Rezension
von Sabine Ibing
Kaltes Licht
von Garry Disher
Der erste Satz: An einem milden Oktobermorgen glitt in der Nähe von Pearsdale, südöstlich von Melbourne, eine Schlange auf dem Weg von hier nach da über die Ecke der Veranda.
Der Australier Garry Disher ist einer der besten Krimiautoren. Das hat er mir diesem Roman wieder bestätigt. Im Garten einer Farm gleitet eine Schlange über den verdorrten Rasen, schlüpft unter eine verwitterte Betonplatte. Die aufgeschreckte Familie lässt den Schlangenfänger kommen, doch der buddelt etwas ganz anderes aus: Unter der Platte kommt ein Skelett zum Vorschein. Ein Fall für die Abteilung für ungelöste Verbrechen, in der Sergeant Alan Auhl verstaubte cold Cases bearbeitet. Auhl, 50 Jahre alt, selbst ein wenig verstaubt, er war bereits in den Vorruhestand gegangen, aus dem man ihn zurückgebeten hatte, weil es an Personal mangelt. Wer mag der «Plattenmann» sein, der mehr als 10 Jahre hier verbuddelt liegt? Das Haus, das hier einmal stand, existiert nicht mehr, die Farmer hatten neu gebaut, das Land von einer Immobilienfirma gekauft. Die Ermittlung erweist sich als kompliziert und weitläufig. Zusammen mit Detectives Claire Pascal und Josh Bugg geht er auf Spurensuche – eine Puzzlearbeit. Eine eine obskure Religionsgemeinschaft gerät in den Kreis der Verdächtigen.
Einer, der sich für die Schwachen einsetzt
Es wurde immer später und Auhl brütete vor sich hin. Männer wie Kelso, Fenning – Alec Neill. Ihre Anmaßung, ihre Vetternwirtschaft, ihre Macht, ihr Gefühl, ein Anrecht auf etwas zu haben. Erstschlagmänner: Sie packten die Gelegenheit beim Schopf, während der Rest der Welt alles erst durchdachte.
Chateau Auhl - ein Auffangbecken
Privat lebt Auhl in einem großen Stadthaus in Melbourne, das er geerbt hat. Die meisten Zimmer hat er untervermietet an Studenten, Doktoranden, alleinstehende Frauen, gern werden die Zimmer als Durchgang zu einem neuen Leben genutzt. Eine von ihnen ist Neve Fanning, die mit ihrer kleinen Tochter Pia im «Chateau Auhl» derzeit wohnt. Auhl unterstützt sie psychisch, denn sie steckt in einem komplexen Sorgerechtsprozess. Der Exehemann überzieht sie mit Prozessen und Gutachten. Pia besucht den Vater nicht gern, der Polizist spürt, dass hier mehr dahintersteckt.Kann sich hier einer alles herausnehmen?
Sie traten auf die Veranda, Auhl fotografierte den Benzinkanister, die Brechstangen und den Hammer. … Flur und Zimmer waren ordentlich, die Stühle, die Tische, die Bücherregale und Betten eine Mischung aus Ikea ud gehobenen Möbelhaus. Doch so ordentlich würde es nicht bleiben. Auhl forderte die KT an.
In einem seiner cold Case Fälle versucht Auhl, einem Chefarzt nachzuweisen, dass seine Frau nicht an einer plötzlichen Übelkeit starb, sondern von ihrem Mann ermordet wurde – der Fall wird abgeheftet. Schon damals hatte Auhl gegen ihn ermittelt, als die erste Frau verstarb – was als plötzlicher Herztod ad acta gelegt werden musste. Nun kreuzt Frau Nummer drei auf, Janine, behauptet, ihr Mann trachte ihr nach dem Leben. Der Arzt wiederum behauptete napp vor ihr im Revier, Janine habe damals seine Frau umgebracht, um den Weg für sich selbst frei zu machen. Und nun wolle sie ihn umbringen. Wer von beiden lügt?
Einer der besten Krimiautoren
Alan Auhl ist ein guter Mensch mit einem großen Herz, ein Mann der Gerechtigkeit. Und er ist ein guter Cop! Ein Mann, der für das Recht arbeitet und für Gerechtigkeit steht. Recht und Gerechtigkeit passen bekanntlich nicht immer zusammen. Ein komplexer Fall, der genau so passiert sein könnte. Die Schlange der Versuchung am Anfang in Szene gesetzt. Verschlagene, verbissene Typen, Lügner, Soziopathen, Abhängigkeiten – Garry Disher schaut in den Menschen hinein. Was macht das Leben aus Opfern? Macht, Gehorsam, wie fühlt es sich an, sich nicht wehren zu können? Auhl ist ein ruhiger Mensch, sehr überlegt, und so wird dieser Noir- Stoff ganz unaufgeregt an den Leser herangetragen. Garry Disher ist für mich einer der besten Krimiautoren. Jeder Handlungsstrang sitzt perfekt, jeder Dialog. Nicht ein überflüssiges Wort. Klar, ein Krimi von Disher ist nicht einfach ein Krimi – das ist er nie. Vielseitig, vielschichtig, ein Meister seines Genres. Jeder Roman von Garry Disher ist wieder völlig anders gestaltet – aber alle sind sie grandios – spannend und tiefgründig.Garry Disher, geboren 1949, wuchs im ländlichen Südaustralien auf. Er schreibt Romane, Kurzgeschichten, Kriminalromane und Kinderbücher. Sein Werk wurde für den Booker Prize nominiert und mehrfach ausgezeichnet, u. a. dreimal mit dem Deutschen Krimipreis sowie mit dem wichtigsten australischen Krimipreis, dem Ned Kelly Award. Garry Disher lebt an der Südküste von Australien in der Nähe von Melbourne.
Weitere Rezensionen zu Garry Disher
Leiser Tod von Garry DisherGarry Disher
Kaltes Licht
Originaltitel: Under the Cold Bright Lights, 2017
Aus dem australischen Englisch übersetzt von Peter Torberg
Kriminalroman , Noir-Krimi
Unionsverlag, 2019
Kommentare
Kommentar veröffentlichen