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Ein perfektes Paar von Jackie Kabler - Rezension

Rezension

von Sabine Ibing



Ein perfektes Paar 


von Jackie Kabler


Der Anfang: 

Es war das Schweigen, das mir als Erstes auffiel. War Danny zu Hause, war immer etwas zu hören. Er sang oder summte, klapperte auf der Tastatur seines Laptops und klackerte endlos mit dem Löffel in seinem Kaffeebecher herum. Aber ich liebte es, ich mochte die Geräuschkulisse, trotz meiner regelmäßigen Proteste. Ich hatte vor Danny viel zu lange allein gelebt, und der Umstand, dass er ständig zu hören war, gab mir das Gefühl, mit der Welt verbunden zu sein, zu leben.


Die Journalistin Gemma kommt von einer kurzen beruflichen Reise zurück nach Hause. Sie freut sich auf ihren Mann, der versprochen hat, für sie zu kochen. Danach in dem neuen Haus in Bristol auf der Couch kuscheln. Sie sind seit einem Jahr verheiratet und waren vor einem Monat von London hergezogen, hatten das hübsche Cottage am Stadtrand gemietet, und wollen sich nun in Ruhe nach einem Eigenheim umschauen, um eine Familie zu gründen. Gemma und Danny sind ein perfektes Paar, das jedenfalls denkt Gemma. Doch an diesem Abend ist Danny nicht zu Hause. Gut, der IT’ler arbeitet oft bis in die Nacht hinein, doch Danny ist zuverlässig, würde ihr Bescheid geben, wenn er länger arbeiten muss. Als er zwei Tage später immer noch nicht zu Hause ist, wendet sie sich an die Polizei.


‹Okay, das sind die grundlegenden Daten. Zwei tote Männer, beide mit einer Kopfverletzung, beide im Bereich der Downs ermordet, im zeitlichen Abstand von ein paar Wochen. Beide erfolgreich und ambitioniert, beide Anfang dreißig. Zwei Männer, die, soweit wir es bisher sagen können, in keinerlei kriminelle Aktivitäten verstrickt waren. Und zwei Männer, die …›, sie wandte sich der Tafel zu und klopfte erst auf Mervins, dann auf Ryans Foto, ‹offen gesagt wie verdammte Zwillinge aussehen.›


Eine übliche Vermisstenanzeige. Doch der aufnehmende Polizist leitet sie besorgt an DCI Helena Dickens weiter. Die ist ebenfalls irritiert: Danny sieht in etwa aus wie die zwei Männer, die kürzlich ermordet aufgefunden wurden. Ist er ebenfalls tot? Ist hier ein Serienmörder unterwegs, der auf einen bestimmten Typ Mann steht? Je weiter die Ermittlungen fortschreiten, um so mehr gerät Gemma unter Verdacht. Die Indizien verhärten sich. Zunächst empfindet sie die Anschuldigungen als lächerlich, doch dann bekommt sie es mit der Angst zu tun und stellt eigene Recherchen an. Danny hat eine Menge Geheimnisse vor ihr verborgen ... 


Ich glaube, mein ganzes Leben mit Danny war eine einzige Lüge.


Eine beunruhigende Geschichte die Spannung hat, in der Mitte ein wenig lange auf der Stelle tritt, dann wieder anzieht. Mehrperspektivisch abwechselnd aus Gemmas Sicht in der Ich-Form, die Polizeiarbeit wird von einem übergeordneten Erzähler präsentiert – mit Cliffhangersystem. Spannend ist die Frage, ob Gemma unschuldig ist oder ob sie uns Lesenden einen Bären aufbindet. Die Ermittlung der Polizei läuft ein wenig tapsig. Das Ende war für mich dann leider schlecht. Ich will hier nicht spoilern – der/die Mörder:in wird gefunden, aber der Leser erfährt nicht die Hintergründe, die zur Tat geführt haben könnten – ich habe wirklich keine blasse Ahnung. Das lässt den Lesenden ratlos zurück – insbesondere die merkwürdige Beichte des Tötenden, die Taten gestehend, doch völlig ohne Beweggründe. Man hat den Eindruck, als wenn hier die Autorin losgeschrieben hat und am Ende irgendwie die Fäden zusammenbringen musste, um einen Abschluss zu finden: Pfropfen drauf und zu – dann noch zwei Knaller hintendrauf, die nicht sein mussten. An sich ein guter, spannender Whodunnit, eine intelligente Geschichte, bei dem sich die Charaktere langsam entfalten. Leider verdirbt das Ende den Lesespaß ein wenig. Trotz allem, fein zu lesen.


Jackie Kabler, geboren 1966, stammt aus Coventry und arbeitete als Journalistin fürs Fernsehen, bevor sie sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Gloucestershire.


Jackie Kabler
Ein perfektes Paar
Originaltitel: The Perfect Couple, 2020
Aus dem Englischen übersetzt von Werner Löcher-Lawrence
Krimi, Kriminalliteratur, Whodunnit, Mysterykrimi, Cozykrimi, Englische Literatur
Taschenbuch, 429 Seiten
Insel Verlag, Suhrkamp, 2021





A Cozy Crime is a Mystery to Me oder Cozy Crime ist mir (k)ein Rätsel - ein Beitrag von Fenna Williams

© Fenna Willams
Ein weiterer Beitrag zur Rubrik: Krimis und Thriller - eigentlich ein kunterbuntes Genre
Cozy Crime ist für mich Mystery. Nein, kein Buch mit 7 Siegeln und auch kein unlösbares Rätsel. Cozy ist schlicht der nordamerikanische Begriff für ein Krimigenre, welches in britischen Landen mit Mystery Crime betitelt wird – also Kriminalromane von Agatha Christie (damals) bis Anthony Horowitz (heute). Der Ausdruck wurde zum ersten Mal verwendet, als man im späten 20. Jahrhundert begann, die Golden Age of Detective Fiction, aufleben zu lassen, in dem man wieder das Rätsel um einen Tod oder ein Verbrechen in den Mittelpunkt stellte.
Weiter zur Rezension:   A Cozy Crime is a Mystery to Me oder Cozy Crime ist mir (k)ein Rätsel_von Fenna Williams




Krimis und Thriller

Ich liebe Krimis und Thriller. Natürlich. Spannend, realistisch, gesellschaftskritisch oder literarisch, einfach gut … so stelle ich mir einen Krimi vor. Was ihr nicht oder nur geringfügig bei mir findet: einfach gestrickte Krimis und blutrünstige Augenpuler.
Krinis und Thriller

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