Direkt zum Hauptbereich

Kunst! Forschen von Sigrid Eyb-Green - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Kunst! Forschen 


von Sigrid Eyb-Green


Ein Jugendbuch zum Kunstverständnis: Was ist Kunst, wer macht sie, wo ist sie zu Hause, woraus ist Kunst gemacht und wie verändert sie sich im Lauf der Jahre … Schon bei diesem Vorwort muss ich gestehen: Ich habe ein anderes Kunstverständnis … Hier wird gesagt, heute schauen wir uns Kunst meist im Museum an. In früheren Zeiten hatten die reichen Menschen auch zu Hause Kunst an den Wänden hängen: Portrais und Landschaftsbilder. Meine Definition ist da anders: Wer Reproduktionen zu Hause hängen hat, oder echte Kunstwerke, Fotografien, handgemachte Keramik, etwas Selbstgebautes, Gemaltes, Gestricktes, gebautes aus Speckstein, Holz, Metall … der hat Kunst zu Hause. Manch ein Garten ist Kunst und auf der Straße begegnen wir überall Kunst, vielleicht nicht gleich einem Bensky, doch aber Graffiti. Kunst ist so viel mehr als ein Bild im Museum.




Hier werden verschiedene alte Kunstwerke vorgestellt, erklärt, mit welchen Materialien gearbeitet wurde, die Zusammensetzung von Farben, woraus diese hergestellt wurden. Farbe unterliegt dem Verfall, und hier wird erläutert, welche Veränderungen, die Werke im Lauf der Zeit durchlitten haben. Viel historisches Wissen wird eingeflochten. Lang ausgewalzt erfahren wir etwas über den Prager Fenstersturz, dem Beginn des Dreißigjährigen Kriegs, der viele Künstler nach Straßburg brachte, weil es hier sicher war. Den Zusammenhang verstehe ich nicht wirklich um auf so komplizierte Weise Kindern Kunst nahezubringen. Nun wird auf einer aufklappbaren Doppelseite über vier Seiten der Porträtmaler Friedrich Brentel vorgestellt. Wir erfahren, was sehr interessant ist, wie man weiße und rote Farbe früher herstellte. Nun wird etwas über Kunst am Bau erklärt, wie die Politik Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg unterstützte mit Wandbildern und Skulpturen, um Künstlern finanziell weiterzuhelfen. Es werden ein paar interessante Kunstwerke gezeigt. Es geht nach Flandern und es wird dargelegt, wie die Städter zu Geld kamen und gern mit Bildern ihr Haus schmücken wollten. Ölbilder wurden sogar auf Märkten angeboten. Es werden Naturbilder von Otto Marseus vorgestellt und es wird erklärt, wir er echte Schmetterlinge in ein Bild einarbeitete.





Es geht weiter mit niederländischen Landschaftsbildern und der Erklärung, wie Blattwerk gemalt wird – dazu kleine Ausschnitte aus alten Ölbildern, düster, auf denen kaum etwas zu erkennen ist. Um Kindern zu zeigen, wie man Bäume und Blattwerk malerisch darstellt, gibt es eine Menge von guten Techniken, die man anschaulich und verständlich darstellen könnte. Zurück zu Farben wie Grünspan oder Malachit: Wie stellte man sie her. Nun geht es nach Florenz. Wie ist das Bild Maria und Engel entstanden, wie sah es aus, wie ist es restauriert worden? Eine Doppelseite über die Bedeutung folgt. Wir reisen ins 19. Jahrhundert nach London, bekommen die Stadt erklärt und landen bei J.M.W. Turner und dann geht es weiter zum Stahlstich, auch Siderographie genannt, ein grafisches Tiefdruckverfahren, das vor allem zur Herstellung von Banknoten, Briefmarken und für den Druck von Illustrationen eingesetzt wurde. Kunst ist wurde durch die Erfindung von Druckmaschinen auf Papier reproduzierbar. Warum der Stahlstich erwähnt wird und nicht die Lithografie und der Kupferstich, ist mir ein Rätsel. Wir tauchen wieder in die Geschichte ein, Karl I. und Karl II. Und Zack sind wir in der Karibik, die Güter wie Zucker und Rum nach England brachte; die Pest zieht in London ein, und eine Feuerkatastrophe wirkt verheerend … Mir fehlt auch hier wieder der Zusammenhang mit der Kunst in diesem Zusammenhang und auch der Sinn für diese geschichtlichen Exkurse. Und schon wieder wird ein berühmter Porträtmaler vorgestellt, Peter Lelys. Dann folgt eine Doppelseite zum berühmten Porträit von Elisabeth I. und noch eine Doppelseite zur Königin. Und noch ein Porträt: Christopher Hatton, an dessen Rand sich ein Bilderrätsel befindet. Zum Ende wird ein prächtiger Flügelaltar erklärt und wie im Spätmittelalter die Bestellung eines Altars für eine Kirche in der Schweiz bei einem Meister im süddeutschen Memmingen ablief.




Wie man ahnt, bin ich von diesem Kindersachbuch sehr enttäuscht. Ich hatte mich darauf gefreut. Aber wenn ich mich als kunstinteressierter Erwachsener bereits langweile, wie soll es einem zehnjährigen Kind ergehen? Ganz davon ab, dass dieses Buch textlich gesehen für mich erst ab 14 Jahren geeignet ist wenn überhaupt. Gut, es geht hier nicht wirklich darum, zu erklären, was Kunst ist, sondern ein Bild wird erforscht und man erklärt, die Geheimnisse dahinter. Aber mal ehrlich, dass sich Elisabeth I. immer nur von einer Position aus malen ließ, und foever young … das ist nichts Neues. Denn bekanntlich ließen die Herrschenden sich alle schöner, jünger, schlanker, rosiger, ohne Warzen und Pickel malen; photoshoppen ohne Elektronik. Ein unvorteilhaftes Bild hätte dem Maler den Kopf kosten können. Man möchte mit diesem Buch Faszination für die Materialien und Techniken, mit denen Kunstwerke hergestellt wurden bei den Jugendlichen wecken, so die Beschreibung. Für mich funktioniert die Auswahl der Werke für ein Kinder- bzw. Jugendbuch nicht. Die Autor:innen hinterlassen den Eindruck, Kunst bestehe lediglich aus düsteren alten Ölbildern und der Begriff Kunst hört um 1880 auf … Doch genau zu diesem Zeitpunkt brachte die Kunst eine Menge neuer Aspekte, Stilrichtungen auf, entfernte sich von der fotografischen Darstellung. Für mich ist die Auswahl der Bilder nicht passend für den Kinder- und Jugendbereich. Ein altes Portrait, gut, aber nicht ausschließlich. Textlich richtet sich das Sachkinderbuch ab Kinder 10 Jahren – was mich schockiert. Oberstufe, Leistungskurskurs Kunst – das ginge gerade – oder besser noch für Kunststudenten. Wo waren hier die Lektor:innen? Neben der ziemlich gehobenen sprachlichen Gestaltung, die sich wissenschaftlich orientiert, ist mir die Form der Darbietung ebenfalls nicht kindgerecht. Ich persönlich wollte etwas über Kunst lesen, nichts über die Weltgeschichte. Immer wieder werden seitenlang historische Ereignisse eingeflochten, Personen vorgestellt – die letztendlich nichts mit dem Thema zu tun haben. Sicherlich hat die Autorin sich viel Mühe gegeben, was ich achte. Aber dies ist kein Buch für Kinder! 
 



Sigrid Eyb-Green wurde 1974 in Wien geboren. Nach einigen Semestern Studium der Landschaftsplanung an der BOKU verbrachte sie ein halbes Jahr auf einem Demeter-Hof in Nordirland. Schließlich absolvierte sie ein Studium der Konservierung-Restaurierung an der Akademie der bildenden Künste und arbeitete danach als freie Restauratorin in New York, später in Wien. 2002 kehrte sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Akademie zurück, wo sie seither den Studienschwerpunkt Papierrestaurierung betreut. 2011 veröffentlichte sie ihr erstes Kinderbuch „Siebensemmelhunger“. Sie lebt in Wien.



Sigrid Eyb-Green
Kunst! Forschen
Sachkinderbuch, Kunst, Restaurierung, Farbherstellung, Kinderbuch, Kinder- und Jugendbuch
Hardcover, ‎ 82 Seiten, 24 x 33.1 cm
Jungbrunnen Verlag 2022
Altersempfehlung: ab 10 Jahren (vom Verlag) – von mir ab 14 Jahren frühestens – eher Oberstufe für den Leistungskurs Kunst



Kunst  in der Kinder- und Jugendliteratur

Kunstrichtungen, die großen Maler - kennenlernen und verstehen. Die Kinder- und Jugendliteratur bietet eine Menge Bücher, um Bekanntschaft mit Künstlern zu machen und mit deren Ideen.

Neugierig? Hier geht es zur Seite: Kinder- und Jugendliteratur - Kinder und Kunst










Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

  Ein atmosphärisch dichter und spannender Schweden-Krimi von Hans Rosenfeldt, bekannter Krimiautor und Drehbuchautor (skandinavische TV-Serie «Die Brücke», britische Fernsehserie «Marcella» über Netflix) erwartet uns mit dem Auftakt einer neuen Serie. Die Erwartungen waren hoch. Rosenfeldt hat geliefert. Die Kleinstadt Haparanda, nahe der finnischen Grenze, wird zufällig zum Schauplatz eines Drogendeals. Wer hat die Drogen und das Geld, wer wird sie am Ende bekommen? Der einzige der durchblickt, ist der Leser – Dank Mehrperspektivität. Denn alle Protagonisten tappen im Dunkeln – wissen nichts voneinander. Ein komplexer und spannungsreicher Thriller! Weiter zur Rezension:    Wolfssommer von Hans Rosenfeldt

Rezension - Kalte Füße von Francesca Melandri

  Im Winter 1942/43 flohen italienische Soldaten in Schuhen mit Pappsohlen vor der Roten Armee, Zehntausende erfroren. Der «Rückzug aus Russland» hat sich als Trauma im kollektiven Gedächtnis Italiens eingebrannt - auch in der Familie von Francesca Melandri, einer der wichtigsten Autorinnen Italiens. Ihr Vater hat ihn überlebt. Doch erst als Anfang 2022 Bilder und Orte des Kriegs in der Ukraine omnipräsent sind, wird ihr klar: Der Vater ist vor allem in der Ukraine gewesen. Sie tritt mit ihrem verstorbenen Vater in ein Zwiegespräch, wobei sie den Krieg damals mit dem Heutigen in der Ukraine vergleicht. Und es ist eine Abrechnung mit der italienischen Linken. Empfehlung, unbedingt lesen! Weiter zur Rezension:    Kalte Füße von Francesca Melandri 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Die Grille in der Geige von Anna Haifisch

  Eines Sommers findet eine wandernde Grille im Wald eine alte Geige. «Wie praktisch!», ruft sie und zieht in das geräumige Instrument ein. Sie töpfert und zieht Nudeln und des Nachts zupft sie die Saiten, erfreut alle Insekten und Mäuse in der Umgebung mit ihrer Musik. Doch als ein bitterkalter Winter das Land überzieht, stürmen die Insekten das Heim der Grille, zerhacken es und zünden es an … Ein humorvolles Bilderbuch ab 4 Jahren – Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Grille in der Geige von Anna Haifisch 

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann. Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

  Am Fuße der Elk Mountains in Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in fünfter Generation in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater, dem Onkel und ihrem Bruder Seth. In der Stadt begegnet sie Wilson Moon, und beide fühlen sich sofort zueinander hingezogen. Dramatische Ereignisse zwingen Victoria, selbst das Leben in die Hand zu nehmen. Ein wenig schwülstig, doch gut lesbar, atmosphärisch, ein Familienroman, ein Coming-of-age – gute Unterhaltung … eine Hollywood-Geschichte. Die Pilcher-Fraktion wird begeistert sein!  Weiter zur Rezension:    So weit der Fluss uns trägt von Shelley Read

Rezension - Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

  1983, der Polizist Noah Scott ist besessen davon, den Serienmörder Bible John zu erwischen. Er steht im Verdacht, Frauen, die aus Diskotheken verschwanden, nie wieder auftauchten, ermordet zu haben. Seit Jahren ist Noah an dem Fall dran, und er glaubt, den Täter identifiziert zu haben. Er folgt John Clyde und es gelingt ihm, auf seinem persönlichen Friedhof die Handschellen anzulegen – doch dann krampft sich etwas in seiner Brust zusammen und es wird schwarz vor seinen Augen … Ein spanischer literarischer Thriller vom Feinsten! Weiter zur Rezension:    Wenn das Wasser steigt von Dolores Redondo

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz Karnauchow und Petra Thees

  Alter könnte so schön sein. Doch ältere Menschen werden in unserer Gesellschaft diskriminiert. Schlimmer noch, sie denken sich alt und grenzen sich selbst aus, sagen die Autor:innen. Das hat Folgen: Krankheit und Gebrechlichkeit im Alter gelten als normal. Altenpflege folgt daher dem Prinzip «satt, sauber, trocken». Und genau dieses Prinzip kritisieren Dr. Petra Thees und Lutz Karnauchow und gehen mit ihrem Ansatz neue Wege. Dieses Buch stellt einen neuen Blick auf das Alter vor - und ein radikal anderes Instrument in der Altenpflege. «Coaching statt Pflege» lautet die Formel für mehr Lebensglück im Alter. Ältere Menschen werden nicht nur versorgt, sondern systematisch gefördert. Das Ziel: ein selbstbestimmtes Leben. Bewegung, Physiotherapie und Sport statt herumsitzen! Ein interessantes Sachbuch, logisch in der Erklärung, ein mittlerweile erfolgreiches, erprobtes Konzept. Weiter zur Rezension:    Alt, fit, selbstbestimmt: Warum wir Alter ganz neu denken müssen von Lutz...