Direkt zum Hauptbereich

Esthers Tagebücher 2 von Riad Sattouf - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Esthers Tagebücher 2 
Mein Leben als Elfjährige 

von Riad Sattouf 

(Graphic Novel)


Im letzten Jahr begann diese Graphic Novel um Esther, insgesamt sollen es 8 Jahre – 8 Bücher werden. Der erste Teil hat mich begeistert und der zweite steht dem keinesfalls hinterher. In Esthers Klasse pubertieren die ersten, einige reden nur noch von Liebe, andere können damit noch nichts anfangen, die ersten Brüste sprießen. Und für Esther ist immer noch kein iPhone in Sicht, das erhält sie erst in der weiterführenden Schule. So ein Mist, Esther ist bitterarm … Doch es gibt andere Kinder, die haben ein Phone und mit denen kann man Dinge schauen, die Esthers Eltern nicht erlauben. Auch darf sie nicht allein abends draußen herumspazieren. Das Leben ist hart, insbesondere, wenn man einen bekloppten großen Bruder hat, der nur nervt. Esther liest gern. Ihr Berufswunsch ist auch ganz klar definiert: Esther wird Verlegerin. Warum nicht Autor? Verleger haben das Sagen, schnauzen auch mal die Autoren an, so jedenfalls erzählt ein Autor, ein Freund der Eltern. Verleger müssen nicht schreiben, sie lesen viel, klar doch, warum Eszher Verlegerin werden will. Im letzten Band war Esthers Mutter schwanger. Und nun bekommt Esther einen Bruder – Schwester wäre besser gewesen, aber der ist ziemlich niedlich. Da Esther gut in der Schule ist, darf sie eine Prüfung für ein Stipendium für ein Elite-Gymnasium machen, das sich die Eltern nicht leisten könnten. Ein Test und fiese Fragen über ihre Familie warten auf sie. Wird sie aufgenommen oder muss sie auf das öffentliche Gymnasium gehen, auf dem der große Bruder ist? Bekommt Esther ihr iPhone?



Ich liebe meine Mutter sehr. Aber komisch, ich finde, sie hat nicht viel mit meinem Vater gemein.

Esther ist real

Esther gibt es wirklich, sie hat im Original einen anderen Namen und sie ist die Tochter eines Freundes von Riad Sattouf. Ich hoffe inständig, dass sie sich 8 Jahre lang von Riad Sattouf nerven lässt und es nicht irgendwann satt hat, als Comicfigur aufgeblättert zu werden. Die beiden treffen sich einmal in der Woche und wöchentlich zeichnet Sattouf eine Seite, eine Geschichte aus Esthers Leben. 52 Wochen, 52 Geschichten. Riad Sattoufs Zeichnungen beziehen sich auf das Wesentliche, Farbe wird wenig, dafür gezielt eingesetzt, nur zwei Farben pro Seite. Manche Zeichnungen haben einen »Übertext« oder einen »Untertext« nebst Sprechblasen sind manchmal Neben- und Randbemerkungen von Esther mit Pfeilen auf die Objekte gerichtet, was den Tagebuchcharakter unterstreicht. Als Leser erleben wir die Sicht von Esther, die nicht immer alles versteht, sich ihre Gedanken macht. Kinder sind ehrlich – Kinder sind brutal, fies – schwarz oder weiß, die Grauschattierungen lernt man erst später zu erkennen. Kinder können auf den Wecker fallen oder einfach nur knuddelig sein. Esther wäre so gern im Klub. Hier gehören automatisch alle dazu, die weiße Sneakers von »Stan Smite« tragen. Oh, was ein Mist, wenn man die nicht bekommt! Und Papa isst so gern Garnelen – igitt. Schau es dir genau an (auf der Zeichnung) - Garnelen und Kakerlaken, das ist ein und dasselbe! Die Welt zu verstehen ist nicht immer einfach. Da verwechselt man schnell die linksradikalen Vermummten mit den rechtsradikalen Vermummten. Wo ist denn da bitte der Unterschied?



Riad Sattouf trifft genau den richtigen Ton

Die Fragen, die Esther sich stellt, ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, sind real, ebenso ihre Sprache, die der anderen Kinder. Riad Sattouf kann sehr genau beobachten und zuhören, denn er trifft genau den richtigen Ton. Neunmalklug, naiv, ängstlich unsicher, selbstbewusst, die richtigen Fragen stellend, die Serie ist nicht schlicht ein Comic, es ist ein gesellschaftliches Buch, eins das den Nerv der Zeit trifft. Für den ersten Teil der Serie, »Esthers Tagebücher 1: Mein Leben als Zehnjährige« erhielt Riad Sattouf in diesem Jahr den »Max-und-Moritz-Preis« für den besten internationalen Comic.

Christian Gasser sagte in seiner Laudatio: In zwanzig Jahren gehören ‚Esthers Tagebücher‘ zur Standardlektüre angehender Soziologen; wir haben das Privileg, diese Serie sozusagen live zu lesen – und einiges zu erfahren über unsere Zeit.

Dem kann ich mich nur anschließen. Für mich ist diese Serie eine der besten, die derzeit im Jugendbuchbereich herausgegeben wurden! In Frankreich ist Riad Sattouf als Comiczeichner ein Star. Seine Comics wurden in der Zeitung »Charlie Hebdo« bekannt. Auf Deutsch sind bisher »Meine Beschneidung« und die Serie »Der Araber von Morgen« bekannt.

Hier geht es zu: 

Esthers Tagebücher -Mein Leben als Zehnjährige 



Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Das Nest von Sophie Morton-Thomas

  Ein Küstenort in Großbritannien, wo das Marschland auf den Ozean trifft, wo Vögel die bessere Gesellschaft sind, lebt Fran eine ereignislose Routine. Sich um den Campingplatz kümmern, der mit Mobilheimen ausgestattet ist, ihren Sohn von der Schule abholen, Abendessen kochen. Mit Dom, ihrem Mann, läuft es nicht mehr so, ihre Schwester lebt mit ihrer Familie in einem Wagen, zahlt keine Miete, dem Schwager hatte sie den Entzug finanziert und jetzt trinkt er wieder, hat keine Arbeit. Freude findet Fran nur an den verschiedenen Vogelarten, die sie am Strand beobachten kann; sie hat auch ein Häuschen zur Beobachtung finanziert. Und nun entdeckt sie ein Nest mit einer seltenen Vogelart, hofft, dass die Jungen ausschlüpfen werden. Und verschwindet die Lehrerin … Ein leiser Thriller. Weiter zur Rezension:    Das Nest von Sophie Morton-Thomashttps

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

  Der Sommer, in dem Motte ein U-Boot fand, fing ziemlich normal an. Langweilig sogar. Doch auf einmal liegt das Schicksal der ganzen Stadt in ihren Händen. Es sind Ferien, aber Mottes Mutter muss arbeiten, einen Urlaub könnten sie sich nicht leisten. Sie ist als Personalcoach unterwegs: Mode, Schminke, Sport, Gesundheit, Ernährung. Und genau das interessiert Motte so gar nicht. Am Kai zeigt ihr Lukas das Metallfischen – ein perfektes Hobby für Motte, die neben schwarzer Kleidung das Unperfekte an Dingen liebt. Sie kauft sich einen Magneten zum Metallangeln. Vielleicht kann man sich etwas verdienen, wenn man Altmetall zur Altmetallhändlerin bringt; sie sammelt ihre ersten Schätze, die die Mutter eklig findet. Plötzlich hängt etwas ganz Großes an der Angel! Spannender Kinderroman ab 9/10 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Motte und die Metallfischer von Sanne Rooseboom und Sophie Pluim

Interview mit Christina Clemm von Sabine Ibing

  © Sibylle Baier, Antje Kunstmann Verlag Christina Clemm arbeitet als Strafverteidigerin und als Nebenklagevertreterin von Opfern sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt. Deutschlands bekannteste Fachanwältin für Straf- und Familienrecht in Berlin und war Mitglied der Expertenkommission zur Reform des Sexualstrafrechts des BMJV, Aktivistin und politisch aktiv für Geflüchtete und von Gewalt Betroffene. Nach den neuesten Zahlen des BKA ist jede dritte Frau in Deutschland von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. In ihrem Buch «AktenEinsicht – Geschichten von Frauen und Gewalt» nimmt sie uns mit auf eine Reise in die Gerichtssäle der Republik, an die Tatorte, in die Tatgeschehen. Mit  «Gegen Frauenhass» zeigt sie die Mechanismen patriarchaler Gewalt und fordert, dass sich endlich etwas ändert. Hier mein Interview mit Christina Clemm. Weiter:   Interview mit Christina Clemm von Sabine Ibing

Rezension - Lázár von Nelio Biedermann

  «Ein wirklich großer Schriftsteller betritt die Bühne, im Vollbesitz seiner Fähigkeiten.», so wird von ihm geschrieben. Nelio Biedermann schreibt mit 20 Jahren sein erstes Buch und das Manuskript geht in die Versteigerung – die Verlage überbieten sich, es wird in 20 Sprachen verkauft, man redet über ein sechsstelliges Vorschusshonorar – über den neuen Thomas Mann . Uff. Ich war gespannt. Mich konnte der Familienroman nicht überzeugen – leider. Weiter zur Rezension:    Lázár von Nelio Biedermann

Rezension - Flusslinien von Katharina Hagena

  Gesprochen von Ruth Reinecke, Chantal Busse, Julia Nachtmann, Jesse Grimm Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer 11 Std. und 15 Min. Margrit Raven ist hundertzwei und wartet auf den Tod. Früher war sie Stimmbildnerin , jetzt lebt sie in einer Seniorenresidenz an der Elbe . Die Erinnerungen und Ausflüge in einen Park halten Margrit am Leben - und die Besuche ihrer zornigen Enkelin Luzie, die sich kurz vor dem Abitur von der Schule abgemeldet hat. Sie übernachtet nun allein in einer Hütte für Sportler an der Elbe, will Tätowiererin werden. Und dann ist da noch Arthur. Wenn er gerade niemanden zur Dialyse fährt, sucht er mit einer Metallsonde den Strand der Elbe ab, erfindet Sprachen, kämpft für gefährdete Arten und ringt mit einer Schuld. Zu viel hier und da gefischt, irgendwie zusammengekocht, ein Einheitsbrei, bei dem mir die Tiefe zu einem Thema fehlte. Sprachlich gut, das haut es raus – aber alles zu weit ausgewalzt. Weiter zur Rezension:    Flusslinien von Katharina Hag...

Rezension - Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes von Stefan Rasch, Simon Rasch und Anja Abicht

  Ein mächtiges Kinderbuch! Schwer an Gewicht, eine lange witzige, fantasievolle Geschichte. Der Hase Hollywood und seine Freunde betreiben ein Gasthaus in einer einsamen Bucht am Ende der Welt. Eines Tages taucht ein gefürchteter Piratenkapitän bei ihnen auf und vergisst doch glatt seinen Seesack unter dem Tisch. Darin befindet sich alte Schatzkarte und ein geheimnisvoller rosa Glitzerball. Der Ball entpuppt sich als Ei, aus dem ein kleiner Drachen schlüpft. Und damit beginnt eine abenteuerliche Reise zur Schatzinsel, denn auf der Karte sind auch die Drachen verzeichnet, den das Hasen-Team zu seinen Eltern bringen möchte. Sehr feine Illustrationen, grundsätzlich eine gute Geschichte, aber grobe handwerkliche Fehler für den Kinderroman. Weiter zur Rezension:     Hase Hollywood und das Geheimnis des Drachenlandes von Stefan Rasch, Simon Rasch und Anja Abicht 

Rezension - Was danach kommt von Anika Suck

  Karmen passt einen Moment beim Autofahren nicht auf und verursacht einen Verkehrsunfall mit tragischem Ausgang – ein Kind ist tot. Es sind nur ein paar Sekunden, die Karmens Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Denn im darauffolgenden Prozess muss sie sich einer Schuld stellen. Von der Presse Kindsmörderin getauft und von der Empörungsgesellschaft vorverurteilt, wird sie auch von ihrem sozialen Netz fallen gelassen. Am Ende muss Karmen selbst entscheiden, ob sie schuldig ist oder nicht. Mich konnte das Buch nicht überzeugen, da für mich die Darstellung der Geschichte absoluter Gerichts-Nonsens ist. Weiter zur Rezension:    Was danach kommt von Anika Suck  

Rezension - Yrsa von Alexandra Bröhm

  Journey of Fate (Yrsa. Eine Wikingerin 1)  Yrsa ist eine junge Wikingerin , die sich nach dem Tod der alleinerziehenden Mutter seit vier Jahren allein um ihrem Bruder Sjalfi kümmert. Als sie eines Tages von der Jagd nach Hause kommt, ist Sjalfi verschwunden. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche und den gefährlichen Weg nach Haithabu . Denn es heißt, es würden Kinder entführt und versklavt. Unterwegs lernt sie Krieger kennen. Ihr Traum war immer schon, eine Kämpferin zu werden. Der Krieger Avidh hat es ihr besonders angetan. Ich würde den Roman ins Genre Young Adult einordnen. Wer softe Literatur, einen Liebesroman zur Entspannung mag, liegt hier richtig.  Weiter zur Rezension:    Yrsa von Alexandra Bröhm