Rezension
von Sabine Ibing
Eine ngemein eigensinnige Auswahl unbekannter Wortschönheiten
Aus dem Grimmschen Wörterbuch
Ausgewählt von Peter Graf
Im April 1849 beginnt Jakob Grimm mit der Ausarbeitung der ersten Artikel für »Das Deutsche Wörterbuch«, das größte und umfassendste Wörterbuch zur deutschen Sprache. Er wendet sich den Buchstaben A, B, C zu, Bruder Wilhelm steigt beim D in die Arbeit ein - und es beginnt ein lexikographisches Martyrium. Erst 1971 wird das Werk mit Band 33 abgeschlossen, darin zeugen ca. 320.000 Stichwörter auf 34.824 Seiten von einem geradezu unfaßbaren Sprach-Reichtum. Das Grimmsche Wörterbuch ist die Wunderkammer und das Wortgedächtnis der Deutschen Sprache. Alleine schon das durch das Alphabet vorgegebene Zusammentreffen der aus den unterschiedlichsten Bereichen und Zeiten stammenden Wörter verleiht ihm eine unvergleichliche Poesie. ›Und jeder Eintrag im Grimm ist eine kleine Sitten- und Stilgeschichte.‹
Dieses Buch ist eine wahre Lust für Wortliebhaber, »ohne jeden wissenschaftlichen Anspruch«. Das original Grimmsche Wörterbuch ist eine Pracht des deutschen Vokabulars, aber natürlich ein ziemlich aufgeplustertes Ding. Peter Graf hat hieraus »drucklustig« eine eigne Sammlung zusammengestellt, einen »Schöneraritätenkasten«. – Etwa »Furzklemmer« (Geizhals) der Worte, da nur ein Prozent der Grimmschen Sammlung die Ehre erhält, hier versammelt zu sein? Nein, hier geht es eher um recht unbekannte Wörter, eine »Blütenlese«, ein »Wortmuseum«, wunderschön illustriert, auch konzipiert zum Familiengesellschaftsspiel: Rätselraten über Bedeutungen und ein Sprachspiel – selbst neue Begriffe ausdenken … Die deutsche Sprache ist einer der wenigen, durch die sich durch Zusammenstellung im Baukastensystem vieles neu erfinden lässt, wohl die vielfältigste, kreativste Sprache der Welt.
seine kenntnisz der geschichte ist wickelwackel, und seine kritik kikelkakel, loteriengewäsch. (Zelter in: br. zw. Goethe und Zelter)
Da setze ich mich auf meinen Leseesel und dilledelle vor mich hin mit diesem Buch in der Hand, das trotz meiner Augenblöde (Sehschwäche) und gönne mir derweil ein Schwellfötzchen (Merseburger Biersorte) - ich bin ja kein Bankbube (notorischer Weintrinker). Ein unterhaltsames Lexikon, ungemein kreativitätsfördernd. Eine Bereicherung für jeden, der mit Sprache zu tun hat, aber auch für den Leser, der Worte liebt. Seckelguckerisch – Leute (abgeleitet von den Astrologen), die es auf den Geldbeutel anderer abgesehen haben, ein passendes Wort – oder lieber schwärmerisch: die Sehnsuchtswimper, der Schwermutsduft, Glückseligkeitschimäre, Entschuldigungsschwamm – Da kommt der Seelenkanibal! (ein Atheist, eine abscheuliche Kreatur) Eine Schweinerung (Minderung) des Menschseins. Es gibt auch Hinweise auf Vokabeln, die von der NSDAP adaptiert wurden, militärische Vokabeln – sehr interessante Hinweise, die Peter Graf beilegt. Und man muss berücksichtigen, in welcher Zeit die Gebrüder Grimm lebten. Sie gehörten zu einer Gruppe von jungen Männern, die im Kreise der von Hülshoffs verkehren, befreundet mit Annette von Droste-Hülshoff. Die Deutschen hatten Napoleon gerade hinausgejagt aus dem Land, der so viele ausländische Sitten und Wörter mitgebracht hatte. »Deutschverderber« nannte man die Leute, die undeutsche Wörter und Sitten gebrauchten, wahrscheinlich auch Frühstücksfehler machten. Die jungen Studenten waren wieder wer, hielten die deutschsche Fahne hoch, deutsch und Vaterland, zu der Zeit wichtige Vokabeln. – Dies Wörterbuch ist ein Kleinod: witzig, spritzig, ein Spaß für jeden
Wortverliebten.
Zu der Gruppe um die Grimmbrüder gibt es einen wundervollen, humorvollen Roman, ein kurzer Teil aus dem Leben der Annette Droste von Hülshoff
Fräulein Nettes kurzer Sommer von Karen Duve
Oh, wie schön! Das Grimmsche Wörterbuch scheint unbedingt etwas für mich zu sein. :-) LG
AntwortenLöschenIna
Liebe Ina, dir als Nieszling der Worte wird das zuchtpolizeigerichtlich verordnet. ;-)
AntwortenLöschenJajaja!! :D
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