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Kindstod von Ralf Romahn - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing


Kindstod 


von Ralf Romahn

Mord in Berlin-Mitte und andere Kriminalfälle


Der Anfang:  Es war im Frühjahr 1983 und ich Leutnant der Kriminalpolizei. Mir war signalisiert worden, dass ich am Tag der Volkspolizei, also am 1. Juli, noch einen Stern auf die Silberlitze bekommen würde.

Das war nicht mein Buch, aus verschiedenen Gründen. Erstmal hatte ich eine andere Erwartung – was manchmal passiert, mich aber trotz allem ein Buch begeistern kann. Hauptsächlich lag es an der Sprache selbst und an der Erzählweise. Hier plaudert ein ehemaliger Oberstleutnant der Volkspolizei aus seinem Leben. In der ersten Geschichte erfahren wir, wie er Polizist wurde und einen Betrüger zur Strecke brachte. Dieser hatte sich Briefbögen und Blanko-Rezepte zusammengeklaut, dazu Stempel, auch die von staatlichen Institutionen, um sich nebenbei sein Konto aufzubessern. So zum Beispiel wies er «als Professor einer Klinik» schriftlich dem Wohnungsamt an, ihm eine Wohnung zu vermitteln (in Berlin war es schwierig, an eine Wohnung heranzukommen), da er als gehbehindert aus der Klinik auf dem Papier entlassen war. Die Wohnung vermietete er dann gewinnbringend an jemanden weiter. Der Betrüger wird ruckzuck geschnappt und verurteilt. Nach Absitzen der Strafe hilft vermittelt der Oberstleutnant dem Mann eine Arbeit, trifft ihn später wieder – ein geläuterter Gauner. Der plaudernde Tonfall, der Lebenslauf des Polizisten und die unspektakuläre Straftat hinterließen bei mir einen gelangweilten Eindruck – eher eine Geschichte für DDR-Nostalgiker. Es ist auch nicht hilfreich, wenn die Sprache stilistisch aus einfachem Holz geschnitzt ist. 

Der Ermittler ist befangen

Beim zweiten Fall geht es plaudernd weiter. Eine tote Frau, ob nun ein Verkehrsunfall beim Sex durch Strangulation oder ein Mord, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Da der Oberstleutnant die Dame kennt, kann er nicht ermitteln, dies könnte als Befangenheit ausgelegt werden. Hier habe ich quer gelesen, sonst wäre ich beim Lesen eingeschlafen. 


Spannung sieht anders aus

Der dritte Fall, der als Klappentext herhält und als Titel, spannt sich über ca. 40 Seiten, die Hälfte von den beiden anderen Geschichten. Eine Mutter meldet in Berlin-Mitte die Entführung ihres Kindes, das später tot in einem Müllcontainer gefunden wird. Auch hier habe ich quer gelesen. Fazit: Eigentlich gab es keine ernsthaft bösen Buben und Mädchen in der DDR, Mörder gab es so gut wie gar nicht und die Polizisten waren alles nette Kerle. Nette heile Welt, so ziemlich jedenfalls.

Ralf Romahn, geboren 1953 in Zwickau, begann seine Laufbahn als Streifenpolizist und war schließlich Leiter des Dezernats »Leben und Gesundheit« in Berlin-Mitte. Als Oberstleutnant bei der Volkspolizei und nach 1990 als Kriminaloberrat befasste er sich mit den Fällen nahe der deutsch-deutschen Grenze. Heute lebt er als Pensionär in Berlin.


Ralf Romahn  
Kindstod 
Mord in Berlin-Mitte und andere Kriminalfälle
Krimi, Kurzgeschichten
224 Seiten
Verlag Das Neue Berlin, bei Eulenspiegel 2019





Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller






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