Direkt zum Hauptbereich

Einfach nur Paul von Tania Witte - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing





Einfach nur Paul 


von Tania Witte


In Pauls Leben läuft alles schief: Er liebt ein Mädchen, das er nicht bekommen kann, er ist Frontmann einer Band, in der alle besser singen als er selbst und jedes Gespräch mit seinem Vater endet in einer Brüllorgie. Als er durch Zufall erfährt, dass er nicht der biologische Sohn seiner Eltern ist, bricht in ihm kurz alles zusammen. Sie haben ihn sein ganzes Leben lang belogen! Allerdings ahnt er da noch nicht, was die Suche nach seiner Mutter aufdecken wird … und dass die Erfüllung seiner Sehnsucht nicht der einzige Weg zum Glück ist. Ein Coming-of-Age-Roman über Sehnsüchte, Identität und Toleranz. Und die großen Fragen des Heranwachsens: Wer bin ich und was sehen die andern in mir? 

Der Sänger der Schulband zu sein, trug vermutlich dazu bei [beliebt zu sein]. Und das, obwohl ich nicht mal besonders gut sang, da waren sich alle einig, die Ahnung von Musik hatten.

Der Vater macht dicht


Paul ist in Amira verliebt – sie ist seine beste Freundin; aber mehr kann sie ihm nicht geben. Ihretwegen singt er in ihrer Band «Going Under», obwohl er meint, nicht singen zu können – Amira singt viel besser. Selbst die Musik der Band ist nicht seine. Auch Amira hält an Paul fest, weil sie ihn auf ihre eigene Art liebt. Paul und sein Vater stehen in ständiger Konfrontation – und für Paul ist klar, als er erfährt, nicht das biologische Kind seiner Eltern zu sein, er liegt daran, dass er ja nicht sein Sohn ist. Doch es kommt anders: Seine Mutter war damals nach seiner Geburt abgehauen, hatte Paul zurückgelassen beim Vater. Sehr gut wird hier der Konflikt gezeigt, durch Ängste ausgelöst, mit dem Eltern kämpfen, ob sie ihren Kindern die Wahrheit über biologische Identität zu offenbaren (die Angst vor Liebesverlust); und welche Sehnsucht Kinder treibt, etwas über ihre biologischen Eltern zu erfahren; was auch immer dabei herauskommen mag. Wer bin ich und woher komme ich. In diesem Fall ist der Vater nicht einmal bereit, etwas über die Mutter preiszugeben, keinen Namen, keine Herkunft, keine Fotos, rein gar nichts. Paul ist stinksauer und begibt sich auf Spurensuche und lässt nicht locker bei seinem Vater, zwingt ihn, endlich den Mund aufzumachen.


Wer ist diese Frau? 

Meine Mutter, die echte, also: die biologische, ist kurz nach meiner Geburt abgehauen. Hat nichts mitgenommen außer ihren Papieren — und eine Vollmacht oder so dagelassen, in der sie auf sämtliche Sorgerechtsansprüche verzichtet.

Paul verarbeitet seine Gefühle in Songtexten, spricht auf sein Handy, was ihn bewegt und verarbeitet es später. «Außerdem dachte ich, dass ich zu viel dachte, und dann überlegte ich, wie ich das abstellen könnte, und darüber dachte ich dann so lange nach, bis…» Wie soll sein Leben weitergehen? Amira möchte keine Beziehung eingehen, und Paul möchte letztendlich kein Sänger sein. Warum hat ihn seine Mutter im Stich gelassen? Wer ist diese Frau? Parallel werden Briefe an Paul eingeblendet, die seine Mutter schreibt, aber nie abschickt. Sie wohnt ganz in der Nähe und beobachtet Paul liebevoll aus der Ferne. 


Empathisch das Thema  Identität angefasst

Ein Coming-of-age, eine Identitätsfindung: Wer bin ich? «Es gab in der Tat zwei Pauls: einen im (Pauls) Kopf und einen anderen, den der Rest der Welt sehen konnte. Sie hatten wenig miteinander zu tun.» Am Ende gibt es eine unerwartete Wendung und Paul muss sich sich selbst stellen und eine Entscheidung treffen. Ein Jugendroman, der mit viel Empathie geschrieben ist, mit einer guten Portion Humor. Authentisch und im Jugendsound geschrieben, ohne, dass es aufgesetzt wird, geht dieses Jugendbuch sensibel mit einer Reihe von Themen um, die um das Thema Identität kreisen. Der Arena Verlag gibt eine Altersempfehlung ab 12 Jahren. Ich tendiere eher zu 13 / 14 Jahren. Empfehlung!  Auf der Verlagsseite gibt es auch Unterrichtsmaterial herunterzuladen.


Tania Witte ist Schriftstellerin, Journalistin und Spoken-Word-Performerin. Sie lebt und schreibt hauptsächlich in Berlin und am liebsten in Den Haag (NL). Neben diversen (inter)nationalen Stipendien erhielt sie 2016 den Felix-Rexhausen-Sonderpreis für ihre journalistische Arbeit, 2017 den Martha-Saalfeld-Förderpreis für Literatur sowie 2019 den Mannheimer Feuergriffel für „Marilu». Im selben Jahr wurde ihre Arbeit mit einem Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert. „Die Stille zwischen den Sekunden“ erhielt das KIMI-Siegel für Vielfalt im Jugendbuch.



Tania Witte
Einfach nur Paul
Jugendroman, Coming-of-age, Sexualität, LGBTQI+, Identitätsfindung, Unterrichtsmaterialien, Asexualität, Adoption, Transgender, Kinder- und Jugendliteratur
Hardcover, 272 Seiten
Arena Verlag, 2022
Altersempfehlung: ab 12 Jahren (Verlag) – von mir: ab 13 / 14 Jahren

Kinder- und Jugendliteratur

Kinder- und Jugendliteratur hat mich immer interessiert. Selbst seit der Kindheit eine Leseratte, hat mich auch die Literatur für Kinder nie verlassen. Interesse privat, später als Pädagogin, als Leserin, als Mutter oder Oma. Kinder- und Jugendbücher kann man immer lesen! Hier geht es zu den Rezensionen.
Kinder- und Jugendliteratur

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada

Am 08.11.2019 war ich zu einer Mischung aus Lesung und Definition des Begriffs Kriminalliteratur in St. Gallen in der Wyborada zu Gast, im Literaturhaus & Bibliothek in St. Gallen in der Frauenbibliothek und Fonothek Wyborada. Else Laudan sprach zum Thema Kriminalliteratur, erzählte ihren Weg mit ihrem freien Verlag Ariadne, ein Verlag, der ausschließlich literarische Kriminalliteratur von Frauen veröffentlicht. Weiter zum Artikel:    Was ist eigentlich Kriminalliteratur? - Ein Abend mit Else Laudan in der Wyborada 

Rezension - Drainting: Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger

  Als Drainting bezeichnet Felix Scheinberger die intuitive Kombination von Malen und Zeichnen. Damit hebt er die jahrhundertealte heute vollkommen unnötige Trennung zwischen Flächen malen und Linien zeichnen auf und verbindet das Beste aus beiden Welten. Früher machten wir einen Unterschied zwischen Zeichnen und Malen und damit fingen die Schwierigkeiten an. Wo es nämlich gar keine Umrisslinien gibt, gilt es, diese abstrakt zu (er)finden. Die intuitive Kombination aus Zeichnen (Drawing) und Malen (Painting) garantiert gute Ergebnisse und unendlichen Spaß! Eine gute Einführung erklärt das Knowhow und Grundsätzliches zum Malen und Zeichnen – gute Ideen, die man selbst umsetzen kann. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Die Kunst, malen und zeichnen zu verbinden von Felix Scheinberger 

Rezension - Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

  Offene Antworten auf deine Fragen zu Liebe, Lust und Pubertät Ein Aufklärungsbuch, das locker Fragen beantwortet und kurze Erfahrungsberichte von jungen Menschen einstreut, das alles mit knalligen Illustrationen unterlegt. Du bist, wie du bist, und du bist, wie du bist okay. Das Jugendbuch erklärt, stellt Fragen. Die Lust im Kopf, genießen mit allen Sinnen; was verändert sich am Körper in der Pubertät?, die Vagina, die Monatsblutung, der Penis, Solosex, LGBTQIA, verliebt sein, wo beginnt Sex?, Einvernehmlichkeit, wie geht Sex?, Verhütung, Krankheiten, Sextoys – das Buch spart nichts aus. Informieren, anstatt tabuisieren! Locker und sensibel werden alle Themenfelder sachlich vorgestellt. Prima Antwort auf offene Fragen; ab 11 Jahren. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Sex in echt von Nadine Beck, Rosa Schilling und Sandra Bayer

Rezension - Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

  Gesprochen von Hans Jürgen Stockerl Ungekürztes Hörbuch, Spieldauer: 12 Std. und 7 Min. Wir schreiben das Jahr 1683. Der junge Engländer Obediah Chalon, Spekulant, Händler und Filou, hat sich in London gerade mit der Investition von Nelken verspekuliert und eine Menge Leute um ihr Geld gebracht, das mit gefälschten Wechseln. Conrad de Grebber, Direktoriumsmitglied der Vereinigten Ostindischen Compagnie bietet Obediah  die Möglichkeit, der Todesstrafe zu entgehen: Er wird auf eine geheime Reise geschickt, um etwas zu stehlen: Kaffeepflanzen. Spannender Abenteuerroman rund um den Kaffee. Empfehlung! Weiter zur Rezension:   Der Kaffeedieb von Tom Hillenbrand

Rezension - Killer Potential von Hannah Deitch

  Als Evie Gordon an einem Tag bei den Victors klingeln will, steht die Tür offen. Sie ruft, niemand antwortet. Dann findet sie Mr Victor tot im Pool schwimmend, Mrs Victor liegt mit zermatschtem Schädel tot im Wohnzimmer. Das alles muss gerade passiert sein, Evie hat Angst, will das Haus verlassen, als sie leise Hilferufe hört. In einer Kammer unter der Treppe findet sie eine gefesselte Frau. Sie befreit sie. In dem Moment kommt die Tochter nach Hause, schreit entsetzt der Szenerie, geht auf Evie los, die in ihrer Not dem Mädchen eine Lampe über den Kopf zieht. In Panik verschwindet Evie mit der Unbekannten – ein Roadmovie beginnt. Der Roman konnte mich leider nicht überzeugen. Weiter zur Rezension:   Killer Potential von Hannah Deitch

Rezension - Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

  Helene hätte ihren Mann, Georg, verlassen können – damals – für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. ‹Es ist einfach passiert.›, sagt er, zieht bei Mariam ein. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang für die Mittvierzigerin. Vielleicht ist sie gekränkt weil Georg einfach ging – eifersüchtig, eben auch, weil die Kinder diese junge Yogalehrerin mögen. Doch gleichzeitig ist sie jetzt frei – vielleicht für Alex, denn die beiden haben sich seit ihrer Studienzeit in Paris nie aus den Augen verloren. Eine verdammt gut geschriebene Familiengeschichte. Empfehlung!  Weiter zur Rezension:     Lügen, die wir uns erzählen von Anne Freytag

Rezension - Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis

  (Detektivbüro LasseMaja, Bd. 37)  Es gibt hochfliegende Pläne im Ort Valleby: Ein Astronaut macht mit seiner Raumkapsel in der Kleinstadt Station und will als Nächstes den Planeten Neptun ansteuern. Und laut tönt er, er suche Astronaut:innen, die ihn begleiten. Bewerber will er einem Astronauten-Test unterziehen, danach bestimmt er, wer mitfliegen darf! Natürlich benötigt er auch Spenden für sein Projekt. Die Detektiv:innen Lasse und Maja hören genau zu. Und bei dem, was der Mann so erzählt, kommt schnell der Verdacht, dass an der Geschichte etwas faul ist und der Typ ein Betrüger ist. Das teilen sie dem Dorfpolizisten mit – doch der hat gerade keine Zeit für sie. Ein Dieb geht um … Spannender, witziger Kinderkrimi ab 8 Jahren, Empfehlung!  Weiter zur Rezension:   Detektivbüro LasseMaja – Das Weltraumgeheimnis von Martin Widmark und Helena Willis 

Rezension - Der Gott des Waldes von Liz Moore

Im August 1975 findet wie jedes Jahr ein Sommercamp in den Adirondack Mountains für Kinder und Jugendliche statt. Als Barbara eines Morgens nicht wie sonst in ihrer Koje liegt, beginnt eine großangelegte Suche nach der 13-Jährigen. Barbara ist keine gewöhnliche Teilnehmerin: Sie ist die Tochter der reichen Familie Van Laar, der das Camp und das umliegende Land in den Wäldern gehören. Viele Jahre zuvor verschwand hier der achtjährige Bear, ihr Bruder, der seit 14 Jahren vermisst wird. Hängen die Vermisstenfälle zusammen? Liz Moore zeigt mit ihrem literarischen Krimi ein Gesellschaftsbild, bei dem Frauen nichts zu sagen haben. Spannender Gesellschaftsroman, ein komplexer Kriminalroman. Empfehlung! Weiter zur Rezension:    Der Gott des Waldes von Liz Moore

Rezension - Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Waldpilze sind einfach zum Verlieben! Und welche sich zum Essen eignen, erfahren wir in diesem Buch – einschließlich mit Rezepten. Pflücken, zubereiten, konservieren. Flexitarier, Vegetarier und Veganer lieben sie als hochwertigen Fleischersatz. Die Pilzexperten Gerhard Schuster und Christine Schneider zeigen, welche Pilze man wie zubereitet, damit sie zum Hochgenuss werden. Nebenbei räumen sie auch mit alten Mythen auf. Unter den mehr als 50 Rezeptideen gibt es neben den bewährten Klassikern auch echte Pilzküchen-Überraschungen zu entdecken. Weiter zur Rezension:    Pilzliebe von Gerhard Schuster, Christine Schneider

Rezension - Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt

Bendix, der Häuptling des Keltendorfs Taigh, ist außer sich: Jemand hat seinen Honigtopf gestohlen! Lindis, der Ziehsohn der Dorfdruidin Kundra und dessen Freunde Finn und Veda wollen der Sache auf den Grund gehen. War der Dieb hinter der wertvollen Amphore her oder hinter deren speziellem Inhalt? War es einer der fahrenden Händler? Und dann ist auch noch die kleine Tochter der Sklavin verschwunden! Unter dem Vorwand, fischen gehen zu wollen, machen sich die drei Jugendlichen heimlich auf die Suche nach den Händlern und kommen dabei einem Geheimnis auf die Spur … Weiter zur Rezension:    Lindis und der verschwundene Honigtopf von Viola Eigenbrodt