Rezension
von Sabine Ibing
Faust
von Alexander Pavlenko und Jan Krauß
Graphic Novel nach Goethes FAUST I
Dass ich erkenne, was die Welt
Im Innersten zusammenhält. (Faust)
Der Tragödie erster Teil Faust, Mephisto und Gretchen als Graphic Novel. Alexander Pavlenko wollte in seiner Graphic Novel-Adaption den Erzählfluss halten, die Atmosphäre des Romans illustratorisch einfangen. Das ist ihm gelungen. Die düstere Stimmung und der Zeitgeist des Klassikers werden sehr fassbar in Bilder übertragen. Die Charaktere sind fühlbar umgesetzt. Faust als Comic umzusetzen bedarf die Kunst, die Essenz aus Klassiker zu ziehen, sie ins Visuelle umzusetzen. Das ist gelungen.
Am 16. August 1772 wartet eine fahrende Theatertruppe auf dem Römerberg in Frankfurt auf ihren Auftritt. So beginnt dies Graphic Novel. Der Theaterdirektor und der Autor diskutieren über die Kunst, das Publikum und die Jugend. Auf dem Programm steht die Geschichte um den Wissenschaftler Dr. Faust, der einen Pakt mit dem Teufel schließt – um die Gretchenfrage.
Die Geschichte ist klar vermittelt. Was mir hier aber zu kurz kommt, ist Goethe selbst, seine Sprache. Ich hatte nicht ganze Textpassagen erwartet, doch ein paar kurzen Sätze, wie: «Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.», «Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehn» oder «Die Kirche hat einen guten Magen, hat ganze Länder aufgefressen. Und doch noch nie sich übergessen.» Solche Zitate hätten wunderbar hineingepasst. Es wurde inhaltlich der Roman transportiert, richtig – aber für mich mit blassen Worten. Man kommt mit dieser Graphic Novel zwar der Geschichte von Goethe näher, aber nicht seinem Sprachreichtum. Etwas, was mich wirklich gestört hat.
Klar, es gibt ein paar Originalzitate, allerdings spärlich und nicht markiert. Auch wenn man sich für eine moderne Sprache entscheidet – was ich befürworte, so gibt es genügend Zitate, die heute zum Sprachgebrauch gehören, die sehr gut hineingepasst hätten.
Beispiel aus dem Comic: «Ich habe Philosophie, Recht, Medizin und – leider – auch Theologie studiert … nur um zu erfahren, dass wir nichts wissen können. Nichts.»
Original Goethe: «Habe nun, ach! Philosophie, /Juristerey und Medicin, /Und leider auch Theologie! /Durchaus studirt, mit heißem Bemühn. /Da steh’ ich nun, ich armer Thor! / Und bin so klug als wie zuvor; /Heiße Magister, heiße Doctor gar,/ Und ziehe schon an die zehen Jahr, / Herauf, herab und quer und krumm, / Meine Schüler an der Nase herum – / Und sehe, daß wir nichts wissen können!»
Man muss eben nicht den gesamten Text von Goethe umsetzen, doch den weltberühmten Satz, habe ich hier vermisst: «Da steh’ ich nun, ich armer Thor! Und bin so klug als wie zuvor.» Alles Geschmacksache. Wie gesagt, zeichnerisch ist die Geschichte wunderbar umgesetzt. Bei der Walpurgisnacht genügt die Illustration.
Alexander Pavlenko hat nach seiner Ausbildung in Trickfilmkunst bei mehreren Filmstudios in Moskau gearbeitet sowie Science Fiction- und Abenteuerromane illustriert. Seine Comics wurden in Deutschland („Herzl“, „Menschenblut“, „Schattenseiten“, „Sprühende Phantasie“ etc.), Frankreich, Japan, England und Russland publiziert. Pavlenkos Videokunst und Grafiken wurden vielfach international ausgestellt.
Jan Krauß hat Politologie, Romanistik und Philosophie studiert. Er lebt in Frankfurt. Von ihm liegen der Nietzsche-Remix „Der dritte Dionysos“ und das Kinderbuch „Thors Hammer“ vor.
Trailer:
Faust
Graphic Novel nach Goethes FAUST I
Graphic Novel, Comic, Goethe, Faust, Klassiker
Hardcover, 168 Seiten, 175 x 230 mm
Edition Faust, 2022
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