioli erzählt zum ersten Mal den langanhaltenden Widerstand der First Peoples in den USA - vom First Universal Races Congress (1911) über die Red Power-Ära und die Besetzung von Wounded Knee (1973) bis hin zu den Protesten gegen die Kolumbus-Feierlichkeiten (1992). Die American Indians waren dabei nie nur passive Opfer, sondern stellten sich dem übermächtigen Staat sowohl friedlich als auch militant entgegen.  Schwer verdaulich, wie die Native Americans noch im 20. Jahrhundert entrechtet und diskriminiert wurden. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Zeiten der Auflehnung von Aram Mattioli

Rezension - In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

  Kemi, Brittany-Rae und Muna: drei Frauen leben in Schweden – drei völlig unterschiedliche Lebenswelten; eins haben sie gemeinsam: Sie sind schwarz und nicht in Schweden geboren. Ihre Ausgangssituationen können kaum unterschiedlicher sein. Trotzdem beginnen sich ihre Leben auf unerwartete Weise zu überschneiden – in Stockholm, einer als liberal geltenden Stadt. «In allen Spiegeln ist sie Schwarz» erzählt die schwierigen Themen Migration, Rassismus, Sexismus und Identität mit Leichtigkeit; obwohl nichts komplexer ist als dieser Themenbereich. Spannender zeitgenössischer Roman. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   In allen Spiegeln ist sie Schwarz von Lolá Ákínmádé Åkerström

Rezension - In der Ferne von Hernan Diaz

  Anfang der 1850er Jahre, Håkan Söderström lebt zu einer Zeit in Schweden, in der die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Auszuwandern ins gelobte Land Amerika scheint eine Chance. So schickt der Vater die ältesten Jungen los. Zusammen mit seinem großen Bruder Linus steigt Håkan auf das Schiff nach England. Von dort soll es nach Nujårk, New York, weitergehen, doch im Hafen von Portsmouth verlieren sich die Brüder. Håkan fragt sich durch: Amerika! Doch der Bruder erscheint nicht auf dem Schiff – denn Håkan sitzt auf dem nach Buenos Aires. Das kapiert er zu spät, steigt in San Francisco aus. New York ist sein Ziel. Fest entschlossen, den Bruder zu finden, macht er sich zu Fuß auf den Weg, entgegen dem Strom der Glückssucher und Banditen, die nach Westen drängen. Sprachlich ausgefeilt, eine spannender, berührender Anti-Western, ein Drama mit einem feinen Ende. Die Epoche der Besiedlung Amerikas, Kaliforniens, wird hautnah eingefangen. Empfehlung! Weiter zur Rezension:  In der Ferne v

Rezension - Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

  Ein herrlich spaßiger, spannender Kinderkrimi! Mit Papa und seiner neuen Flamme in die Berge zum Wandern oder zu Oma Lore. Keine Frage! Bei der fetzigen Lore ist es immer lustig. Jetzt sitzt Pia aber seit über einer Stunde auf dem Bahnhof, ohne dass Oma sie abgeholt hat. Sehr seltsam. Omas Haus ist nicht weit entfernt; und so macht sich Pia mit ihrem Rollkoffer auf den Weg. Niemand öffnet die Tür! Durch ein offenes Fenster gelangt sie hinein. Doch Oma bleibt verschwunden. Die Detektivarbeit beginnt … Ein Pageturner, ein Kinderroman, eine waschechte Heldenreise, ein rasanter Abenteuerroman und nervenkitzelnder Kinderkrimi ab 8-10 Jahren. Unbedingt lesen!  Weiter zur Rezension:   Ist Oma noch zu retten? von Marie Hüttner

Die wichtigen deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchpreise 2021

  Deutscher Jugendbuchpreis 2021, Kinderbuchpreis 2021, Serafina (Illustration), Schweizer Jugendbuchpreis, Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis Wie heißt es so schön: Es ist geschafft! Natürlich gibt es eine Menge kleiner Preise für Kinder- und Jugendliteratur. Ich habe mir die wichtigsten deutschsprachigen herausgenommen: Drei nationale Preise, Deutschland, Österreich, Schweiz und den Preis für Illustration im Bilderbuch. Ich habe auch den neuen Kinderbuchpreis (eine Privatinitiative) mit hineingenommen, da er beachtenswert für Autoren und Verlage ist - und weil er in der Jury Kinder mit einbezieht. Deutscher Jugendliteraturpreis 2021 - Gewinner und Nominierte Die Preise der Kritiker- und Jugendjury sind mit je 10.000 Euro dotiert Sparte Bilderbuch  Gewinner: Sydney Smith  Unsichtbar in der großen Stadt Aus dem Englischen von Bernadette Ott Aladin Verlag Ab 4 Jahren Allein in der großen Stadt zu sein, ist manchmal unheimlich. Besonders, wenn man klein ist und alles um einen h

Rezension - Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz

Die Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft, die einige Krisen überwinden muss. Ein illustriertes spannendes Kinderbuch zum Vorlesen, ebenso für Erstleser geeignet. Ein Erdhörnchenkind und ein Wolf freunden sich an, haben manches Abenteuer zu bestehen und ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt. Weiter zur Rezension:    Ein Freund wie kein anderer von Oliver Scherz und Barbara Scholz