Rezension
von Sabine Ibing
Rette die Katze!
von Blake Snyder
‹Rette die Katze!› heißt die Drehbuchregel, laut der der Held, sobald wir ihm begegnen, etwas tun muss, das ihn in unseren Augen sympathisch macht, damit wir uns auf seine Seite schlagen können … (über drogensüchtige Killer in ‹Pulp Fiction›) - Quentin Tarantino … lässt sie witzig sein. Und ziemlich naiv. Auf fast kindliche Art machen sie sich über die Hamburgernamen in Frankreich lustig, und man kann eigentlich nicht anders, als sie sofort ins Herz zu schließen.
Ich liebe Syd Fields «Grundlagen des Drehbuchschreibens», Linda Segers «Vom Buch zum Drehbuch» und Robert McKees «Story». Es sind für mich die Klassiker zur Storyentwicklung. Grundlagen, Wirkung, schau genau hin, was passiert … Blake Snyder allerdings polarisiert mit diesem Ratgeber, der als die Holy-Bibel in Hollywood hochgehalten wird. Hier wird klar definiert, wie ein Drehbuch zu schreiben ist, minutiös: So funktioniert ein Film und wird ein Kassenschlager! Genau so und nicht anders. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich bei den meisten Hollywood-Filmen regelmäßig einschlafe. Ich kann nach 10 Minuten sagen, wer überlebt, wer mit wem eine Beziehung eingehen wird usw. Ich weiß, was sich ab der Mitte ändert und wie die Sache ausgeht. Alle drehen nach dem Blake Snyder-Rezept, aus Angst, der Film könne sonst ein Flop werden. Das gilt übrigens auch für viele Romane. Aus dem Dreiakter der aristotelischen Dramentheorie kann man eine Menge entwickeln. Man kann sich aber auch an die Heldenreise nach Joseph Campbel halten, um eine Abenteuergeschichte, Komödie, Thriller usw. zu entwickeln. Snyder geht hier noch viel weiter als Campbel: Bei einer Filmlänge von 110 Minuten muss das Thema spätestens bis zur 5. Minute gesetzt sein. Ab der 12. Minute geht der Protagonist auf seine Heldenreise. In der 30. Minute wird die B-Story eingespielt. Die härteste, böseste, abgründigste Szene für den Antagonistenauftritt setzt man zwischen der 55. und 75. Filmminute, in der 75. Filmminute tritt «Alles ist verloren» ein. Happy End. Und weil alles nach Schema Snyder läuft, sind alle Filme aus Hollywood gleich. Es gibt dazu ein Kapitel: «Dasselbe wie immer. Nur Anders!»
Grundlagen des Blogbusters
Was kann man aber trotzdem aus diesem Buch lernen? Das Grundprinzip, nach welchen Kriterien eine Story auf jeden Fall funktioniert. Ob das nun originell ist, sei dahingestellt. Ob man nun alles eingruppieren und kategorisieren muss, sei offen. Aber mal drüber nach zudenken, lohnt sich auf jeden Fall, denn fast jeder Roman / Film passt irgendwo hier hinein:Meine 10 Filmtypen:usw.
- Das Monster im Haus («Der Weiße Hai»,«Eine verhängnisvolle Affäre», «Panic Room»)
- Das Goldene Vlies («Der Zauberer von Oz»,«Zurück in die Zukunft»)
- Der Geist aus der Flasche («Der Dummschwätzer»,«Der Duft der Liebe»)
- Kerl mit Problem («Stirb langsam»,«Titanic», «Schindlers Liste»)
In diesem Buch wird gezeigt, wie man eine Geschichte aufbaut, die wie am Schnürchen läuft. Selbstverständlich funktionieren auch Geschichten, die nicht nach diesem Plan strukturiert sind. Etwas säuerlich ist mir bei dieser Kuchenrezept-Idee aufgestoßen, wie sich Blake Snyder sich mehrfach über französische Filme abwertend äußert. Ich persönlich halte sie für die besseren Storys, weil sie eben nicht einer Backmischung aus dem Supermarkt gleichen. Wenn man im Hinterkopf behält, dass dieses Buch nicht die Holy-Bibel ist, sondern lediglich ein Instrument, um einen gängige Plots zu entwickeln, kann man hier interessante Überlegungen mitnehmen.
Backmischungen aus dem Supermarkt sind nicht preisverdächtig
Kommen wir zu «Rette die Katze!» zurück. Großartige Regisseure waren doch immer dann besonders erfolgreich, wenn sie Regeln zu Fall brachten! Alfred Hitchcock, bringt die Hauptdarstellerin, die dem Zuschauer lieb geworden ist, in «Psycho» einfach um – DIE Filmszene. Sofort ist bei euch die Filmmusik im Kopf – stimmts? Eben darum war dieser Film ein Erfolg. Ich denke, Snyder hätte das Drehbuch zerrissen, weil es nicht in seinen Baukasten passt.Blake Snyder gilt als einer der einflussreichsten Drehbuchautoren Hollywoods. Blake Snyder (1957-2009) stieg mit acht Jahren ins Familiengeschäft ein, um für seinen Vater, den Fernsehproduzenten und Emmy-Gewinner Ken Snyder zu arbeiten. Seine Autoren-Karriere begann er für die Disney-Kinderserie Kids Incorporated, bevor er sich nach dreizehn Folgen dazu entschied, sich von nun an Vollzeit dem Drehbuchschreiben zu widmen. Es dauerte nicht lange, bis ein Fachblatt schrieb, Blake sei einer «von Hollywoods erfolgreichsten freien Drehbuchautoren» geworden. Im Laufe seiner Karriere verkaufte Blake Snyder viele Originaldrehbücher an die großen Studios, zwei waren Millionen-Deals, zwei seiner Bücher wurden produziert. «Stop! Oder meine Mami schießt», «Third Grade und Nuclear Family» gingen an Universal, «Poker Night», «Drips», «Mac Millionär» und «Herbie Comes Home» an Disney, «How I Joined the CIA» und «Big, Ugly Baby!» an Fox Familiy TV und «Alienators» an die Total Film Group. Nachdem «Rettet die Katze!» ein Bestseller geworden war, leitete Blake Snyder Workshops und Seminare für Drehbuchautoren und andere Filmschaffende an verschiedenen Universitäten.
Blake Snyder
Rette die Katze!
Original: Save the Cat, 2005
Sachbuch übers Drehbuchschreiben
Aus dem amerikanischen Englisch von Kerstin Winter
208 Seiten, Hardcover
Autorenhausverlag, 1915
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