Rezension
von Sabine Ibing
Eingeäschert
von Doug Johnstone
Der erste Satz:
Ihr Vater benötigte viel länger als erwartet, um zu verbrennen.
Als der Bestattungsunternehmer und Besitzer einer Detektei, Jim Skelf, plötzlich verstirbt, muss sich seine Witwe Dorothy um die Familienunternehmen kümmern. Tochter Jenny, angereist nach Edinburgh, hat gerade ihren Job und die Wohnung verloren, wird ihr zur Seite stehen. Enkelin Hannah studiert zwar noch, wird aber interessehalber eingebunden, weil ihre beste Freundin und Mitbewohnerin spurlos verschwunden ist. Indy, die an der Theke der Unternehmen jobt, wohnt ebenso in Studenten-WG, ist die Lebenspartnerin von Jenny. Beim Durchgang der Konten fällt Dorothy auf, dass Jim regelmäßige Geldzahlungen an eine unbekannte Frau getätigt hat – das seit zehn Jahren, jeden Monat. Und weil diese drei Frauen in ihre Recherchen eingebunden sind, übernimmt Jenny den Fall einer Ehemannüberwachung, um ihn des Fremdgehens zu überführen, ebenso den vom alten Herrn Glasmann, der meint, von seiner Pflegerin bestohlen zu werden.
Vier Fälle sind zu lösen
Das Geschäft mit dem Tod hörte nie auf. Menschen werden immer sterben, und wir werden immer trauern, und es wird uns wehtun.
Die Eingangsszene beginnt recht makaber mit der illegalen Einäscherung des toten Familienoberhaupts auf dem Scheiterhaufen im Garten – sein letzter Wille. Bereits der erste Satz zieht den Leser hinein. Und wer nun nach ein paar Kapiteln meint, er kenne die Lösungen der vier Fälle, wird im Verlauf mit interessanten Wendungen eines Besseren belehrt. Ersten kommt es anders, zweitens, als man denkt. Und weil immer jemand stirbt, gibt es auch genug für Archie zu tun, den Mitarbeiter, der für die Einbalsamierungen und das Aufhübschen zuständig ist, da in Irland die Toten aufgebahrt werden. Damit wäre das Team fast komplett. Ein wenig Unterstützung gibt es von einem Polizisten, dem besten Kumpel von Dorothy. Viel mehr wird nicht verraten.
Eine gute Mischung aus Skurrilität und Humor
Sie waren gesetzlich angehalten, Herzschrittmacher zu entfernen, da sie im Ofen des Krematoriums explodieren könnten. Dorothy fragte sich immer, ob jemand verletzt oder gar getötet worden war, als das zum ersten Mal passierte. Eine letzte Rache aus dem Jenseits.
Doug Johnstone geht geruhsam vor; langsam nimmt die Geschichte Gestalt an, denn er konzentriert sich auf seine Figuren. Letztendlich geht es darum, dass Menschen, die man genau zu kennen scheint, trotzdem Geheimnisse haben, man enttäuscht ist, weil sie sie nicht geteilt haben – oder man deckt Charakterschwächen auf, die sie in einem ganz anderen Licht zeigen. Und es geht um den unvermeidlichen Tod, den Schmerz, mit dem die Überlebenden zurückbleiben. Mit viel Empathie geht der Autor an seine Figuren heran, blättert sie auf, wobei guter irischer Humor unterlegt ist. Über 400 Seiten – und ich habe sie in einem Rutsch gelesen! Die Geschichte ist spannend, zieht immer mehr hinein, weil sich neue Türen während der Recherchen öffnen und man am Ende erstaunt ist, wie die Fälle sich auflösen. Literarisch fein skizziert, eine gute Mischung aus Skurrilität eines Bestattungsinstituts, der Tätigkeit dort, der Empathie gegenüber den Angehörigen; und im nächsten Moment überfällt den Lesenden ein breites Grinsen über die geschilderte Situation. Anfänglich trauern alle Beteiligten für sich auf ihre Art um den Patriarchen, sind gefangen in eigenen Problemen, bis sie zum Ende hin feststellen, wie sie als Team zusammenspielen, gemeinsam überleben können. Ein literarischer Kriminalroman, ein prima Tartan Noir, nicht nur für Krimifreunde, ein Auftakt für eine interessante Serie.
Doug Johnstone stand 2019 für „Breakers“ (Der Bruch) und 2020 für „Dark Matter“ auf der Short List für den McIlvanney-Preis, nominiert für den besten schottischen Kriminalroman des Jahres. Als Journalist, Songwriter und Atomphysiker lebt er mit seiner Familie in Edinburgh.
Doug Johnstone
Eingeäschert
Originaltitel: A Dark Matter
Aus dem Englischen übersetzt von Jürgen Bürger
Mit einem Nachwort von Anthony J. Quinn,
Kriminalroman, Literarischer Krimi, Tartan Noir, Noir, Schottische Literatur
Polar Verlag, 2022
Krimis und Thriller
Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller
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