Rezension
von Sabine Ibing
Munk
von Jan Weiler
Er nahm die Rolltreppe zur dritten Etage, griff sich plötzlich an den Hals, wo es schmerzte, bekam keine Luft mehr, machte sich bewusst, dass er dabei war, recht früh im Leben einen Herzinfarkt zu absolvieren, sank auf die Knie, fiel aber nicht vornüber, weil er nicht mit den Haaren oder Ohren in den Kamm der Treppe gesaugt werden wollte.
Erfolgreich und allein - liegt der einundfünfzigjährige Architekt Peter Munk mit einem Herzinfarkt auf der Rolltreppe in der dritten Etage eines Kaufhauses. Geradeso überlebt er. Doch es gibt niemanden, den er vom Krankenhaus aus benachrichtigen möchte. In der Reha, einem Fünfsternehotel, trägt sein Therapeut ihm auf, in seiner Selbsterforschung bei den Menschen zu beginnen, die ihn zu dem Mann gemacht haben, der er ist. Und so blickt Peter Munk erstmals auf die dreizehn Frauen seines Lebens und auf die Lektion, die er von jeder Einzelnen gelernt hat.
Dennoch gab es Menschen, die ihren Aufenthalt in so einem Fünfsternehotel mit einer latenten Trotzhaltung abhielten, weil sie aus ihrer Sicht dazu gezwungen wurden, gedünsteten Sellerie und Blattsalate mit Zitronensaft zu sich zu nehmen.
Dieser Roman ist so etwas wie eine Beziehungsautobiographie. 13 Frauen hat er verschlissen. Ein unterhaltsamer Roman in 13 Liebesgeschichten, mit Humor geschrieben. Sportlich, Nichtraucher, der selten Alkohol trinkt, auf sich achtet. Wie kann es sein, dass gerade er, Munk, dem Tod noch mal von der Schippe springen konnte? Munk geht in die Reha ins «Mönchhof-Resort», wo sich Promis tummeln, oft unter falschem Namen einchecken. Der Therapeut rät ihm, zu resümieren, was in seinem Leben schief gelaufen ist. Berufliche Erfolge, doch bei den Frauen lief es nicht richtig. Judith, die nach Patschuli roch, war die Erste; sie hat Munk die Unschuld geraubt.
Sie hatten noch vierzig Minuten zu fahren und die verbrachte Claudia damit, bei ihrem Munk wieder einmal ihren Kinderwunsch zu hinterlegen. Sie wollte drei. Er wollte keines.
Nadja war die Letzte; sie hatte ihm kürzlich den Laufpass gegeben, war mit einem Musiker durchgebrannt. Nadja hatte Munk benutzt, um beruflich die Leiter zu erklimmen, Munk war drauf reingefallen, und Naja musste lernen, dass Beziehungen nichts nützen, wenn man untalentiert ist. Damit was Munk uninteressant. Nicole, die Schlittschuhläuferin, war seine erste große Liebe. Und Claudia, war vielleicht die Richtige. 13 Liebesgeschichten, deren Haltbarkeitsdatum ablief, nichts Tiefgreifendes, lockerer Humor, leider nicht tiefschwarz – insgesamt ein Roman, durch den man schnell hindurch ist, gut geschrieben; allerdings ohne Nachhall, auch fehlt sämtlichen Figuren Tiefe. Schlichte Unterhaltung mit schlichten Geschichten, aneinandergereiht wie Perlen einer Kette. Selbst die Auseinandersetzung mit seinem Nazivater klingt schablonenhaft. Und ich gestehe, irgendwann wurde mir der Roman ein wenig langweilig, zu lesen, wie dem tapsigen unsympathischen Munk die Frauen eine nach der anderen einfach passieren. Man hätte sehr viel mehr draus machen können, mehr Dynamik oder schräge Typen, mehr Tiefe. Man kann den Roman gut lesen – aber wer es sein lässt, hat nichts verpasst. Hier fehlte der Doppelwums. Ich lebte ein Mädchen auf dem Mars – und das wars.
Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch «Maria, ihm schmeckt’s nicht!» gilt als eins der erfolgreichsten Romandebüts der Nachkriegszeit. Es folgten unter anderem: «Antonio im Wunderland» (2005), «In meinem kleinen Land» (2006), «Drachensaat» (2008), «Mein Leben als Mensch» (2009), «Das Pubertier» (2014), «Kühn hat zu tun» (2015) und «Im Reich der Pubertiere» (2016). Jan Weiler verfasst zudem Hörspiele und Hörbücher, die er auch selber spricht. Er lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in der Nähe von München.
Munk
Zeitgenössische Literatur, Liebesgeschichten
Harscover mit Schutzumschlag, 384 Seiten
Heyne Verlag, 2024
Zeitgenössische Literatur
Hier verbirgt sich manche Perle der Literatur. Ich lese auch mal einen Bestseller, natürlich, aber mein Blick ruht immer auf den kleinen Verlagen, auf den freien Verlagen. Sie trauen sich was - und diese Werke sind in der Regel besser als der Mainstream der meistgekauften Bücher …Zeitgenössische Roman
Kommentare
Kommentar veröffentlichen